Der große Tag

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Nur mühsam konnte ich die Tränen zurückhalten, als ich den Eingang der Tanzschule betrat und mich Dutzende Tänzer und Tänzerinnen anstarrten. Ihr Blicke waren teilweise abschätzig, giftig, interessiert und mörderhaft, was natürlich kein Wunder war, denn nur die Besten wurden ausgewählt um in London angenommen zu werden. Mein Herz raste, als ich mich auf einen Stuhl setzte und die Uhr anstarrte. Es war fünf vor zwölf. Ich schluckte den dicken Kloß in meinem Hals herunter und schloss meine brennenden Augen.

Die letzten Tage hatte ich kaum geschlafen, meine Gedanken kreisten die ganze Zeit um Andre und Jenny. Alles ging zu Bruch und nun stand ich alleine hier, musste mein Können beweisen, und dass ohne Andre. Es versetzte mir einen Stich im Herzen wenn ich an unsere gemeinsamen Trainingsstunden dachte. Eine einzelne Träne rollte über meine Wange, als ich an seine Berührungen und Scherze dachte, doch dies gehörte nun der Vergangenheit an. Ich wischte mir den Tropfen schnell weg und atmete tief ein. Es war Punkt zwölf, als ein Mädchen weinend aus der Tür stürmte und am Ausgang verschwand.

Sie hatte es anscheinend nicht geschafft. Von allen Seiten ging nun ein Getuschel los und man konnte die Nervosität beinahe schon greifen, als die Tür aufflog und eine ältere Dame mit Dutt auftauchte. Ihr Blick war auf eine Liste geheftet, als sich eine einzelne Strähne löste. "Katherina Müller?", fragte sie in die Runde und ein junges Mädchen im Alter von 16 Jahren erhob sich. Mit erhobenem Kopf marschierte sie der Frau hinterher und würdigte die anderen keines Blickes. Die Zeit verging, die Leute gingen ein und aus, die wenigsten mit einem glücklichen Gesicht, bis es Dreiviertel eins war.

Die Tür flog erneut auf. "Kate Töpfer!" Mein Herz sackte in die Hose, dennoch erhob ich mich und versuchte selbstsicher zu wirken, als ich an den anderen Teilnehmern vorbei lief. Ihre Blicke klebten förmlich an mir, bis ich hinter der Tür verschwunden war. Der Tanzsaal war etwas größer, als mein Trainingssaal. Vor mir stand ein Tisch, an dem eine junge Frau mit blonden Haaren saß und ein Mann mit Glatze. Beide betrachteten mich lächelnd. "Du musst Frau Töpfer sein richtig?" Ich nickte etwas unsicher. "Wo ist denn ihr Partner? Hier steht, sie wollten ein Duett tanzen." Ich schluckte den heraufkommenden Kloß wieder runter und starrte die blonde Frau an.

"Es ist etwas dazwischen gekommen. Ich werde alleine tanzen.", krächzte ich und erzwang mir ein Lächeln. "Nun gut. Viel Glück.", sagte sie und nickte.

~Andres View~

Es war fünf vor Zwölf, als Jan die Wohnung betrat und Andre auf dem Sofa sitzend in einer Decke eingekuschelt vorfand. "Hey. Alles klar?", fragte Jan, doch Andre reagierte nicht wirklich drauf. Sein Blick war an die Wanduhr geheftet und mehr schien er auch nicht mitzubekommen. Seufzend lies sich Jan neben seinen Freund aufs Sofa fallen und stieß ihn etwas unsanft an. "Was soll das?", keifte Andre und funkelte seinen Kumpel wütend an. "Was starrst du denn die dämliche Uhr an?", fragte Jan und runzelte die Stirn. "Kate hat heute ihren Auftritt. Alter. Ich hab es so verkackt. Es tut mir so leid Jan! Wirklich!"

"Schwamm drüber. Ich wusste schon von Anfang an, dass ihr beide für einander gemacht seid. Aber ich versteh nicht, warum du Kate angelogen hast."

"Verdammt weil ich Schiss hatte ok?" Andre war über seine eigenen Worte überrascht. Noch nie hatte er Angst gezeigt, immerhin hießen sie nicht umsonst Apecrime und stellten nur Mist an, doch plötzlich war sein Selbstvertrauen weg, als hätte es sich in Luft aufgelöst. "Du liebst sie oder?", fragte Jan und schaute seinem Freund direkt in die Augen. "J-ja.", gab dieser zurück und schaute nochmals auf die Uhr.

"Dann geh zu ihr!"

"Es ist zu spät...", seufzte Andre und kuschelte sich weiter in die Decke ein. "Andre Schiebler!", rief Jan laut und war mit einem Sprung auf den Beinen. "Bist du noch ganz dicht in der Birne? Seid wir befreundet sind, hattest du ein Selbstvertrauen wie ein Löwe und hast immer versucht zu gewinnen! Und nun sitzt vor mir ein Häufchen Elend, nur weil mal etwas schief gelaufen ist? Wenn du sie liebt, dann Kämpfe du Waixer! Also beweg deinen faulen Arsch vom Sofa und lauf!!"

Geschockt starrte Andre seinen Kumpel an, blinzelte ein paar mal und wusste nicht was er sagen sollte. "Scheiße. Du hast recht Alter.", sagte er letztendlich, sprang ebenfalls auf und rannte ins Bad. "Geht doch.", murmelte Jan erfreut und lies sich wieder aufs Sofa fallen. Ohne weiter nach zu denken, stürmte Andre aus der Wohnung, zur nächsten Bahn und warf immer wieder einen Blick auf die Uhr. Es war Dreiviertel eins, als er die Tanzschule erreichte und hineinstürmte. Ein Haufen Mädchen Augen starrte ihn geschockt an, als er wie ein irrer sich hindurch drängelte und die Tür öffnete.

Keuchend huschte er hinter eine Säule, als sich Kate mit den zwei Leuten am Tisch unterhielt und letztendlich die Musik anging. Er beobachtete ihre Bewegung und musste feststellen, dass diese teilweise wacklig oder unsauber ausgeführt worden, was Andre schockte. Er konnte ihren Schmerz spüren und hätte sich dafür am liebsten geohrfeigt. Vielleicht hätte er doch nicht herkommen sollen.Als Andre aufblickte, war die Stelle gekommen, an der Kate auf die Knie ging und er seinen Auftritt hatte. Er atmete noch einmal tief ein, kam hinter der Säule hervor und fiel hinter Kate auf die Knie und umarmte sie von hinten, als ein Schluchzer ihren Körper zum zittern brachte.

Gegensätze ziehen sich an?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt