Kapitel 15

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Mario's Sicht

Am Ende der Stunde verkündete Herr Bubendorf diese eine Sache, die uns wahrscheinlich nicht gefallen würde. Die diesjährige Projektarbeit, die alle Klassen durchführen müssten in Biologie und Menschenkunde, wurde auf nächster Woche verschoben. Eigentlich hätten wir sie erst in zwei Wochen gehabt, doch Herr Bubendorf sagte, dass es für alle Professoren zeitlich und organisatorisch besser wäre, die Projektwoche auf nächster Woche zu verschieben. Als er die Themen, die für die Arbeit zur Verfügung gestanden waren, mit uns mündlich besprach, verkündete er nachher die von ihm ausgewählten Zweiergruppen. Und was ich da hatte hören müssen und es später dann noch schriftlich bestätigt bekommen hatte, gefiel mir überhaupt nicht...
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Liste: Projektpartner
Menschenkunde
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01. Timo & Max
02. Auba & Mats
03. Sara & Patrick
04. Rosario & Marion
05. Moritz & Leonardo
06. Svenja & Ole
07. Josephine & Anna
08. Kevin & Marcel
09. Erika & Manuela
10. Eva & Adna
11. Marco & Mario
12. Dominik & Laura
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Wir hatten das Thema Menschenkunde: die menschliche Fortpflanzung und die darauf ausgerichteten Hormone. Toll. Ein besseres Thema hätten sie sich für uns nicht ausdenken können! Immer, wenn ich was vorhatte, kam etwas dazwischen, was all mein Vorhaben zu Nichte gemacht hatte. Genauso wie das hier! Ich hatte vor Marco zu ignorieren und aus dem Weg zu gehen, doch ich würde daran scheitern, weil wir zusammen dieses dämliche Projekt machen mussten. Ich hatte keine andere Wahl, als mich zusammenzureissen und es zu akzeptieren. Vielleicht würde es ja gar nicht so schlimm werden, wie ich mir das gerade vorstellte.

Nach dem er alle Zweiergruppen verkündet hatte, ging die Klasse in ihre wohlverdiente Pause. Ich musste hierbleiben. Was er wohl mit mir besprechen wollte? Ich konnte ihm doch seit er diese Sexnachrichten auf meinem Handy gesehen hatte, nicht mehr in die Augen sehen, geschweige denn, mit ihm reden!
Herr Bubendorf kam wieder ins Zimmer zurück und deutete auf dem gegenüberliegenden Stuhl seines Schreibtisches. Ich setzte mich nach kurzem zögern hin und senkte die Schultern. Warum war ich bloss hier, verdammte Scheisse...?
"So, Mario. Ich denke, dass du keine Ahnung hast, warum du hier bist, korrekt?", sagte er. Ich schwieg. Er sollte einfach weiterreden und mir gefälligst sagen, warum ich hier war. Um den heissen Brei reden konnte jeder. Mir wäre es lieber gewesen, wenn er gleich zur Sache kommen würde, denn auch ich war ein Mensch, der Pausen nötig hatte. Ausserdem war mir die ganze Situation äusserst unangenehm.
"...Ich wollte mit dir über letztens sprechen...wegen den Nachrichten auf deinem Handy..."
...Oh Gott...
"Ich habe mich erst kürzlich, während einer Sitzung mit den anderen Lehrkräften unterhalten..."
...Oh Gott...
"...Und wir haben uns dann darüber auch ausgetauscht und beraten-"
...bitte nicht...!
"Warum?", unterbrach ich ihn. Was sollte diese Scheisse?! Was ich mit meinem Freund schrieb, ging keinem etwas an und erst recht nicht meine Professoren!
"Ich musste das melden, weil ich den Verdacht hatte, dass du eine unserer Regeln verletzt. Du weisst doch hoffentlich, das Sex mit anderen Mitschülern, sowie Lehrkräften hier verboten ist, oder?"
Jetzt hatte er es doch tatsächlich geschafft mich wütend zu machen. Was dachte er eigentlich wer er war?!
"Was wollen Sie damit andeuten?", fragte ich gereizt.
"Die Nachrichten sind eindeutig gewesen, Mario. Und da du hier bist und hier auch schläfst, muss ich dich das fragen."
"Was. wollen. Sie. mir. damit. sagen?", fragte ich wütend.
"Hast du eine Affäre mit Herr Keller, ja oder nein?!", wurde er lauter und ich verstand die Welt nicht mehr. Ich schwieg. Ich dachte, er würde mich fragen, ob ich mit einem anderen Studenten schlafe...
Das hatte ich definitiv nicht kommen sehen.
"N-nein! W-wie kommen Sie denn bloss auf die Idee?!"
"Du hast ihn als Jonas mit sehr vielen Herzen gespeichert. Wir haben schon mal einen solchen Vorfall gehabt und den wollen wir defintiv nicht noch einmal haben.", sagte Herr Bubendorf.
"Herr Bubendorf, ich habe einen Freund, der Jonas heisst und er hat mir auch diese Nachrichten geschrieben."
Ich zückte mein Handy und zeigte ihm bei Whatsapp das Profilbild von Jonas.
"Ich kenne Herr Keller überhaupt nicht. Ich habe bis jetzt ja nicht einmal gewusst, dass es einen Herr Keller an dieser Universität gibt!", sagte ich. Herr Bubendorf fing an mir zu glauben und nickte, als er das Bild meines Liebsten gesehen hatte. Dieser Tag war definitiv ein Reinfall...
Warum passierte sowas immer nur mir?! Ich hätte kotzen können!
"Ok, ich glaube dir. Von mir wirst du ab sofort in Bezug auf diese Angelegenheit, nichts mehr hören."
"Das hoffe ich doch.", sagte ich und stand auf, um mir die Hose zu richten.
"Ach, und noch etwas. Teile Marco noch heute mit, dass ich euch beide einzeln bewerten werde. Er soll nicht das Gefühl bekommen nichts machen zu müssen.", fügte Herr Bubendorf hinzu und verabschiedete sich mit einem festen Händedruck von mir.

