Kapitel 30

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Marco's Sicht

"Schick ihn zu mir! Hallo! Hierher!", rief mir Auba zu.
"Renn schneller, man!", schrie ich.
Wir spielten gerade Fussball. Dabei teilten wir uns in zwei Teams auf. Mats, Auba und ich gegen Moritz, Marcel und Kevin. Es tat einfach gut wieder auf dem Platz zu stehen und sich abwechslungsweise mal nützlich zu fühlen.
"Rennen wir hier 'nen Marathon, oder spielen wir Fussball?!", rief Auba uns zu. Mats passte Auba den Ball zu, der uns zu unserem 3. Treffer verhalf. Momentan stand es 3:1 für uns. Ich wollte ja nicht angeben, aber sie hatten schon von Anfang an keine Chance gegen uns.
"So 'ne Scheisse!", schrie Kevin genervt auf und rannte Auba hinterher, um ihn - so wie man Kevin halt kannte - eine zu scheuern.
"Kevin, hör auf mit dem Scheiss!", schrie Auba ihn an und rannte sogleich weg. Wir hingegen, fanden es einfach nur witzig. Zum ersten Mal seit Monaten lachte ich wieder aufrichtig. Und ich wollte dieses Gefühl, das ich in diesem Augenblick verspürte, niemals missen müssen. Nämlich Glücklichseligkeit.
"Wollt ihr 'ne Revange?", fragte Mats schadenfroh.
"Halt die Fresse, Mats. Wir werden nach der Pause schon sehen, wer hier die wahren Champions sind.", sagte Marcel siegessicher und breitete seine Arme aus, um zu verdeutlichen, dass sein Team gewinnen würde. Wenn Marcel etwas wollte, dann würde er auch alles daran setzen, es zu bekommen. Umso interessanter gestaltete sich dann das Spiel.
Wir gingen zum Picknicktisch, wo wir unsere Sportsachen abgelegt hatten, und holten unsere Wasserflaschen heraus.
"Tut gut dich wieder im Team zu haben, Marco.", sagte Moritz und klopfte mir auf die Schulter.
"Ja, du bist wie vom Erdboden verschluckt gewesen.", sagte Kevin.
"Als ob du weggezogen seist.", fügte Mats hinzu.
"Ach, scheiss egal! Er ist wieder da und nur das zählt.", sagte Auba.
"Was hast du in der Zwischenzeit denn gemacht? Ausgegangen bist du jedenfalls nicht, sonst hätten wir dich gesehen.", sagte Marcel und trank aus seiner Flasche.
"Na ja...ehrlich gesagt nicht viel."
"Dein Ernst? Du bist doch nicht die ganze Zeit über Zuhause gewesen, oder?", hakte Marcel ungläubig nach.
"Na ja..."
"Mario ist ständig bei uns gewesen.", sagte Moritz nach einer Weile.
"Was? Du hängst lieber mit dieser Schwulette ab als mit uns?", meldete sich Auba beleidigt zu Wort.
"Auba, gerade du sollst etwas mehr Respekt zeigen. Du wohnst doch mit ihm unter einem Dach.", sagte ich und Auba fing zu lachen an.
"Alter, weiss du es nicht? Seit ich weiss, dass er schwul ist, wohne ich bei David. Wir sind keine Zimmergenossen mehr."
"Wa...? Wieso sagt mir das keiner?", fragte ich fassungslos.
"Keine Ahnung, man. Wir haben gedacht, du seist tot. Kann passieren. Meldest dich ja nie...", sagte Kevin und gönnte sich einen Schluck Wasser.
"Hat er dir nichts gesagt?", fragte Mats.
"Warum sollte er? Ich bin nicht seine Mutter."
"Sei froh, dass er dich nicht bespringen konnte...", nuschelte Auba und stand auf, um den Ball zu holen.
"Kannst du das jetzt lassen?"
"Was denn, Marcel?"
"Hör auf so schwulenfeindlich zu sein, man. Mario ist ein netter Kerl. Wir haben ihn alle kennengelernt und uns mit ihm angefreundet, einschliessich dir. Schon vergessen?"
Auba gab ein verachtungsvolles Geräusch von sich.
"Du weisst, wie ich zu solchen pädophilen Schwanzlutschern stehe, Marcel! Gerade du müsstest das doch wissen.", sagte Auba.
"Lass uns das nicht hier ausdisskutieren, Auba. Lass es einfach gut sein."
"Okey...und um was geht's denn genau bei eurem Streit?", fragte Mats verwundert. Auba hingegen machte eine Handbewegung, die Mats signalisieren sollte, er solle es doch gut sein lassen. Da fragten die Restlichen auch nicht weiter nach.
"Kommt schon, Leute. Wie wär's mit einem Drink, der das Kriegsbeil besiegelt, hm? Ich geb' einen aus.", bot ich an. Die anderen sahen sich kurz an und stimmten dem Vorschlag dann zu.
"Na gut, dann verschieben wir die zweite Halbzeit halt auf irgendwann.", sagte Moritz und erntete von uns Gewinnern nicht vorenthaltbares, schadenfrohes Grinsen.

Mario's Sicht

Ich blieb nicht lange bei meinen Eltern. Nach dem mir mein Vater beschämt den Rücken gekehrt hatte, war mein Bedürfnis, weiter hier zu bleiben, auf's drastischste gesunken. Ich verabschiedete mich nur noch von meiner Mutter und verschwand nach draussen. Was meinem Vater wohl durch den Kopf ginge? Er schämte sich für mich und mir fiel nichts ein, wie ich es wieder gerade biegen könnte. Wie sollte man so etwas auch gerade biegen...?
Noch nie in meinem Leben fühlte ich mich so schlecht, wie in diesem Augenblick. Ich sass im Auto und dachte über meine Zukunft nach. Ich war gerade 18 Jahre alt. Ich hatte doch noch mein ganzes Leben vor mir. Wieso fühlte ich mich dann so, als ob es schon an mir vorbeigezogen wäre?
Es brachte nichts darüber nachzudenken. Ich startete den Motor und fuhr auf die Einbahnstrasse Richtung Dortmunder Innenstadt. Ich dachte nicht daran zur Universität zurückzukehren. Lieber ertränkte ich meinen Kummer in Alkohol, als all diese hässlichen Köpfe von der Uni wiederzusehen. Da könnte ich mir doch gleich die Kugel geben!

Ich parkte, nicht weit von der Bar entfernt, das Auto und stieg aus. Nach dem ich eingetreten war, bestellte ich mir einen Jack Daniels und leerte ein Glas nach dem anderen. Klar wusste ich, dass man seine Probleme nicht wegsaufen konnte, aber...es half auf einer komischen Art und Weise, das Geschehene ein wenig zu verdauen. Nach fünf Gläsern Jack Daniels wusste ich nicht mehr, wo oben und unten war. Leider vertrug ich nicht so viel, sodass ich schon nach dem dritten Glas betrunken zusammenbrach. Wer konnte es mir schon verübeln? Mein Leben war seit meiner Kindheit der Mutter aller Sportarten gewidmet, sodass ich in meiner vorigen Jugend, niemals richtigen Kontakt mit Alkohol gehabt hatte.
"Hey, Junge. Ich glaube du hast genug getrunken.", sagte der Barkeeper.
"Mhm.", gab ich von mir.
"Soll ich dir vielleicht ein Taxi rufen?"
Ich stand schwankend auf und klopfte ihm auf die Schulter.
"Vieln Dank, aba ichh habn Autoooo.", lallte ich.
"Du bist aber nicht fahrtüchtig. Du fährst heute nirgendswo mehr hin. Ich ruf dir 'nen Taxi.", sagte der Barkeeper klar und deutlich und wählte auf seinem Handy die betreffende Nummer der Taxizentrale.
"Ih brauh wirklich kein Taxi. Ör auf.", weigerte ich mich und ging aus der Bar raus. Ich entriegelte die Tür meines Autos und wurde auf dem Parkplatz erneut vom Barkeeper gestoppt.
"Ich sagte nein! Du bleibst hier, bis das Taxi kommt."
"Lassn sie mich looosss! Hilfeeee, ich brauch Hilfeeee!", schrie ich lallend umher. Da liess er mich kurzer Hand los und ich knallte mit voller Wucht auf den harten Betonboden.
"Au...", sagte ich.
"Ist schon gut, ich kümmere mich um ihn."
Dem Barkeeper, dem das ganze Theater zu bunt wurde, sagte schliesslich: "Ach, macht doch alle, was ihr wollt! Ich gehe wieder rein.", und verschwand im Innern der Bar.
"Mario?"
"Timo?"
"Steh auf, ich bring dich nach Hause."

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⏰ Letzte Aktualisierung: Mar 09, 2017 ⏰

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