Kapitel 49 - ToToes

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Ungläubig lache ich auf und nehme einen Schluck von meinem Orangensaft. „Genau."

„Du glaubst mir nicht?"

„Wie auch? Als du die Wände vom Physikkurs bemalt hast, hast du sogar deinen Namen drunter gesetzt. Das war übrigens ziemlich clever, das muss ich schon sagen."

Harry sagt nichts, sondern isst nur.

„Und gestern", rede ich deswegen weiter. „Du hast Jessica abgeschossen und hast sofort was mit irgendeiner komischen Lola angefangen."

„Eigentlich heißt sie Lilly", korrigiert Harry mich beiläufig.

„Und ich wette diese komische Lola ist nicht weniger hohl, als Jessica."

„Also eigentlich, Violet, geht Lilly nächstes Jahr auf die Harvard-University, um zu studieren. Sie ist wirklich nett."

„Mir egal", sage ich und stopfe mir den Mund mit Ei voll. „Um Lola ging es ja jetzt sowieso nicht."

Harry schnauft, als wäre er amüsiert von mir. Es sieht aus, als wollte er gerade etwas sagen, doch wir werden von der Haustür unterbrochen, die zugeschmissen wird.

Anette kommt ins Wohnzimmer. Wie gewohnt trägt sie einen Hosenanzug, der perfekt auf ihren Schultern sitzt. Ihre blonden Haare liegen wie frisch vom Friseur auf ihren Schultern, kein ungewohnter Eindruck. Sie lächelt, als sie uns sieht und ihren Arbeitskoffer auf einen Stuhl neben Harry stellt.

„Was eine Überraschung", sagt sie und sieht mich an. „Violet. Ich hätte mit jedem Mädchen gerechnet, aber nicht mit dir."

Ich versuche zurückzulächeln. Das letzte Mal, als ich sie gesehen habe, beschimpfte ich sie aufs Übelste. Wie kann sie wieder so nett sein? „Ja", sage ich und hoffe, dass der Kopfschmerz endlich aufhört. „Spontane Sache."

Harry ignoriert seine Mutter vollkommen und ist einfach weiter. Selbst als sie ihre Hand auf seine Schulter legt. „Harry, Liebling, was hast du denn hier gemacht?" Sie dreht seinen Kopf ein wenig, wodurch ein Kratzer an seinem Hals zum Vorschein kommt.

Er zieht sofort genervt seinen Kopf aus ihren Händen. „Lass das."

„Sieht ja aus, als hättest du letzte Nacht mit einem Tiger gekämpft", sagt Anette und lacht dann in meine Richtung, als wäre ich mit dem Tiger gemeint. Sie legt wieder tätschelnd ihre Hand auf Harrys Kopf, streicht ihm durch das Haar. „Aber kämm dich doch wenigstens, wenn du Besuch hast. Sonst sieht man deine hübschen Augen nicht."

Harry atmet genervt durch und schlägt ihre Hand aus seinen Haaren. „Man, lass die Scheiße. Hast du nicht irgendwas zu tun?"

Anette sieht Harry an und seufzt frustriert, als er sich wieder zu seinem Teller dreht. „Das Morgenmuffelsein hast du definitiv von deinem Vater geerbt. Aber du hast Recht." Sie greift sich wieder ihren Koffer vom Stuhl und lächelt mir zu. „Ich werde in mein Büro gehen. Falls ihr was braucht, dann kommt einfach kurz vorbei. Schönen Tag wünsche ich euch, Kinder."

Ich sehe Anette verdutzt hinterher, als sie aus der Küche verschwindet. Für sie ist es, als wäre tatsächlich nie etwas passiert. Nicht mal der Streit mit Harry hängt ihr noch in den Knochen. Oder die Tatsache, dass William stirbt. Sie scheint einfach glücklich zu sein.

„Und ich dachte, sie würde mir den Hals umdrehen", sage ich zu Harry, als Anette außer Hörweite ist.

Er atmet gereizt aus. „Keine Sorge, vor anderen tut sie immer so, als wäre alles bestens. Wenn du jetzt nicht da gewesen wärst, wäre das Gespräch nicht so harmonisch abgelaufen."

„Ich glaube dir sofort." Und im nächsten Moment klingelt mein Handy. Aber es kommt nicht von mir, denn ich trage gar keine Hose, sondern von Harry.

Violet Socks I HSWo Geschichten leben. Entdecke jetzt