Kapitel 22 - Das Hirn weggeknutscht

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Ein unangenehmer Ruck, weckt mich auf und ich öffne langsam die Augen. Unmittelbar sehe ich auf Harrys Körperseite, der neben mir am Steuer sitzt und gerade seinen Motor ausschaltet. Mit einem leichten Schmerz in der Wirbelsäule, stütze ich mich auf und kratze mich verschlafen am Kopf. Mein Dutt ist auf jeden Fall total im Arsch. Es würde mich nicht wundern, wenn meine Wimperntusche bröckelig unter meinen Augen verteilt ist.

„Wir sind bei dir Zuhause", sagt Harry, sieht mich jedoch nicht an. Sein Blick ist nach vorne gerichtet und etwas an seinem Ton, macht mich skeptisch.

„Okay?", sage ich argwöhnisch und drehe mich um, wo ich auch schon unseren weißen Gartenzaun erkennen kann. „Wie viel Uhr haben wir? Ich habe total die Zeit-''

„Es ist kurz vor drei", unterbricht Harry mich und drückt einen Knopf, wodurch die Türen aufgeschlossen werden. Er greift nach meinem Handy, das zwischen den Sitzen lag und reicht es mir, sieht mich jedoch immer noch nicht an. „Hier."

Mit einem unguten Gefühl und dem Verdacht, dass sich seine Laune in der letzten Stunde, die ich geschlafen habe, radikal verändert hat, nehme ich ihm das Handy ab und betrachte ihn. „Ist alles okay?"

Genervt durchatmend sieht er weg und startet den Motor wieder. „Violet, ich will nach Hause, also steig einfach aus."

Ich hebe beide Brauen und komme beinahe vom Glauben ab. So ist er also, wenn er müde ist? Soll das normal bei ihm sein? Oder hat er diese nervigen pubertären Stimmungsschwankungen immer noch nicht hinter sich gelassen? Aber ich beschließe, es zu ignorieren und auszusteigen. Höchstwahrscheinlich ist er einfach erschöpft, so wie es nun mal nach einem Alkoholrausch ist.

„Auch wenn du dich gerade wieder verhältst wie ein Arsch", sage ich noch zu ihm und bücke mich ins Auto, als ich auf dem Bürgersteig stehe, „danke ich dir trotzdem, dass du mich nach Hause gefahren hast. Und für die Fahrstunde." Ich lache leicht, an die Erinnerung, wie wir rumgeschrien haben. „Das war witzig oder?"

Harry antwortet nicht, sondern lehnt sich nur – mit einer Hand am Lenkrad – im Sitz zurück und stemmt seinen Kopf an seine Hand.

„Na ja", sage ich deswegen und lasse seine schlechte Laune durch die Müdigkeit nicht an mich heran. „Wir sehen uns am Montag. Und vergiss nicht die Theatergruppe." Ich schmeiße die Tür zu und schon dampft Harry mit zu hoher Geschwindigkeit ab.

Verwirrt sehe ich ihm hinterher. Was ist denn nun los? Saßen wir nicht eben gerade noch locker, wie Freunde, in seinem Auto und haben uns über Gott und die Welt unterhalten? Doch irgendwie interessiert es mich gerade nicht, dass er schlechte Laune hat. Mich interessiert, wie lustig unsere gemeinsamen Stunden waren. Und mich interessiert, dass ich das Gefühl bekomme, es könnte vielleicht wie früher werden. Harry und ich kommen anscheinend noch immer gut miteinander aus und auch, wenn ich das vorher nie zugegeben hätte, mag ich das.

Seufzend laufe ich zur Haustür und schließe sie leise auf, damit ich Rosy oder Mom nicht aufwecke. Normalerweise bleibe ich noch so lange weg, schon gar nicht, ohne Mom direkt Bescheid zu geben, aber sie wird es verstehen. Ich bin alt genug, ich weiß, was ich tue. Bei Rosy jedoch würde ich mir mehr Sorgen machen, sie könnte mich anmeckern.

„Violet?", ertönt die leise Stimme meiner Mutter, was mich aufzucken lässt, als ich gerade den Türgriff der Haustür loslasse. Mom kommt im hellblauen Bademantel und zerzaust braunen Haaren die Treppen runter. „Wieso kommst du erst so spät nach Hause?"

Ich lege meinen Schlüssel auf das Regal neben der Tür und ziehe meine Boots aus. „Ich war noch mit Harry unterwegs", antworte ich wahrheitsgemäß.

„Mit Harry?", fragt sie gähnend und bleibt auf der letzten Treppenstufe stehen. „Hattest du nicht ein Date mit diesem Brandon?"

„Hatte ich auch", sage ich, kann jedoch nicht aufhören, darüber nachzudenken, wieso Harry eben gerade so komisch war. Eigentlich sollte ich mich eher darüber wundern, wieso er vorhin so locker war und nicht, warum er komisch war, denn es ist doch üblich, dass er gereizt ist, wenn er in meiner Nähe ist.

Violet Socks I HSWo Geschichten leben. Entdecke jetzt