Kapitel 9

236 16 0
                                    

Mario's Sicht

"Was machst du da?", fragte ich, als ich sah, wie Auba vor dem Schreibtisch kniete. Er hatte mir zwar den Rücken gekehrt, aber ich konnte trotzdem erkennen, wie er etwas einsteckte. Dann drehte er sich schnell um und sah mir schreckerfüllt in die Augen.
"Gar nichts! Geh einfach.", befahl er mir nervös. Ich kam ihm vorsichtig näher, meine Augen fest auf ihn gerichtet, das Handtuch enger um mich geschlungen und das nasse Haar im Gesicht klebend, kam ich seitlich zu ihm herrüber.
"Was versteckst du hinter deinem Rücken.", fragte ich mit fester Stimme und ich wurde unruhiger. Erst jetzt sah ich, dass die Schublade hinter Auba offen war. Da fing ich an zu kapieren.
"Was fällt dir ein.", wisperte ich geschockt. Auba wollte etwas sagen, entschied sich aber den Mund zu halten und einfach aus unserem Zimmer zu flüchten.
"Hey! Bleib stehen, du mieses Drecksschwein!", schrie ich ihm hinterher und suchte schnell meine Sachen zusammen, um mich zügig anzuziehen. Ein paar Schaulustige hatten sich schon vor unserem Zimmer versammelt und ich schnalzte ihnen wütend die Tür vor der Nase zu.

Marco's Sicht

Auba schlug gegen unsere Tür, als ob es um Leben und Tod ginge. Moritz und Mats waren auch bei mir.
"Mach diese beschissene Tür auf, man!", schrie er. Ich öffnete sie so schnell es nur ging und liess ihn rein. Als Auba reingekommen war, schloss er die Türe selbst ab, damit niemand reinkommen konnte. Aber ausser mir und Moritz hatte sowieso keiner Zugang zu diesem Zimmer.
"Was ist bloss los mit dir, geht's noch?", redete Mats auf Auba ein. Er war ausser Atem.
"Komm, setz dich erst einmal und nimm ein Schluck Wasser.", sagte Moritz und hielt ihm eine Flasche Wasser hin, die er von unserem Schreibtisch geholt hatte. Auba leerte die ganze Flasche und fing langsam an sich zu beruhigen. Dann sprach er zu uns: "Du hattest Recht, Marco."
Ich schaute ihn irritiert an.
"Ähm, womit denn?"
Er schmiss die Flasche auf mein Bett und stand auf.
"Mit Mario, man!", er rieb sich gegen die Schläfen, "Er ist schwul!"
Wir schauten uns perplex an, so, als ob wir immer noch nicht die Tragweite von Auba's Gesagtem verstehen könnten. Doch dann nach einer Weile, meldete sich Mats zu Wort: "Du bist dir also 100%ig sicher, dass er...vom anderen Ufer ist.", wollte er feststellen, "Woher nimmst du dir diese Sicherheit?"
Auba schaute zu Mats.
"Ok. Ich fang von vorne an. Ich bin gleich nach uns'rem Gespräch nach Hause gegangen. Ich hab's gleich auf Mario's Handy angesehen, weil Herr Bubendorf doch diese SMS gelesen hatte und nachher für nichts mehr zu gebrauchen war...", fing Auba an zu erzählen.
"Du bist also nach Hause gegangen.", stellten wir klar.
"Ich bin also nach Hause gegangen, ja. Mario duschte, also hatte ich Zeit das Handy zu suchen und die Nachricht zu lesen. Kurz und knapp: ich hab sein Handy in der Schublade gefunden, die Nachricht gelesen, er hat mich erwischt, ich bin rausgerannt, er ist ausgetickt und da bin ich zu euch gerannt..."
"...und jetzt bist du hier.", beendete Moritz seinen Satz.
"Und jetzt bin ich hier, richtig."
Na, grosse Klasse! Wie konnte man sich bei so einer Aktion denn bloss erwischen lassen? Na ja, es würde jetzt eh nichts mehr bringen darüber zu diskutieren.
"Also, spucks aus. Was stand in der SMS?", fragte ich.
"Seht selbst! Ich hab sein Handy mitgenommen.", sagte er und zückte es mit einem angewiderten Gesichtsausdruck hervor. Er gab mir das Handy und ich las mir die Nachricht durch:
_______________________
⬅️Chats      Jonas❤️          📞
Zuletzt online 16:34 Uhr
_______________________
              Na, wie gehts?😌❤️

Hey, Süßer😚❤️
Hoffe du hattest 'nen
schönen Tag. Freue
mich dich bald wieder
zu sehen.
PS: Genauso wie auf
den Sex👄😏, ich bin
so geil auf dich das
glaubst du nicht!
_______________________

Unglaublich. Einfach unglaublich. Er war tatsächlich schwul! Mario! Die anderen lasen sich die Nachricht auch durch und wussten nicht so recht, was sie sagen sollten. Ich eben so.
"Irgendwie kann ich es nicht glauben.", sagte Mats und ich stimmte ihm zu.
"Wir kennen ihn erst seit Montag und diese kurze Zeitspanne soll also ausreichen, um voll und ganz kennengelernt zu haben?", fragte Moritz. Es stand schwarz auf weiss. Die Nachricht könnte nicht eindeutiger sein. Mario war schwul. Dennoch konnte das, aus irgendeinem Grund, keiner von uns glauben.
"Seid ihr bescheuert?! Ich hab doch nicht mein Leben riskiert, damit ihr dann sagen könnt, dass es eine Lüge ist!", wehrte sich Auba.
"Wir sagen nicht, dass du lügst, Auba. Es ist nur nicht glaubwürdig.", versuchte Mats es ihm zu erklären.
"Fickt euch doch alle! Ich gehe jedenfalls nicht wieder zurück!", sagte Auba und machte es sich auf meinem Bett bequem.
"Ach, komm schon. Du willst mir doch nicht erzählen, dass du dir vor einem Jüngeren in die Hosen scheisst?", sagte ich spöttisch.
"Ich verstehe da kein Spass, Marco. Er hätte mich umgebracht, wär ich nur eine Sekunde länger geblieben!"
"Ok, jetzt übertreibst du masslos!", sagte ich und verschrenkte meine Arme vor der Brust.
"Wenn du es anders siehst, bitte! Dann penn du doch heute Nacht in mein Zimmer! Mal sehen, ob du dich dann immer noch so gibst. Ich, jedenfalls, habe mich selbst angeschissen, als er mich erwischt hatte und nicht mal der Teufel kriegt mich wieder in dieses Zimmer!"
"Ok. Schön, ich machs! Dann penn ich eben bei ihm.", sagte ich und Auba gab endlich Ruhe.

Die Uhr zeigte genau 20:00 Uhr und ich war immer noch in meinem Zimmer und packte das ein, was ich zu brauchen glaubte. Mats und Moritz waren schon vor zwei Stunden abgedüst und Auba war irgendwo draussen. Zwar wollte er um jeden Preis Mario aus dem Weg gehen, jedoch glaubte er zu wissen, dass er nach dieser Aktion sowieso nicht mehr rausgehen würde. Und ich denke, dass er Recht gehalten würde. Ich war allein in meinem Zimmer. Ehrlich gesagt hatte ich meinen Abgang so lange wie nur irgendmöglich herauszögern wollen, aber ich müsste so oder so dort pennen. Von daher machte es eh keinen Unterschied...
Keine Ahnung, wie er drauf sein würde...Ich hoffe zumindest, dass er seine Wut nicht an mir auslassen würde. Ich wüsste nicht, was schlimmer wär: von einem reichen angeschrien zu werden, oder ignoriert zu werden.
Ich war gerade fertig mit packen, als mir Mario's Handy auf dem Boden fiel. Das Ding hatte ich total vergessen. Ich setzte mich auf die Bettkante und starrte es an. Es war ein iPhone 5. Kein 5s oder noch neuer. Noch so eine Sache, die mich denken liess, er sei kein reiches Arschloch...
Warum sollte ich die Situation nicht aussnutzen und ihn ausfragen? Ich meine, dass er schwul sein sollte, war schon mal raus. Ich könnte ihn Sachen über seinen Vater fragen, wie er hierher gekommem war und warum. Was ich damit bezwecken wollte? Keine Ahnung!
Es interessierte mich einfach.
Denn es gab so viele Fragen, die ich ihm stellen könnte. Jedoch, musste ich aufpassen. Denn er war wegen der Sache wahrscheinlich ein wenig verletzlich. Tja, das würden wir noch sehen. 
Ich steckte Mario's Handy in meine Tasche, schnappte meine Jacke und schloss die Tür hinter mir zu.

Götzeus - Es passierte in jener Nacht (Pausiert)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt