Leidenschaft

50 2 3
                                    


„Kopf hoch! Nicht nach unten schauen, den Blick immer nach vorne gerichtet du Dumpfschädel!", rief ich und bewarf Andre mit einer leeren Plastikflasche. „Hey!", grummelte er und verschränkte die Arme. „Wie lange muss ich das jetzt eigentlich noch machen? Seit drei Wochen hüpf ich hier alleine durch den Raum. Sollten wir das Ganze nicht mal zusammen üben?" Lachend erhob ich mich vom Boden, klopfte mir den Dreck von den Hosen und zog dann prüfend eine Augenbraue hoch.

„Du bist noch nicht soweit."

„Wie jetzt? Du denkst ich bekomm das klein bisschen Tanzen nicht hin?", sagte er und grinste mich neckend an. „Das ist kein Tänzchen. Du musst vor allem die Musik in dich aufnehmen, sie spüren und sie verkörpern. Bis jetzt stellst du dich aber eher wie ein Holzfäller an!"

„Und wie soll ich das lernen?", fragte er skeptisch, während ich zu den Musikboxen lief, mein Handy in die Station reinsteckte und einen Titel auswählte.

„Ich zeig es dir.", murmelte ich und drückte auf Wiedergabe. Andre hob etwas verwundert die Augenbrauen, als der Song „Oceans" von Hillsong erklang und den Raum erfüllte. „Nimm die Musik in dich auf!", sagte ich und nahm seine Arme, um diese auszurichten. „Fließende Bewegungen sind wichtig, das ist kein Militärmarsch!" Ein raues lachen drang aus seiner Kehle und ich musste lächeln. „Versetzt dich hinein! Spür die Leidenschaft.", flüsterte ich und tanzte, während seine Augen meine Bewegungen verfolgten.

Mein Herz raste, als sich seine Arme um meine legten und seine Hand mein Gelenk umfasste. Unsere Körper bewegten ich im Einklang in einer kreisenden Bewegung und ich spürte seinen warmen Atem im Nacken, während sich jedes einzelne Haar an meinem Körper aufstellte. „Sehr gut.", brachte ich mit leicht zittriger Stimme heraus und wollte mich mit einer Drehung aus dem Griff lösen, doch Andre hielt meine Hand fest und zog mich wieder zurück. Unsere Körper waren eng aneinander gedrückt und unsere Gesichter trennten nur noch wenige Zentimeter. „Hör auf du Holzkopf.", sagte ich lachend, als er versuchte, mich plötzlich hoch zu heben.

„Machen wir denn keine Hebefigur?", fragte er scherzend und hielt mich in der Luft fest, während ich auf ihn locker einschlug. „Jetzt doch noch nicht!", rief ich und landete wieder auf dem Boden. „Aber das war schon gut für den Anfang. Du wirst immer besser.", sagte ich und lief zu meiner Tasche, um zu schauen wie spät es war. Ich hatte zudem mehrere Nachrichten von Jan und Jenny und bekam plötzlich ein schlechtes Gewissen, als ich bemerkte wie nah Andre und ich uns in den letzten Tagen gekommen waren. „Alles in Ordnung?", fragte er mich grinsend.

Ich merkte wie meine Handgelenke noch immer von seinen Berührungen brannten und mir wurde schlecht. Ich hatte nicht bemerkt was ich hier eigentlich tat. „Kate?" Ich blickte auf, in seine braunen Augen und schluckte schwer. „Ja. Alles in Ordnung. Lass uns weiter machen."

„Ok.", sagte er etwas zweifelnd, als würde er mir nicht ganz glauben wollen. „Fang nochmal kurz vor der Umdrehung an.", murmelte ich und korrigierte seine Stellung. „Blick nach vorne." Ich hob sein Kinn und er fing wieder an zu grinsen. „Ich komme mir vor wie ein Kleinkind."

„Bist du doch auch. Man muss dir immer alles zehntausend Mal erklären. Schultern nach hinten!" Die letzten zwei Stunden verliefen zum Glück ohne weitere Vorfälle und als ich am Abend in mein Zimmer kam, fiel ich müde in mein Bett. „Kate? Bist du noch wach?", hörte ich Jenny rufen und ich setzte mich auf. Sofort überkam mich ein schlechtes Gewissen, obwohl ich nicht einmal was getan habe. „Ich wollte dich was fragen in Bezug auf Andre." Mein Herz rutschte eine Etage tiefer und ich hielt die Luft an. Spätestens jetzt war mir klar geworden, dass ich Andre nicht mehr hasste. Und um Jennys Willen musste ich mich zusammen reißen, egal was mein Herz sagte.

„Ja?", presste ich letztendlich hervor. „Ich wollte mit Andre verreisen und wollte dich fragen, ob das in Ordnung wäre. Wegen tanzen und so."

„Klar.", platze es vor Erleichterung aus mir heraus. Abstand war gut und ich würde vielleicht wieder zur Vernunft kommen.


Gegensätze ziehen sich an?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt