Kapitel 41 - Schlampe & Miststück

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Ab da herrscht eine drückende Stimmung, in der kein Ton gesprochen wird. Nicht, dass ich unbedingt mit Harry sprechen wollen würde, doch es ist unangenehm. Eben hat er mir gesagt, dass er froh ist, dass ich mit ihm gekommen bin und das bringt mich ziemlich durcheinander. Denn noch vor einer Stunde dachte ich genau das Gleiche, als ich in seinem Auto saß.

Ich sollte so nicht denken. Egal, in welcher Situation wir stecken. Egal, wie viel Mitgefühl ich für Harry habe und egal, wie sehr er mir heute Abend vertraut hat. Er hätte es einfach nicht sagen dürfen. Ich will es nicht hören, auch wenn ich das Gefühl habe, dass ein kleiner Teil in mir sich sehnlichst nach solchen Worten gesehnt hat.

„Harold!", ertönt eine bekannte Stimme, als Harry und ich das Krankenhaus verlassen und zu den Parkplätzen laufen.

Wir drehen uns beide nach rechts und entdecken Anette, die aufgebracht mit hohen Schuhen auf uns zugelaufen kommt. Sie sieht ziemlich unzufrieden aus. Ihre Haare sind durcheinander und ihr Kajal ist ein wenig verschmiert. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, sie hat gerade in ihrem Auto eine Nummer geschoben.

„Was bildest du dir eigentlich ein?", keift Anette, als sie uns näher kommt.

Ich sehe verwirrt zu Harry, der nur die Augen gestresst verdreht.

„Was ist?", fragt Harry sie desinteressiert und dreht sich nicht mal zu ihr.

Anette bleibt zwei Meter von uns entfernt stehen und verschränkt wütend die Arme. „Ist es schon wieder so weit, dass du mich nicht mal normal begrüßen kannst?"

Harry sagt nichts, sondern sieht genervt abwartend geradeaus, beißt sich auf der Innenlippe herum.

„Wieso hast du mich nicht angerufen?", meckert Anette weiter, weil Harry nicht reagiert. „Denkst du, du bist wichtiger als ich? Dein Vater bekommt einen Krebsanfall und du empfindest es nicht für nötig, mich davon in Kenntnis zu setzen?"

„Es war ein epileptischer Anfall", korrigiert Harry sie resigniert. „Du würdest es wissen, würdest du dich dafür interessieren."

„Fang nicht wieder so an, du weißt, ich interessiere mich dafür!" Anette stampft auf. „Und sei nicht wieder so rotzfrech! Du machst einen Fehler nach dem anderen, nicht ich!"

Ich runzle die Stirn. Was redet Anette denn da?

„Das Krankenhaus hat dich angerufen", sagt Harry wieder locker, sieht seine Mutter jedoch immer noch nicht an. Er kommt zu mir und zieht mich leicht am Arm mit sich, was bedeutet, wir gehen zu seinem Auto. „Und jetzt werden wir gehen."

„Bleib gefälligst hier, wenn ich mit dir rede, Harold!", wütet seine Mutter uns hinterher und ich höre ihre Schritte, die uns folgen. „Du hättest versuchen sollen mich mehrmals zu erreichen, du weißt, dass ich arbeite und nicht ständig erreichbar bin!"

„Okay", gibt Harry nur zurück und zieht mich weiter leicht zu seinem Auto, als ich mich immer wieder zu Anette umdrehe, weil ich absolut nicht nachvollziehen kann, wieso sie ihn so anschreit. Vor allem jetzt nachdem Harry vorhin so offen mit mir über William und sie geredet hat, habe ich noch ein schlechteres Bild von ihr im Kopf.

„Du denkst wirklich, du kannst dir alles erlauben!", schreit Anette weiter, als wir an Harrys Auto ankommen und er schon die Fahrertür öffnet. Er scheint sich wirklich null für seine Mutter zu interessieren. „Sieh mich an und rede mit mir, wie man mit seiner Mutter zu reden hat! Soll ich Doktor Adams sagen, dass er ab sofort nur noch mich benachrichtigen soll, wenn etwas mit William passiert? Dann siehst du ihn gar nicht mehr! Vielleicht sollte ich dir den Geldhahn zudrehen, damit du endlich aufwachst!"

Violet Socks I HSWo Geschichten leben. Entdecke jetzt