Eine kurze Erholung

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„Du siehst richtig scheiße aus.", sagte Jenny kritisch und musterte mich von oben bis unten. „Mir geht es auch nicht so besonders.", murmelte ich und warf meinen Ranzen in eine Ecke, um dann in die Küche zu gehen. „Hast dich wohl erkältet?"

„Ne. Bin einfach nur erschöpft." Ich schenkte mir kühles Wasser ein und schleppte mich in mein Zimmer, während Jenny mir besorgt folgte. „Du übernimmst dich Kate."

„Tu ich nicht."

Oder etwa doch? Nachdenklich nippte ich an der erfrischenden Flüssigkeit und blickte an meinen prall gefüllten Kalender, der mir gegenüber an der Wand hing. „Vielleicht solltest du die nächsten Tage mal einen Gang zurück schalten. Andre ist eh noch nicht gesund und es sind bald Semesterferien. „Ich muss mir aber noch eine Choreo ausdenken und mein Kopf ist leer. Ich muss weiter an Figuren üben die noch nicht klappen und neben bei auch für Jan Zeit haben."

Ich fragte mich eh schon die ganze Zeit, ob man das eine Beziehung nennen konnte. Wir wohnten nah bei einander und sahen uns kaum aber vielleicht lag das auch an mir. Ich hatte manchmal keine Lust ihn zu sehen, geschweige denn etwas mit ihm zu unternehmen. „Ich mach nochmal los.", murmelte ich und erhob mich von meinem Bett, stellte das Glas in der Küche ab und zog mir eine Jacke an. „Bist du zum Abendbrot da?", fragte mich Jenny und ich nickte, bevor ich die Wohnung verlies.

Meine Füße trugen mich zu meinem zweiten zu Hause, jedoch hatte ich dieses mal nicht vor zu üben, sondern einfach mal alleine zu sein, ohne Jenny, Andre oder Jan. Ich drehte die Musik laut auf und legte mich auf den Boden, starrte die Decke an und versank in Gedanken. Der Stress fiel ein wenig von mir ab und es gelang mir sogar ein paar Ideen für den Tanz zu bekommen. „Spielst du hier Dornröschen oder was soll das werden?" Ich öffnete meine Augen und schloss sie darauf gleich wieder.

„Was willst du?", knurrte ich. „Ich war gerade in der Gegend und hab gesehen, dass die Tür offenen stand." Ich zog eine Augenbraue nach oben und setzte mich letztendlich doch auf. „Müsstest du nicht eigentlich daheim im Bett liegen?"

„Ich brauchte frische Luft.", sagte Andre und setzte sich ebenfalls auf den Boden und legte seine Krücken neben sich. „Und jetzt willst du mir auf die Nerven gehen?", grinsend schaute er mich an und ich versuchte das seltsame Gefühl in meinem Magen zu unterdrücken.

„Mir war langweilig."

„Ja. Und ich wollte meine Ruhe haben.", sagte ich und verschränkte meine Arme. „Aber so ganz alleine ist es doch langweilig."

„Ich mag das aber." Fragend schaute mich Andre an und fing dann an mit lachen. „Das glaube ich dir nicht. Du willst mir doch nicht sagen, dass du Einsamkeit magst."

„Doch." Sofort verstummte sein Lachen und die braunen Augen schauten mich leicht entgeistert an. „Ich bin gern alleine. So bin ich aufgewachsen."

„Deswegen willst du auch nicht so oft mit Jan herumhängen?" Ich nickte, auch wenn das nicht ganz der Wahrheit entsprach. „Erzähl mir warum." Erstaunt blickte ich auf, mein Herz klopfte übernatürlich laut, als er seine Hand auf meinen Arm legte. „Was?"

„Warum bist du so verschlossen?"

„Das geht dich nichts an.", brachte ich hervor und entzog mich seiner Berührung, wenn auch widerwillig. Seufzend lehnte Adre sich nach hinten und brachte wieder dieses Grinsen hervor.

„Ich bring dich schon noch zum reden." Nun musste ich auch lächeln und steckte ihm die Zunge raus. „Werd du erst mal wieder gesund."

„Nur zwei Tage und dann bin ich wieder fit! Einen Superhelden kann nichts aufhalten."

„Du bist kein Superheld, du bist ein riesiger Dumpfschädel.", sagte ich lachend und erhob mich nun ganz. „Ich werde jetzt den Heimweg antreten. Kommst du auch, oder soll ich dich hier einsperren?" Mit einem unverständlichem Laut, hievte sich Andre wieder auf die Füße und schwang mir hinter her.

Wir verabschiedeten uns und auf dem Weg zur Wohnung musste ich an unser Gespräch denken. Es tat gut, nicht immer über das Training oder die Uni zu reden aber warum interessierte er sich für meine Vergangenheit? Mit einem Seufzer betrat ich die Wohnung und Jenny kam mir sofort brabbelnd entgegen. „Andre hat gerade angerufen! Er hat mich morgen auf ein Date eingeladen! Ist das nicht toll? Gott ich liebe diesen Kerl so sehr! Kate du musst mir unbedingt bei der Kleiderwahl helfen!" Die Worte flogen an mir vorbei und mein Lächeln verflog ein wenig. Andre war Jennys Freund und Jan meiner, dass sollte ich nie vergessen.


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