Wounds

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Nach dem Zufallen der Haustür verlor ich jegliches Zeitgefühl. Ich könnte 5 Minuten,aber ebenso auch 5 Stunden hier gelegen haben. Meine Gedanken flogen durcheinander,vereinten sich zu einem wilden Chaos. Es kam mir so unrealistisch vor. War das gerade wirklich passiert? Hatte er mich wirklich gewürgt und mir mehrmals die Luft abgeschnürt. Ich kannte seine Ausraster. Doch dieser war anders. Heftiger,intensiver. Lag es daran,dass er davor seine Schläge zurück halten musste? Für mich? Weil ich es verlangt hatte? War es heute alles aus ihm heraus gebrochen,die angestaute Wut und die Schläge?

Ich wusste nicht wie ich es schaffte,doch ich schaffte es. Ich stand auf und lief langsam ins Badezimmer. Mein Gesicht und mein Hals pochten,während meine Sicht bei jedem Schritt leicht erzitterte. Ich musste mich an der Wand abstützen,doch nach unendlich langen Minuten war ich am Ziel. Erschöpft ließ ich mich auf den geschlossenen Toilettendeckel sinken. Langsam griff ich nach der Schranktür und zog sie wenige Sekunden später auf. Ich fühlte mich kraftlos und mein Blick schaffte es nur wage die verschiedenen Cremes nach der Richtigen abzusuchen. Als ich sie gefunden hatte,griff ich nach ihr und schloss anschließend den Schrank. Ich betrachtete sie lange. Die weiße Dose,welche mit blau schimmernden Wellenlinien verziert war. Ich wusste inzwischen nicht mehr,wie oft ich von ihr Gebrauch gemacht hatte. Jedenfalls oft genug. Langsam,fast schüchtern,drehte ich den Deckel auf und legte ihn ans Waschbecken. Doch dann hielt ich inne,ließ die Minuten vorbeiziehen,während ich mit der geöffneten Creme auf dem Toilettendeckel saß. Ich traute mich nicht meine Wunden anzuschauen. Ich wollte nicht sehen,was das Ergebnis seiner Wut war. Nach gefühlten Stunden begann ich mein hellgraues Oberteil leicht anzuheben. Man sah leicht rote Schlieren,die sich wie ein Muster über meinen Bauch erstreckten. Vorsichtig tunkte ich mein Finger in die Salbe und verteilte diese dünn auf den einzelnen roten Strichen. Ich ließ mein Oberteil los,so dass es wieder locker nach unten fiel. Mein Blick glitt zu meinen Händen. Sie waren nur leicht gerötet,weshalb ich auf die Creme verzichtete,so konnte ich gleich meinen Hals mit mehr Salbe versorgen. Langsam stand ich auf und trat nach kurzem Zögern vor den Spiegel. Nur schwer konnte ich mich davor abhalten,mir die Hände entsetzt vor Gesicht und Hals zu halten. Aus meiner Nase blutete es leicht und meine Lippe war mehrfach aufgerissen. Durch das erschrockene Zusammenpressen meiner Lippe bildeten sich jetzt kleine rote Perlen aus Blut,die ich mit einem schnellen Griff nach einem Taschentuch abtupfte. Anschließend drückte ich das Taschentuch auf eine blutende Wunde am Kinn. Mit einem neuen Taschentuch wischte ich mir schließlich das angetrocknete Blut von der Nase. Ich beschloss meine Lippe,mein Kinn,sowie einzelne Schlieren und Kratzer mit einer Cremeschicht zu überziehen. Danach kam mein Hals. Ich wusste nicht,ob ich mir das einbildete,doch auf mich wirkte er leicht verschwommen. Doch was ich mir definitiv nicht einblidete,waren die hell und dunkel roten Schlieren und Striche. Sie umrundeten meinen Hals wie eine Kette,wie als wären sie ein modisches Accessoire.Ich meinte einzelne Finger zu erkennen,doch wahrscheinlich war auch dies nur Einbildung. Nachdem ich auch mein Hals eingecremt hatte,nahm ich den Deckel der Salbe und stellte sie nach dem Schließen zurück in den Schrank. Ich nahm mir ein großes Handtuch und verließ anschließend das Bad,doch nicht,ohne mich noch einmal anzusehen. Ich sah einfach nur schrecklich aus,fast wie ein Ausserirdischer,mit meinen weißen Strichen und Punkten im Gesicht und am Hals. In meinem Zimmer angekommen breitete ich das Handtuch über meinem Kopfkissen aus,da ich nicht wollte,dass meine Bettwäsche Fettflecken bekam. Anschließend nahm ich mir mein Handy und fuhr die Jalousien herrunter. Mit meiner Handytaschenlampe fand ich meinen Weg zurück ins Bett. Noch bevor ich mein Handy weglegen konnte,las ich die Nachricht von meiner Mum,die sie mir vor einer Stunde geschrieben hatte:
Ich übernachte heute bei Ian,bin morgen früh wieder da. Lasagne steht im Ofen. Schlaf später schön und wenn was ist,ruf mich an. Bis Morgen,hab dich lieb!

I love you psychoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt