„Harry hat angefangen!", stelle ich sofort klar und zeige auf Harry, der die Augen verdreht.
„Tut mir leid, dass ich dachte, wir leben in einer Demokratie und in keiner Violet-Berrymore-Diktatur", sagt Harry. „Ich habe lediglich meine Meinung gesagt, jetzt wo ich hier sowieso die nächsten Wochen rumhängen muss."
Nun stöhnt Benja genervt auf. „Es ist mir so was von egal, wer angefangenhat oder was für Probleme ihr habt, aber stört dadurch nicht unsere Proben. Violet, du weißt, wie wichtig das für uns ist und die Zeit wird knapp. Außerdem-''
„Entschuldigung", unterbricht Lara Benja mit ihrer leisen Stimme und hebt schüchtern die Hand.
Wir alle sehen sie an.
„Ich würde gerne etwas sagen", fiept sie. „Wenn es niemanden stört."
„Du kannst reden, wann du willst, Lara", sage ich zu ihr und gebe ihr ein Zeichen zu reden.
Doch Harry singt leise vor sich hin: „Diktatuuur."
Ich will ihm ins Gesicht treten, allerdings räuspert sich Lara und atmet tief ein und aus, um anfangen können zu reden. Ein Wunder, dass sie auf der Bühne ihren Text über die Lippen bekommt, in echt aber Angst vor allem hat. „Um ehrlich zu sein fand ich das, was Harry gesagt hat ... also ... ich fand das gar nicht so schlecht."
Überrascht hebe ich die Brauen. Und Benja auch. Harry auch.
„Also", führt Lara fort, als sie merkt, dass keiner darauf antwortet. „Ich meine, keine Ahnung ... Vielleicht sollten wir das Stück wirklich mehr realistisch halten. Ich spiele zwar Henriette, aber kann viele Verhaltensweisen von ihr nicht nachvollziehen."
Verhöre ich mich gerade? Sie gibt Harry Recht?
„Ich stimme zu", sagt nun Andre, der neben der Bühne steht. „Das alles war sowieso viel zu kitschig."
„Und außerdem könnte wirklich mal die Frau fremdgehen", fügt nun Charly hinzu, die sich mittlerweile mit auf die Bühne gestellt hat.
Entgeistert sehe ich sie an. Auch sie stellt sich auf Harrys Seite? Bin ich hier im falschen Film?
„Und wir haben ja noch drei Wochen Zeit", sagt nun Lara wieder und sieht mich unsicher an. „Vielleicht könnten wir ... Also vielleicht können wir ja zusammen mit Harry ein paar Änderungen am Stück vornehmen."
Ich kann es nicht glauben. Ich will es nicht glauben. Ich saß verdammte Tage an diesem Stück und dann wollen sie es ändern, nur weil Harry ein paar doofe Sprüche losgelassen hat? Wie oft will dieser Kerl mein Leben eigentlich noch auf den Kopf stellen?
Ich muss gezwungenerweise Harrys selbstgefälligen Blick ignorieren, damit ich auch nicht auf die Idee komme, ihn direkt rauszuschmeißen, weil ich keinen Ärger mit Misses Heath haben will. Allerdings sage ich nichts auf all das. Ich bin einfach zu entsetzt.
„Ich kann Harry zwar absolut nicht ausstehen", schaltet sich nun John widerwillig ein. „Aber er hatte trotzdem recht. Wir sollten so einiges ändern."
Benja sieht erwartungsvoll zu mir und jeder scheint auf meine Meinung zu warten. Doch ich stehe nur stocksteif da. Was soll ich auch tun? Jetzt zu sagen, ich will nicht, dass Harry in diese ganze Sache involviert wird, während alle anderen dafür sind, wäre falsch. Und außerdem bin ich keine Diktatorin. Ich bin so was von demokratisch, deswegen sage ich gegen meinen Willen seufzend: „Okay."
Alle lächeln zufrieden und ich beginne schon jetzt, meine Entscheidung zu bereuen, als ich Harrys gehässiges Grinsen sehe. Mal wieder hat er bei so was gewonnen. Ich verachte ihn dafür nur noch viel mehr.
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Violet Socks I HS
Fanfiction"Dich zu verlieren war etwas, womit ich nicht umgehen konnte." Das Schicksal verbindet Menschen, das Schicksal trennt Menschen. Aber manchmal weiß das Schicksal nicht, was es will und dann schlägt es zurück, und das mit Anlauf in violetten Socken...