Nach dieser Vorstellung von vorhin, hatte ich sicherlich keine Lust mich noch weiter zu quälen, indem ich einen kleinen Abstecher zu Marco machen würde und ihm sagen würde, was ich von unserem strengen Professor erfahren hatte. Das konnte auch bis Morgen warten. Ich ging wieder in den Park und setzte mich genau an der Stelle hin, wie immer. Komisch, wenn ich daran denken musste, dass ich genau hier Marco zum ersten Mal getroffen hatte und Timo seit gestern auch. Ein riesengrosser Zufall. Es hatte doch alles so gut angefangen und heute ging ich ihm aus dem Weg...Es kam mir irgendwie so vor, als ob wir jahrelang beste Freunde waren und uns gestritten und entzweit hatten, obwohl wir uns doch eigentlich erst seit knapp zwei Wochen kannten. Vielleicht war es falsch ihm aus dem Weg zu gehen...Vielleicht hätte ich mit ihm reden sollen, um zu klären, wieso er das getan hatte...Wahrscheinlich wusste er es ja selber nicht...Er stand doch auf Frauen. Ich verstand bloss nicht, wieso. Ich verstand grundsätzlich nicht, wie man für diese gefühlskalten Tussen, sowas wie Zuneigung, oder sogar Liebe hegen konnte. Ich hatte mich schon immer zu meinem Geschlecht hingezogen gefühlt, immer...
Schon als kleines Kind, wollte ich bloss mit den anderen Jungs aus meiner Klasse spielen. Vor Frauen hatte ich mich seit diesem Vorfall mit dem Mädchen, dass mich als Kind gequält hatte, geekelt. Ich weinte früher- kaum zu glauben- auf Geburtstagen, weil irgendwelche anderen Mädchen mit meinen männlichen Partygästen geredet hatten. Dabei wollte ich das doch tun...
Und Jonas kannte ich schon so lange, dass mir gar nicht bewusst war wie lange eigentlich. 11 Jahre hatten wir schon hinter uns gebracht. Ich schwelgte gerne in diese Erinnerungen, aber nicht, wenn ich alleine war. Nicht so einsam und rauchend auf eine Bank hockend. Ich konnte es nicht mehr sagen...ich vermisste ihn so schrecklich. Ich konnte nicht mehr, ich-

Dring, dring, dring, dring!!!!!!

Mein Handy? Wer das bloss war...?
Ich schaute auf's Display und wollte anfangen zu heulen.
"Hallo?", fragte ich leise.
"Hey, ich bin's Marco."
Ich sagte nichts.
"Können wir...vielleicht mal miteinander reden? Es dauert nicht lange und...wenn du willst, können wir das jetzt tun, wenn du keinen Bock hast mich zu sehen."
Stille.
"...Okey. Wann denn genau?"
Er schnaubte überrascht und versuchte die passenden Worte zusammenzureimen.
"Wenn du Zeit hast...wäre es dir recht um acht vor der alten Bibliothek zu sein?"
"Ja...kann ich machen.", sagte ich leise.
"Cool...cool. Dann warte ich dort auf dich."
"Ja, bis dann."
"Bis dann."
Dann legte er auf.

Götzeus - Es passierte in jener Nacht (Pausiert)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt