Als Lina sich dann doch noch aufraffen konnte und sie zurück in ihr Klassenzimmer ging, merkte Jo sofort, dass etwas nicht stimmte. Doch er konnte sie nicht fragen, was los ist, denn Frau Müller würde ihn sofort auf einen anderen Tisch setzen. Sie hasst es, wenn man während ihrem Unterricht mit jemanden spricht. Dieser Schultag kam Lina wie zwei vor, eine Stunde verging wie zwei und noch dazu hatte sie eine Doppelstunde Mathe. Ihre Arme brannten wie Feuer, immer wieder fingen die Wunden an zu bluten und formten kleine Kreise aus Blut auf ihrem Pulli. Sie versuchte sie weiterhin zu verstecken und versuchte in den Zwischenstunden die Wunden irgendwie mit etwas abzudecken. Doch egal was sie tat, jeder Versuch scheiterte. Erst jetzt wurde ihr wirklich klar, wie zerstört sie doch schon ist. Wie krank muss man sein, um sich selbst Wunden zuzufügen? Diese Fragen gingen ihr immer wieder durch den Kopf. Sie fühlte sich wieder alleine, nichtmal bei Jo fühlte sie sich mehr sicher. Und das alles passierte in ein paar Stunden, diese Krankheit hatte ihren kompletten Körper eingenommen, ihr komplettes Leben beherrschte diese eine Krankheit. Sie konnte sich nur sehr schwer vorstellen, was sie alles in Zukunft anrichten wird.
Lina und Jo fuhren mit dem Zug zu ihr nach Hause, immer wieder fragte er sie, was in der Schule denn los war und was sie so lange auf der Toilette gemacht hatte. Doch Lina schwieg, zu peinlich war ihr diese Situation. Sie wollte einfach nicht darüber sprechen. Mit niemanden. Alles was sie sich wünschte war, dass ihr Vater wieder bei ihr ist. Als Lina und Jo zu Hause angekommen sind, legten sie sich in Linas Bett und kuschelten. Lina wollte kurz aufstehen, als Jo sie an ihrem Arm packte. Sie schrie vor Schmerzen auf, er drückte genau auf ihre Wunden. Sie wusste ab diesem Moment, dass ihr Versteckspiel noch am selben Tag auffliegen wird. Jo nahm vorsichtig ihren Arm, zog behutsam ihren Pulloverärmel nach oben und sah ihre Wunden. Es waren ca. 15 Stück, jede Einzelne klaffte auseinander. Überall waren Blutreste und man sah ihre blauen Adern. "Warum hast du mir nichts gesagt?", fragte Jo Lina verärgert. "Ich wollte dich einfach nicht belasten, ich wollte nicht das du dir Sorgen machst", antwortet Lina zögerlich. Jo fragte Lina:"Wo istbeuer Verbandskasten?" "In der Küche auf der Ablage", antworte Lina. Schnell lief er in die Küche, holte den Verbandskasten und lief wieder zurück in Linas Zimmer. Er packte den weißen Verband und die Wundsalbe aus. Er schmierte vorsichtig ihren ganzen Arm damit ein und machte ihr einen strengen Verband. Es fiel kein einziges Wort, es lag eine Totenstille in der Luft. Erst als Jo den Verbandskasten zurück in die Küche brachte, wurde die Stille unterbrochen. "Bist du jetzt enttäuscht von mir?", fragte Lina Jo mit stolpender Stimme. "Nein, ich weiß was du durchmachst, es ist okay.", antwortete er. Lina war erleichtert, sie packte Jo an der Hüfte, zog ihn ins Bett und legte sich in seine Arme. Auf einmal fühlte sie sich wieder geborgen, vielleicht musste sie erst Klarheit über Jo's Reaktion haben. Vielleicht musste auch einfach nur Zeit vergehen. Jo flüsterte Lina ins Ohr, das er immer für sie da sein werde, egal was passiert. Dieser Satz gab ihr Hoffnung und sie wusste, dass sie jetzt jemanden hat, mit dem sie über all' ihre Probleme und Taten reden kann.
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Wenn eine Sucht zur Sucht wird
Novela JuvenilLina ist 15 und geht an eine Realschule in Bayern. Sie ist übergewichtig und entspricht somit nicht dem Schönheitsideal der heutigen Gesellschaft. Oftmals wird sie ausgegrenzt und verspottet, Freunde hat sie keine. Ihre Gedanken und Taten bringen si...