Kapitel 3/2

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Die letzten Treppenstufen, bis zu ihrer Haustür. Noch nie kamen ihr diese Stufen so anstrengend vor. Sie war völlig durchgeschwitzt und atmete so schnell, das ihr schwindelig wurde. Als sie im Haus war, setzte sie sich erstmal auf einen Stuhl im Gang. Sie hoffte, dass sie mindestens ein halbes Kilo abgenommen hat. Als das Schwindelgefühl nachlässt, ging sie in ihr Zimmer, zog sich um und warf die verschwitzte Kleidung in den Wäschekorb vor ihrer Zimmertür. Eigentlich wollte sie garnicht mehr wissen, wie viel sie durch das Joggen abgenommen hat. Viel zu viel Angst hatte sie vor einer Enttäuschung. Außerdem hatte sich Lina ein Ziel gesetzt: 20 Kilogramm innerhalb zwei Monaten. Um das zu schaffen, muss sie jeden Tag Joggen und zusätzlich hungern. Und zur Not gab es ja auch noch ihre dritte Möglichkeit - Das Erbrechen. Ihre Bulimie gab ihr dieses Gefühl von Sicherheit. Sie wusste, sollte sie essen, kann sie es schnell wieder loswerden.
Trotz der Nervosität stellte sich Lina ihren Ängsten und ging ins Bad, stellte sich auf die Waage und wartete. Die Waage zeigte 87,8 Kilogramm an. "400 Gramm.. Es sind zwar keine erhofften 500 Gramm, aber 400 sind doch schon mal etwas", sagte Lina zuversichtlich. Sie stellte die Waage zurück ins Regal und ging duschen.
Sie legte ihr Handy auf das Fensterbrett und machte Musik an, Adele, aber nicht 'Turning Tables' sondern 'Set fire to the rain'. Sie liebte beide Lieder, sie erinnerten sie an ihren Vater.
Lina föhnte sich ihre Haare, sie hatte schöne, lange, lockige blonde Haare. Mit Unterwüsche stand sie vor dem Spiegel im Badezimmer. "Irgendwie merkt man nicht, dass ich essgestört bin..", sagte sie. Dabei dachte sie wieder an diese dünnen Mädchen, mit dieser wunderschönen Lücke zwischen den Beinen. "Ob Jo diese Lücke oder 'Thigh Gap', wie sie immer genannt wird, auch schön findet?", fragte sie sich neugierig. Aber egal ob er sie toll findet oder nicht, Lina wollte sie unbedingt haben. Auch wollte sie diese herausstehenden Hüftknochen unbedingt haben.
Lina hatte unheimlich Angst vor der nächsten Nacht. Sie wollte nicht wieder träumen, sie wollte nicht wieder diese Schmerzen fühlen.

Wenn eine Sucht zur Sucht wirdWo Geschichten leben. Entdecke jetzt