Kapitel 20

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Mario's Sicht
Dienstag

"Marco Reus rennt allein auf's Tor zu! Die Frankfurter schaffen es nicht mehr ihn einzuholen! Marco schiesst und...", sagte der Kommentator. Die Anspannung war kaum auszuhalten. Alle in der Kneipe hielten den Atem an, weil heute Borussia Dortmund II gegen Frankfurt 45 spielte. So wie ich gehört hatte, war Frankfurt der Borussia deutlich unterlegen, doch man durfte seinen Gegner niemals unterschätzen...
"...Toooooooor!!! Er ist drin! Er ist tatsächlich drin!!!"
Die Menge tobte und jubelte. Ein paar betrunkene Fans sangen We are the champions und ich fühlte mich dabei sowas von fehl am Platz. Ich wusste nicht an was es lag, aber...ich ertrug Marco, aus einem mir nicht bekannten Grund, immer noch nicht. Ich konnte mich in seiner Gegenwart einfach nicht fallen lassen und so fiel es mir auch zum zweiten Mal schwer ihn bei einem Dortmund-Spiel anzuschauen.
"Und hier die nächste Chance für gelbschwarz!"
Ich musste meine Gefühle und Gedanken irgendwie im Zaun halten, ansonsten würde das sicher böse enden. Ich meinte, wir arbeiteten doch zusammen an dieses Projekt und ich wollte auf keinen Fall ärger mit ihm.
"Ouhhh!!! Lattenschuss von rotweiss!"
Augen zu und durch, würde ich mal sagen...
Ich hielt es in dieser Kneipe nicht eine Sekunde länger aus und winkte die rothaarige, tätowierte Kellnerin zu mir und bezahlte meine Cola. Irgendwie konnte ich mich nicht damit abfinden, dass ich ab jetzt hier wohnte. Aber mit jedem neuen Tag, fühlte ich mich ein wenig besser und es wurde erträglicher. Ich ging raus und lief planlos durch die Gegend. Da Marco nicht da war, konnten wir nicht die nächsten Vorgehensschritte planen. Ich hätte BWL lernen können, doch dafür war ich ehrlich gesagt nicht in Stimmung. Heute war so ein sonniger Tag, da musste ich einfach raus und das Wetter geniessen. Ich holte meine Zigarettenpackung hervor und steckte mir eine der Kippen hinters Ohr. Ich wollte Jonas anrufen und fragen, wie es ihm ging. Ich hatte schon lange nichts mehr von ihm gehört und - wie immer - vermisste ich ihn...
Ich lief zu einem nahegelegenen Park und suchte eine freie Bank. Ich fragte mich wie lange Jonas bei mir bleiben würde. Denn auch er ging zur Uni und hatte einen straffen Zeitplan. Obwohl ich meinen Plan einfach nicht ernst nehmen konnte...Ich besuchte in letzter Zeit eher selten die Vorlesungen. Die Letzte, die ich besuchte, fand am Donnerstag statt. Aber das war ja eigentlich auch normal, bei einer Projektwoche. Da hattest du bloss noch dieses eine verdammte Projekt im Kopf und nichts anderes mehr. 'Ne Bank war schnell gefunden. Sie befand sich inmitten der Stadt und der Park sah optisch ziemlich schön aus. Ich sah mich ein wenig um...ich fühlte mich beobachtet, als ob mir jemand dicht auf den Fersen war oder mich sogar beschattete. Ich setzte mich auf die freie Bank. Seit ich hier war, war ich allein. Meine Eltern schickten mich auf eine Uni, in der man wohnen musste, sie nahmen mich mit in eine Stadt, in der ich mein Leben definitiv nicht verbringen wollte, von Fabian und Felix hatte ich schon seit langem nichts mehr gehört, ich wollte verrecken, weil es keine Worte mehr gab für diese unbeschreibliche Sehnsucht, die ich nach Jonas hatte und, dass es noch schlimmer kommen konnte, fühlte ich mich auch noch, wie ein schizophräner Kerl, verfolgt!
"Hey, Mario."
Ich drehte mich um und sah in hellgrüne Augen, die mich fesselten. Ich verwarf sofort meine vorigen Gedanken.
"Timo?", sagte ich und sprang ihm sogleich um den Hals. Timo schloss mich auch in seine Arme und lachte über meine Reaktion. Ich hätte mit allem gerechnet, aber nicht mit ihm. Ich hatte mich wirklich sehr gefreut ihn wiederzusehen!
"Schon lange nicht mehr gesehen.", sagte Timo und fuhr sich durch seine blonden Haare. Ich biss mir auf die Unterlippe und musste an unser erstes Aufeinandertreffen denken. Es war so spontan, dass es fast kein Zufall mehr sein konnte.
"Was machst du denn hier? Musst du denn nicht ein paar Bücher auseinander nehmen und für wichtige Tests lernen?", fragte er mich und ich lächelte.
"Und was ist mit dir? Du musst ja auch lernen.", konterte ich, dann fuhr ich fort zu sprechen: "Na ja...Ich warte auf Marco. Der hat heute ein wichtiges Fussballspiel, das er meistern muss, hat er gesagt. Bis dahin vertreib ich mir die Zeit an der frischen Luft."
"Dann nutzt du die Zeit ziemlich gut. Doch eins würde ich lassen.", sagte er, was mich verwirrte. Dann nahm er mir mit einem Lächeln die Zigarette vom Ohr und führte sie langsam an seine Lippen.
"Es schadet dir und deinem guten Gemüt."
Mir blieb die Spucke weg...
"...Was du nicht sagst...", gab ich von mir und wartete ab. Er holte aus meiner Jackentasche mein Feuerzeug hervor und zündete sie anschliessend an.
"Ich hab nicht gewusst, dass du rauchst."
"Du weisst vieles nicht.", sagte Timo und ich bekam in seiner Gegenwart eine riesen Gänsehaut. Er brachte mich mit seinen Sprüchen total aus dem Konzept. Genauso wie Marco, auf eine spezielle und komische Weise.
"Du interessierst mich sehr, Mario."
"...Ach, wirklich...?", stotterte ich. Timo stiess den Qualm aus, der beim Rauchen entstand und drückte sogleich seine Zigarette auf dem Boden aus. Er kam mir zwei Schritte näher.
"Ich würd mich wirklich sehr freuen, wenn du mich mal besuchen könntest."
Ich lächelte verlegen und bejahte.
"Wie wär's mit Morgen?"
"Weiss nicht ob ich Zeit haben werde. Marco und ich müssen an unserem Projekt weiterar-"
"Ich denke, dass es Marco, auch wenn er's schweren Herzens tun muss, verkraften würde, dich für ein paar Stunden gehen zu lassen.", sagte Timo ruhig.
Ich überlegte, willigte aber dann doch ein. Er hatte recht. Marco würde es eh nicht stören, wenn ich mich für zwei Stunden aus dem Staub machen würde...
"Klasse! Dann sehen wir uns Morgen, Mario.", sagte Timo und ich spürte, wie mir das Blut in den Unterleib strömte, so sehr hatte mich unser Gespräch mitgenommen...

Marco's Sicht

Man, war das ein Klasse Spiel! 3:1 lautete das Endresultat. Es gab keine Verlängerung, aber das hatten wir schon von Anfang an geahnt. Die Universität von Frankfurt war Tabellenletzter und somit war es Pflicht uns den Sieg zu holen.
"War heute ziemlich geil!", schrie Auba aus der Dusche. Moritz und Kevin stimmten ihm zu. Ich hatte schon lange nichts mehr mit den Jungs gemacht. Da sah man mal wieder, wie sehr mich Mario in seinen Bann zog.

Nachdem ich geduscht und fertig angezogen die Umkleidekabine verlassen hatte, machte ich mich auf dem Weg zu meinem Zimmer. Ich wollte mich für ein paar Stunden noch hinlegen, bevor Mario herkommen und wir weiter an unserem Projekt arbeiten würden. Ich musste meinen Plan so langsam aber sicher ins nächste Level katapultieren, sonst würde ich ihn nicht einmal in 100 Jahren ins Bett bekommen können! Was ich brauchte war definitiv eine Strategie. Bis jetzt hatte ich es doch bloss mit Annäherungstricks versucht. Hatte aber nicht so gut geklappt, wie ich mir das vorgestellt hatte.
Noch bevor ich weitere Schritte planen konnte, stiess ich mit einem gleichgrossen Jungen zusammen.
"Alter! Pass doch auf, wo du hinläufst!", beschwerte ich mich. Der andere drehte sich sofort um und entschuldigte sich.
"Sorry, bin ein wenig müde von der Fahrt..."
"Von wo kommst du denn her, dass du so müde bist?", fragte ich stirnrunzelnt.
"Bayern."
Woher denn auch sonst...
"Bist du neu hier?", fragte ich neugierig. Der Angesprochene schüttelte den Kopf. Er hatte braunes Haar, war genauso gross wie ich und hatte den gleichen Style wie ich; modern und lässig. Gefiel mir...
"Ich bin hier bloss zu Besuch."
"Na ja, kann ich dir irgendwie helfen?"
Der Unbekannte bejahte und holte eine Karte aus seinem Rucksack hervor. Darauf war unser gesamter Campus abgebildet.
"Kannst du mir sagen, wo sich Zimmer 19 befindet?"

Götzeus - Es passierte in jener Nacht (Pausiert)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt