Kapitel 24

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Mario's Sicht
Donnerstag

"Mario, bist du immer noch sauer wegen Dienstag?", fragte Jonas, nach dem ich ihn beiseite geschoben hatte. Ich dachte, dass ich derjenige wäre, der sich nicht unter Kontrolle hätte, aber da irrte ich mich gewaltig. Ich drehte mich um und blickte in tiefes Braun.
"Sauer?! Du hast mir mit dieser Aktion Angst eingejagt, Jonas! Ich kenne dich so gar nicht!", wurde ich lauter.
"Ich liebe dich, Mario. Wirklich, du musst mir glauben, dass ich dich nicht verletzen wollte!", sagte er verzweifelt. Ich hörte ihm nicht zu. Ich hatte keine Lust auf ihn. Auf ihn und seine bescheuerten Ausreden! Ich packte meine Bücher in meine Tasche und ging aus dem Zimmer. Jonas folgte mir nicht. Geschah mir recht! Ich musste nochmals alles überdenken und einen klaren Kopf kriegen. Denn, es passierte alles so schnell...
Ich wusste doch, dass er mich vermisste, aber...mich auszuziehen und zu verführen, während Marco Wasser holen gegangen war, fand ich unter aller Sau. Es fühlte sich einfach falsch an und es war auch nicht fair gegenüber Marco. Als Jonas noch in Memmingen war, wusste ich nicht mehr, wie ich ohne ihn weiterleben sollte. Ich hielt alle Typen von mir fern, weil ich mich so sehr nach ihm sehnte. Aber jetzt...
Jetzt wünschte ich mir, dass Marco sich neben mich setzte und mir zuhörte, wie ich über meine Probleme sprach, sowie eines Nachts als er mir diese Halloweengeschichte erzählt hatte, mit dem Jungen, der vergewaltigt wurde. Er hatte mir zwar mit der Story Angst eingejagt und dafür wurde er auch mit einem Faustschlag bestraft, dennoch hatte ich bei ihm das Gefühl, ich kenne ihn schon seit einer Ewigkeit. Er war ein guter Zuhörer und ein noch besserer Menschenkenner. Und...er hatte gesagt, dass er mich mochte. "Ich mag dich" waren seine Worte. Zu der Zeit dachte ich, dass mich alle aufgrund meiner Sexualität hassten. Unglaublich, dass es mich überhaupt geschehrt hatte, was die anderen über mich dachten! Doch Marco war da für mich. Irgendwie war er immer an meiner Seite. Schon von Anfang an, auch wenn ich seine Nähe später nicht mehr ertrug, so war er stets bei mir...
"Mario!", rief Jonas mir hinterher und mein Tempo beschleunigte sich. Ich hatte keinen Bock mit ihm zu reden, warum wollte diese eine simple Info nicht in seinen blöden Schädel rein!
"Lass mich in Ruhe!", schrie ich ihn an und rannte weiter. Es geschah so plötzlich; als ich mich wieder umgedreht hatte, stolperte ich über die Bordsteinkante und knallte mit voller Wucht auf den kalten, harten Betonboden. Ich schlug mir den Kopf an und war innerhalb von Sekunden bewusstlos. Das einzige, das ich noch wahrgenommen hatte, war dass Jonas meinen Namen rief. Dann wurde alles schwarz um mich herum.

Marco's Sicht

Was bildete sich diese Hackfresse wieder nur ein!
'Bis zur Mitternachtsparty wird er mindestens einmal mit mir das Bett geteilt haben.', äffte ich ihn nach. Wir hatten unsere Differenzen...
Er war schon von klein auf ein hinterlistiges Arschloch, also wunderte es mich überhaupt nicht, warum er so geworden war. Eines musste ich mir aber leider selbst eingestehen; Mario passte genau in sein Beuteschema. Jung, braunhaarig, gutaussehend, kleiner als er selbst und das gewisse Etwas besitzend. Meine Vorzüge waren braunhaarige, gutaussehende, kleiner als ich selbst und das gewisse Etwas besitzende Frauen. Kein Wunder, dass wir ihn beide wollten. Wir hatten ja auch den gleichen Geschmack. Auch wenn die sexuelle Orientierung damals nicht die Gleiche war wie die von heute, so glichen wir uns jetzt mehr denn je. Ich musste Mario von ihm fernhalten. Er war kein guter Mensch und ein noch wenig guter Umgang für ihn. Nur das musste Mario noch erkennen. Und es ihm zu vermitteln, würde nicht gerade ein Spaziergang werden, da sie sich kannten...
Nach dem ich weitere 20 Minuten auf der bescheuerten Bank gesessen und immer noch keine Besserung in Sicht war, gab ich es einfach auf und stand auf. Ich wollte wieder nach Hause gehen und mich hinlegen. Dem Kotzen auszuweichen, konnte ich ja eh nicht. Dafür hatte ich leider viel zu viel Alkohol intus. Ich ging aus dem Park in Richtung Ostflügel. Ich war immer noch angeschlagen von dieser legendären Nacht, sodass mich ein kleiner Junge, wenn er die Chance gehabt hätte, mit seinem Dreirad überholen konnte. Doch ich kam auch mit langsamen Schritten voran, wenn auch im Schneckentempo. Ich sah von Weitem immer noch ein wenig verschwommen, sodass ich mit jedem weiteren Schritt darauf gefasst sein musste das Gleichgewicht zu verlieren und alles aus mir herauszuwürgen.
Ich bog nach links ab und lief bis zur blauweiss nummerierten und gut Sichtbaren Hausnummer 46. Doch ich ging nicht ins Haus. Etwas lenkte mich von meinem Vorhaben ab. Ich hörte doch etwas jammern...
Jetzt hörte ich schon Gejammer vor Kopfschmerzen! Die Zeit, in der ich bei solchen wilden Partys noch mitgefeiert hatte, waren endgültig vorbei. Nie wieder, wenn es mir am Nachmittag immer noch schlecht ging und ich war schon seit guten sechs Stunden wach. Also, echt jetzt! Ich versprach mir hoch und heilig nie wieder zu feiern...für die nächsten zwei Wochen...
Aber jetzt mal im Ernst. Ich hörte wirklich ein Gejammer. Ich entfernte mich von meiner Haustür und folgte dem Gejauchze. Je näher ich der Stimme kam, desto deutlicher wurden die Laute. Da rief jemand den Namen des anderen. Ein Junge lag auf dem Boden...
...Unmöglich...War das...? War das Mario, der da auf dem Boden lag?!
Ich war auf einem Schlag hellwach und konzentriert. Der Kater war wie weggeblasen und so rannte ich zu ihm, was bei Jonas alle Alarmglocken läuten liess. Denn er meinte ersthaft, Mario müsste vor mir beschützt werden!
"Was machst du denn hier?! Verpiss dich sofort!", sagte Jonas mit unterdrückter, wütender Stimme. Ja, du mich auch, Wichser!
"Was ist passiert?!"
"Was geht dich das an?", fuhr er mich an und ich schaute meinen bewusstlosen, blassen Projektpartner an. Er blutete an der Schläfe, was mich wütend machte.
"'Ne Menge, Arschloch. Er ist mein Projektpartner und Morgen ist unser Projekt fällig!"
Er war mehr als das...Neuerdings auch mehr als eine Wichsvorlage...
"Warum bringst du ihn nicht in ein Krankenhaus, anstatt hier selber den Arzt zu spielen!"
"Ich hab 'nen Schock du Hurensohn! Denkst du echt, dass ich ihn hier auf dem Campus verrecken lassen will?!", schrie er mich an, während ich den Notarzt kontaktierte.
"So wie es aussieht legst du es wirklich drauf an, was?!", gab ich gereizt von mir.
"Ach, fick dich doch!"
Jonas streichelte Mario's Wange. Ich legte meine Hand unter seinem Kinn, um seinen Puls zu fühlen. Schwach. Und ausserdem war er unterkühlt. 'Beste Vorraussetzungen für einen Sterbenden!', dachte ich zynisch.
Ich zog meine Jacke aus und legte sie ihm über seinen kalten Körper. Jonas reagierte aggressiv auf meine Gutmütigkeit und schmiss mir die Jacke sofort ins Gesicht. Jonas klammerte sich noch enger an Mario und Mario...der sah noch nie lebloser aus als in diesem Moment. Und das machte mir Angst. Da hatten all die Pläne und Vorhaben, die man mit ihm vorhatte auf einmal keinen Sinn mehr. Überflüssig waren sie.

Der Krankenwagen kam nach weiteren qualvollen Minuten endlich an und brachte den geschwächten Braunhaarigen ins Krankenhaus.

Götzeus - Es passierte in jener Nacht (Pausiert)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt