Interview mit Folgen

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In dem Raum war es kühl und ich konnte mich für fünf Minuten auf alles vorbereiten. Ich schaute auf die Liste, die mir Jenny vorhin noch gegeben hatte, bevor sie dann mit einem breiten Grinsen verschwunden ist. Wer weiß wohin. Zehn Youtuber müssen wir heute ausfragen und meine Laune hatte sich noch immer nicht verbessert. Ihr müsste wissen, dass ich eigentlich immer auf absolute Pünktlichkeit und Ordnung bestehe aber ich verkrampfe mich darin so sehr, dass ich meistens in irgendwelche Fettnäpfchen trete. 

Ich bin Tollpatschig und versuche das mit Perfektion hinunter zu spülen, was eigentlich gut gelingt. Eigentlich...Ich schaue auf die Liste und die ersten Namen kenne ich natürlich überhaupt nicht. Das war dann wohl Jennys Part, die nächsten drei hatte ich mir gestern Abend noch angeschaut und die restlichen...Ich blickte auf, als die Tür auf ging und Jenny eintrat. In der Hand hielt sie zwei Pappbecher mit Kaffee. „Danke.", sagte ich, als sie mir einen davon reichte. „Bist du bereit?", fragte sie und ich nickte. 

Im nächsten Moment sprang die Tür auf und ein Junge trat ein. Wir begrüßten uns, und er stellte sich als "Taddl" vor, bevor er sich lässig auf das weiße Sofa fallen lies. Ich war froh, dass sich Jenny in Sachen Youtube so gut auskannte und ich ihr somit das Ruder in die Hand legen konnte. Pro Interview fünfzehn Minuten, das waren die Regeln und ich war froh, als wir bei der letzten Gruppe angekommen waren. Ich schaute nochmals auf die Liste. „Apecrime?", fragte ich Jenny. Sie grinste breit. „Die Typen sind der absolute Hammer! Komplett durch geknallt und der Andre...du meine Güte ist der heiß!", schwärmte sie, während ich nur die Augen verdrehte.

„Du weißt ja wie ich zum Thema "Liebe" stehe." In dem Moment flog die Tür auf und zwei Jungs spazierten in den Raum. Der erste war klein, etwas kugelhaft gebaut und hatte doch tatsächlich eine Glatze. Der zweite war um einiges Größer, hatte braun, blondes Haare (ich konnte es nicht ganz definieren) und besaß einen leichten Bart. „Cengiz.", stellte sich der Glatzkopf vor. „Und Jan.", sagte der größere und reichte uns die Hand. „Seid ihr nicht normalerweise zu dritt?", fragte Jenny lächelnd. „Andre kommt gleich.", meinte Glatzkopf. „Andre?", wiederholte ich und drehte mich zur Tür, als der Riese vor mir stand. 

Schlank, groß, dunkelblonde Haare, braune Augen...Scheiße den kennst du. Und da war auch schon wieder das Fettnäpfchen. „Hey.", sagte er, zwinkerte uns zu und platzierte sich neben seine Freunde. Vielleicht hatte der Typ mich auch nicht wieder erkannt?

„Du scheinst ja doch noch den Weg gefunden zu haben!", sagte er dann schließlich doch und mein Kopf wurde knall rot. Jenny blickte mich nur fragend an, zog dann eine Augenbraue hoch und drehte sich zu den Jungs. „Also, Apecrime...", begann meine Freundin und ich merkte, wie mein erhitztes Gesicht langsam wieder abkühlte.

Das Interview schien eine halbe Ewigkeit zu dauern, ich hörte eigentlich nicht wirklich hin und starrte in meinen Kaffee und nippte ein paar mal daran. Endlich standen die drei Jungs auf, und auch Jenny und ich erhoben uns. „Danke, für das nette Gespräch und wir wünschen euch noch viel Erfolg.", beendete meine Freundin das Interview und zwinkerte Andre noch zu, während er ihr die Hand schüttelte. „War auch nett dich kennen zu lernen.", sagte er und lächelte mich an. „Mhmm. Sorry hab die Hände voll.", sagte ich, als er mir die Hand reichen wollte. 

Und dann waren sie draußen und ich atmete erleichtert aus. „Was war das denn?", fragte Jenny mich vorwurfsvoll. „Sorry ich hab die Hände voll.", äffte sie mich nach. „Ich mag ihn eben nicht. Er ist arrogant und solche Leute kann ich überhaupt nicht ab."


„Andre und arrogant? Er ist der heißeste Youtuber den ich kenne! Mensch Kate was ist nur in dich gefahren? Denkst du denn nur an das Studium und ans Tanzen?" 
„Ja! Weil das eben wichtig ist und so einen Mist wie die Liebe, brauche ich im Moment nicht." Wütend schnappte ich mir meine Sachen und marschierte aus dem Raum. 

„Kate jetzt warte...", hörte ich meine Freundin noch rufen, doch die Tür fiel ins Schloss und ich stampfte davon. Mein Puls raste vor Wut und ich kramte mein Portmonee heraus, um das verflixte Bahnticket raus zu holen, wäre da nicht mal wieder meine Blindheit. Ich prallte, zum zweiten mal an diesem Tag, mit jemanden zusammen und eine heiße, braune Flüssigkeit breitete sich auf meinem weißen Shirt aus.

„Das darf doch wohl nicht wahr sein.", kreischte ich und war den Tränen ziemlich nahe, da heute einfach alles schief ging. Zu meinem entsetzten war es auch noch der Riese, in den ich hinein gelaufen bin. 

„Shit. Sorry, das tut mir jetzt wirklich leid!", sagte er und fuhr sich durch die Haare. „Ich schaute an mir hinab und hätte heulen können. Ich hob meine Tasche auf und lief einfach, so schnell es ging auf die nächste Toilette, wo ich versuchte die braunen Flecken abzubekommen. „Das kann ja nur noch besser werden.", schluchze ich fast, als die Tür zum Frauenklo einen Spalt geöffnet wurde. „Ich hab dir ein frischen Shirt besorgt. Tut mir leid wegen dem Kaffee." Wütend riss ich diesem Andre das schwarze Hemd aus der Hand und zog mich um. 

Ich betrachtete mich noch kurz im Spiegel, bevor ich dann aus der Toilette trat. Der Riese fuhr sich nochmals durch die Haare und grinste mich entschuldigend an. Arschloch. „Sorry nochmal."
„Ja ja. Ich muss jetzt los. Danke.", sagte ich knapp und lief an ihm vorbei. Solche Kerle konnte ich nicht ab, sie waren arrogant, unpünktlich und wahrscheinlich auch noch unordentlich. Erleichtert stieg ich in die Bahn und öffnete meine Tasche, als mir ein weiterer Schock durch die Glieder fuhr.

Mein Portmonee war verschwunden.

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