Kapitel 63 - Seine Badekugeln

29.9K 2.8K 498
                                    

Nur ein kurzes Kapitel, aber besser als nix :) Übrigens hat VS die 300.000 Reads!!!!! DANKE

„Okay", sage ich grinsend und muss mir auf die Unterlippe beißen, damit mein dümmliches Grinsen weniger dümmlich aussieht. „Also ... Was bedeutet das jetzt?"

„Was hoffst du denn, was es bedeutet?"

„Ich hoffe, dass es bedeutet, dass wir ... einfach das machen, was wir wollen."

Harry lächelt. „Einverstanden." Er wendet sich wieder nach vorne. „Eigentlich echt dumm. Ich hatte uns schon mal eine zweite Chance gegeben."

„Echt?", frage ich ihn überrascht. „Wann?"

„Nachdem du Brandon vor deiner Haustür abgeschossen hast. Ich war so verdammt stolz auf dich, da blieb mir gar nichts anderes mehr übrig, außer zuzulassen, dass wir wieder Freunde werden."

„Und dann hast du mich sofort nach Narnia geschleppt."

„Richtig."

„Und dann hast du's wieder versaut, indem du Jessica geküsst hast."

Harry seufzt und lässt die Schultern hängen. „Richtig. Aber dafür hat es auch ziemlich geklatscht."

Ich lasse die Beine hängen und beginne mich wohl zu fühlen. Ich denke nicht mehr an Brandon oder Jessica. Das Einzige, das nun in meinem Kopf vorgeht ist das Wissen, Harry und ich nutzen nun unsere zweite Chance. Und es wird klappen. Diesmal wird es klappen. Wir haben beide Fehler gemacht und haben uns alle verziehen. Das Leben hat uns nun lang genug getrennt, es wird Zeit wieder die zu sein, die wir einst waren. Nur ein wenig älter und verkorkster.

Ich schnalle mich an, als Harry den Motor startet. „Du hattest die Ohrfeige verdient. Man küsst keine vergebenen Mädchen."

Er sagt nichts darauf, sondern schmunzelt nur in sich hinein.

Und ich schmunzle auch. Ich komme nach Hause und lächle. Ich lächle, als ich Mama auf die Wange küsse, ihr sage, dass ich keinen Fehler begangen habe und als ich Rosy küsse, die sich genervt von mir wegdrücken will, ich sie jedoch trotzdem küsse. Ich danke ihr dafür, dass sie so eine tolle Schwester ist und ich danke ihr dafür, dass sie mit mir gesprochen hat, als ich traurig war.

Dann liege ich am Abend in meinem Bett, starre die Decke an und lächle weiter. Noch vor ein paar Tagen habe ich die Antwort auf all meine Fragen hier gesucht, jetzt weiß ich, dass all meine Fragen schon längst beantwortet wurden.


„Mom!", schreie ich durch das komplette Haus, als ich am nächsten Morgen total gehetzt im Wohnzimmer stehe und hoffe, dass ich meinen Bus nicht verpasse. „Mom, sag Rosy, sie soll sich gefälligst beeilen!"

„Sag es ihr doch selbst!", schreit Mom zurück, die gerade im Bad ist. „Du bist alt genug!"

Ich stöhne gestresst und rufe deswegen Rosy: „Rosy! Bewegung! Jeden Morgen das Gleiche!"

„Violet, du bist diejenige, die immer Stunden braucht!", schreit sie von oben. „Blei bei den Fakten!"

„Ich geb dir gleich Fakten, wenn wir wegen dir den scheiß Bus verpassen!"

„Mom! Violet flucht wieder!"

Jetzt reicht es mir. Ich verdrehe die Augen und öffne die Haustür. Wegen Rosy habe ich schon etliche Male den Bus verpasst, nur weil sie Angst hat morgens alleine zu fahren. Sonst ist sie immer die Erwachsene, aber geht es um andere Kinder, ist sie plötzlich wieder die schüchterne neunjährige, arme Rosy.

Ich schmeiße die Tür hinter mir zu und noch in der gleichen Sekunde haue ich mir die Hand an die Stirn. Mein Schlüssel. Verdammt sei meine Schusseligkeit. Während ich dauerhaft die Klingel betätige, krame ich eilig in meiner Tasche herum, um zu checken, ob ich vielleicht doch schlau genug war, um ihn einzupacken. Doch es sieht echt schlecht aus. Rosy killt mich.

„Rosy!", brülle ich durch die Tür und klopfe. „Mach auf, ich hab meinen Schlüssel vergessen!"

Von drinnen höre ich ihre Schritte, die die Treppen runterspringen. Sie steht genau vor der Tür, öffnet sie jedoch nicht. „Ich habe dir gesagt, ich öffne sie nicht, wenn du nochmal deinen Schlüssel vergisst!"

„Willst du mich – Rosy, ich petz es Mama!"

„Mach doch, du stehst vor der Tür!"

„Argh!", rufe ich aus und drehe mich auf den Fersen um. Ich gehe wütend die drei Treppen herunter und schnappe mir eine Hand voll Kieselsteine, die neben Moms Blumenbeet liegen. „Ich hab dich gewarnt, Rosalinda!" Dann gehe ich ein paar Schritte zurück und peile Rosys Zimmerfenster an.

Und dann schmeiße ich auch schon den ersten Stein. „Mach auf!"

Nichts passiert, also werden ein paar mehr Steine geschmissen. „Mein Bus fährt in vier Minuten, ich schwöre dir, ich erzähle Toby von nebenan, dass du auf ihn stehst!"

Und schon nach kurzer Zeit sehe ich Rosys Gestalt am Fenster, die mich entsetzt ansieht. Doch als ich die nächsten Steinchen schmeiße, verschwindet sie und ich bin mir sicher, dass ich richtig Ärger von Mom bekomme, ist mir jedoch egal. In den ersten zwei Stunden habe ich Theaterkurs und den verpasse ich nicht, vor allem wenn Harry da ist.

Sauer schmeiße ich den kompletten Rest meiner Kieselsteinchen an Rosys Fenster und schreie auf. „Petze!"

„Ach du Scheiße", ertönt plötzlich eine gerade so was von unerwünschte Stimme hinter mir auf und ich kreische entsetzt, schwinge zu Harry, der gerade aus seinem Auto aussteigt und sich über mich amüsiert. „Du schmeißt schon so früh am Morgen Steinchen?"

Ich halte mir fassungslos die Hand über das Herz und beruhige mich. „Das war gerade ein sehr intimer Moment mit meiner Schwester, was tust du hier?"

„Ich nehme dich mit", sagt Harry, als wäre es selbstverständlich. „Früher bin ich auch jeden Morgen vorbei kommen gekommen, schon vergessen?"

Erleichtert atme ich aus. Nun muss ich doch nicht den Bus verpassen. Ich laufe zu ihm und schon ist das Problem mit meinem Schlüssel vergessen. „Fand es früher mit den Fahrrädern aber irgendwie cooler."

„Kann dir leider nur das hier bieten", sagt Harry, als wir in sein Auto einsteigen und es wieder wunderbar nach Kokos duftet. „Bus fahren ist sowieso die größte Scheiße."

„Das stimmt", sage ich und bin glücklich. Ich sehe mich in Harrys Auto um und runzle die Stirn, als er losfährt. „Aber ich muss dich jetzt einfach fragen. Wieso riecht es hier immer nach Kokos? Ich will es endlich wissen."

„Du willst es wirklich wissen?", geht er sicher und mir fällt auf, wie sehr ich seine Klamotten heute liebe. Enge helle Jeans mit einem lockeren braunen Pullover. Es ist so einfach, aber ich stehe total drauf.

„Ja, sag es mir endlich", dränge ich ihn, gleichzeitig fällt mir auf, wie sehr ich auch auf seine wuscheligen braunen Haare stehe. Und sein markantes Kinn mit den leichten Bartstoppeln.

„Okay." Er beugt sich beim Fahren etwas nach vorne und sucht etwas unter seinem Sitz. Gerade als ich denke, wir fahren gegen den Bürgersteig setzt er sich wieder gerade hin und hält mir eine weiße Kugel entgegen.

Ratlos nehme ich sie in die Hand.

„Ist 'ne Badekugel", erklärt Harry, als wäre es total normal. „Ich habe herausgefunden, dass diese Dinger noch intensiver riechen, als Duftbäume und außerdem halten sie länger."

„Liegt unter meinem Sitz auch eine?", frage ich Harry und beäuge skeptisch die krümelige Kugel in der Hand.

„Unter jedem Sitz liegt eine."

„Das ist echt merkwürdig, Harry."

Er sieht mich kurz an und dann grinst er. „Stimmt."

Violet Socks I HSWo Geschichten leben. Entdecke jetzt