Kapitel 23

397 18 0
                                    

Jeder Schritt knirschte in die Ruhe hinein. Jeder Schritt schien laut von den Ruinen wieder gespiegelt zu werden. Es passte nicht in die sonst so stille Umgebung. Die Truppe war außerdem der einzige sich bewegende Fleck in dieser trostlosen Schneewüste. Dies waren sie sich auch bewusst. Vermummt und weiße Wölkchen ausatmend eilten sie durch die tote Stadt, zurück zu ihrer Ruine. Zurück zu zwei anderen Überlebenden.

"Sind wir bald da?", hauchte Virgie hinter vorgehaltener Hand hervor.
"Meine Nase fällt gleich ab und meine Füße spüre ich schon seit 10 Minuten nicht mehr, mindestens!!"
Tess wollte ihr nicht auf die Nase binden, dass sie sich im Schneegestöber zwischen all den gleich aussehenden, zerbombten Häusern heillos verirrt hatten.
"Klar. Ist nicht mehr weit. Sind gleich da...", war ihre Antwort.
Eine Lüge.
Damals hatte sie es verabscheut zu lügen. Aber das war ja auch damals, vor dem Krieg. Der Krieg, der so viele Leben genommen und so viele Familien getrennt hatte. Und wofür das alles? Das wusste keiner so richtig. Der Grund für den Krieg wurde immer streng geheim gehalten. Einmal sickerte aber doch etwas durch. Angeblich soll irgendein Experiment missglückt sein. Angeblich.

"Siehst du? Da vorn ist sie schon, unsere Ruine! Ich sehe sie", rief Tess hinter zu ihrer Schwester. Irgendwie hatten sie es doch geschafft, halb erfroren. Beim Anblick ihrer Unterkunft in einiger Entfernung lächelte Tess. Sie waren wieder da!

Das letzte Stückchen liefen sie wieder schneller. Jetzt war ein Ziel klar erkennbar, jetzt hatten sie wieder Hoffnung.
Noch...
Sie betraten den höhlenartigen Eingang und bemerkten gleich, dass das Feuer nicht mehr brannte. Dazu war es seltsam still. Sehr still. Zu still!
Tess konnte zunächst nichts sehen, da sie noch vom grellen Weiß des Schnees geblendet war. Außerdem konnte man ohne das Feuer als Lichtquelle kaum noch etwas erkennen.
Doch dann sah sie für ihren Geschmack plötzlich zu viel...
Neben dem erloschenem Feuer saß, die Augen geschlossen und an die Wand angelehnt, Josh. Er bewegte sich nicht. Auch nicht, als Tess verzweifelt an ihm rüttelte. Er kippte lediglich zur Seite weg und blieb dort liegen. Zudem war er eiskalt und blass. Sie konnten nichts mehr für ihn tun, für Josh kam jede Hilfe zu spät. Er war erfroren, was auch kein Wunder war. Immerhin saß, nein, jetzt lag er, da nur mit einer dünnen Decke auf dem kalten Boden. Wo aber waren die anderen Decken hin?!
Jetzt drehte sich Tess weiter. Da, in der hintersten Ecke und in mehrere Decken eingehüllt, in den Decken eingehüllt, lag Daven. Sofort stürmten die drei zu ihm. Ängstlich starrte Virgie auf den Deckenhaufen herab. Aber dann- zum Schrecken Tess' - quiekte sie aufgeregt.
"Er atmet noch!! Guck doch mal, er atmet!! Da, siehst du?!"
Jetzt bemerkte es auch Tess. Daven hatte überlebt. Wahrscheinlich hatte er einfach Glück gehabt, dass er nicht erfroren war. Allerdings, wenn man sich den Turm aus Decken anschaute und sein Fieber beachtete, konnte er gar nicht erfrieren!
"Schnell, die Medizin! Bevor es für ihn auch zu spät ist..."
Sie holten aus dem Rucksack eine der vielen Tablettenschachteln heraus. Es war ein fiebersenkendes Mittel.
Mit der Rückseite des Taschenmessers
zerstampften sie die Tablette und vermischten das entstandene Pulver mit Wasser.
Dieses flößte Tess nun dem schlafenden und brennend heißen Daven ein.
"Hoffentlich wird er wieder. Sonst war alles umsonst!"

Nachdem sie Daven versorgt hatten, teilte Tess ihnen Aufgaben zu. Sie ging in der Umgebung nach Holz suchen, was sich auch schnell auftreiben ließ. Dann sollte Virgie das Feuer entzünden und Tess wollte sich um Josh kümmern. Das wollte sie ihrer kleinen Schwester wirklich nicht zumuten. Und Hakon.... Der lag an der Seite und beobachtete alles gelangweilt. Gut so, konnte er nicht stören.
Was mach ich jetzt mit Josh!?
Begraben können wir ihn nicht, die Erde ist gefroren.
Trotzdem muss er hier raus...
Alleine schaff ich das nicht, Virgie muss mir doch helfen. Mist!

"Hey Virgie. Du musst mir mal helfen kommen... Wir müssen Josh hier rausbekommen. Mach am besten die Augen zu und nimm seinen Fuß. Dann ziehen wir ihn neben den Eingang."
Und so packten sie den Mann zu zweit und schliffen ihn hinter sich her. Es war ein schreckliches Geräusch.
Mühsam erreichten sie den Eingang und legten ihn endlich ab.
"Geschafft. Danke Süße! Schnell wieder rein, es ist kalt!", meinte Tess.
"Aber wir sind doch erst drei Sekunden draußen!", das war Virgie.
"Ja, drei Sekunden zu lange!" Damit schob Tess ihre Schwester sanft aber bestimmt in die schützende Ruine.
Sie selbst kam noch ein letztes Mal heraus, um eine Plane, die sie bei ihrer Holzsuche entdeckt hatte, über Josh zu legen. Als 'Erstatzgrab' sozusagen.
Doch da sah sie aus seiner Manteltasche ein kleines Buch heraus lugen. Sie griff danach und blätterte kurz durch. Fast alle Seiten waren beschrieben. Von Hand! Das war ein Tagebuch!
Neugierig steckte Tess es ein.

Noch wusste sie nicht, was sie da gerade entdeckt hatte.
Hätte sie gewusst....

In The EndWo Geschichten leben. Entdecke jetzt