Düsterwald

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Es war dunkel. Weder das Tageslicht noch der Regen, drangen durch die mächtigen Baumkronen. Zum Unwohl Gwaens regte sich kein Wind unter den Bäumen, sodass die Luft still und schwer über der Gemeinschaft hing. Die einzigen Geräusche in diesem Wald waren das leise knacken der Bäume, wenn der Wind an ihren Baumkronen vorüberzog. Gwaen sah sich um und stellte verwundert fest, dass kein einziges Tier zu entdecken war. Nichts außer Schatten und dunklen Baustämmen lies sich entdecken. Und diese Tatsache beunruhigte sie am meisten. Denn wenn sich in einem Wald kein Tier zu leben traute, drohte irgendwo eine Gefahr.
Sie folgten alle nacheinander dem alten Elbenpfad, wenn man diesen überhaupt als solchen bezeichnen konnte. Der Pfad war aus vereinzelten steinernen Platten gelegt, welche nur schwer unter dem toten Laub zu erkennen waren. Thorin und Dwalin liefen an der Spitze des Zuges und klopften mit ihren Äxten und Schwertern auf den Boden, damit sie den Weg nicht verloren. Gandalf hatte sie davor gewarnt den Pfad zu verlassen, da sie ihn sonst nicht wieder finden und dem Zauber des Waldes verfallen würden.
Es ging nur sehr langsam voran und die Stimmung der Zwerge verschlechterte sich von Moment zu Moment. Keiner sagte ein Wort, nur Thorin und Dwalin berieten sich andauernd wohin der Pfad abzweigte. Auch Bilbo, welcher vor Gwaen ging, wirkte leicht benommen. Nur auf die Elbin schien der Wald, bis auf seine drückende Atmosphäre, keinerlei Auswirkungen zu haben.
Immer wieder spürte sie Filis Blick im Rücken, der sie nachdenklich betrachtete. Doch wenn sie seinen Blick erwiderte schlug dieser wieder in Wut um und er sah stur in eine andere Richtung. Es versetze ihr doch jedes Mal einen Stich ins Herz.
„Ich habe noch nie einen derartigen Wald gesehen." Bilbo hatte sich zu Gwaen umgedreht und lief nun neben ihr her. Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. Er versuchte sie von ihren Gedanken abzulenken und sie war ihm unglaublich dankbar dafür. „Ich auch nicht und ich habe schon sehr viele durchquert. In Imladris erzählte man sich es sei ein wunderschöner Wald, der den Namen Eryn Galen trägt. Also den Großer Grünwald. Er ist das größte Reich der Elben in Mittelerde. Man erzählte sich von seiner Schönheit und der Artenvielfalt, doch weiß ich nicht was passiert ist, dass er sich so veränderte." Einen Moment schwiegen die beiden und Bilbo sah sie nachdenklich an. „Kann ich dich was fragen?" „Klar, nur zu," Erwartungsvoll blickte sie den Hobbit an, welcher nur zögerlich ihren Blick erwiderte bevor er weiter redete. „Aus welchem Grund genau hast du damals Bruchtal verlassen?" Gwaen zuckte zusammen. Damit hatte er ihren Wunden Punkt getroffen. Schon immer hatte sie nicht gerne darüber gesprochen, doch nach ihrer Gefangenschaft bei Azog als der dunkle Herrscher sie gegen Elrond aufwiegeln wollte, nahm sie dieses Thema als noch schmerzvoller wahr. Außerdem konnte sie Bilbo die Wahrheit nicht sagen. Noch nicht. Der Hobbit schien gemerkt zu haben was es in ihr auslöste und wandte betreten den Kopf zum Boden. „Entschuldige. Ich habe nicht das Recht dich das zu fragen." „Nein, schon in Ordnung, du kannst ja nichts dafür. Ich hatte eine Auseinandersetzung mit Herrn Elrond. Er warf mir zu unrecht Sachen vor, die ich niemals getan hätte und meinte ich sei eine Gefahr. Danach konnte und wollte ich nicht mehr in seiner Nähe sein und lebte in der Wildnis. Ich verspreche dir das ich es dir irgendwann genauer erzähle, aber jetzt ist noch nicht der Moment dazu." Bilbo wollte noch etwas fragen, als von vorne laute Stimmen erklangen. „Wir haben die Brücke gefunden", kam es von Bofur, doch als sich alle vor dieser versammelten verflog die kurze Freude. Die Brücke war zerstört und bat keine Möglichkeit den Fluss zu überqueren. „Wir könnten durchschwimmen", rief einer der Zwerge und wurde rasch von Thorin unterbrochen. „Nein! Gandalf hat gesagt wir dürfen auf keinen Fall das Wasser berühren. Ein Zauber liegt auf diesem Fluss." Die Zwerge stoben auseinander und suchten nach einem Weg den Waldfluss zu überqueren. Nur Gwaen blieb zurück und sah zu Bilbo welcher unentwegt ins Wasser starrte. Er wirkte wie in Trance und genau das machte der Elbin Angst. Gerade als sie auf ihn zuging, ertönte rechts von ihnen Kilis Stimme und riss den Blick des Hobbit von der Wasseroberfläche. „Diese Ranken hier sehen stabil aus", meinte er und machte sich daran auf sie zu klettern. „Kili!" Thorins Stimme lies den jungen Zwerg zusammenfahren und er riss den Kopf zu seinem Onkel. Doch dieser hatte seinen Blick auf Gwaen und Bilbo gerichtet. „Wir schicken die leichtesten vor." Sofort wurden die beiden nach vorne zu den Ranken geschoben und mit erwartungsvollen Minen betrachtet. 'Na super. Im Zweifelsfall immer die anderen voran schicken', dachte Gwaen bei sich, bevor sie sich daran machte sich an den schwankenden Ranken ans andere Ufer zu hangeln. Sie selbst hatte damit aufgrund ihren elbischen Ursprungs keine Probleme, doch dem Hobbit bereitete es sichtlich Schwierigkeiten. Er rutschte ab und hing kopfüber von der Ranke. Schnell hatte er sich jedoch wieder gefangen, aber die Elbin blieb vorsichtshalber in seiner Nähe.Ein Stück weiter bewegten plötzlich sich zwei der Ranken auseinander und Bilbo hing gestreckt zwischen ihnen. Doch er tat nichts weiter als gebannt auf die Wasseroberfläche zu starren und sank immer mehr auf diese zu. Hinter ihnen ertönten schon die aufgebrachten Stimmen der Zwerge, als Bilbos Hände abrutschten. Gwaen hechtete zu ihm hin und bekam gerade noch seinen Arm zu fassen, wobei sie selbst sich nur mit einer Hand haltend in der Luft baumelte. Mit einem Mal erwachte der Hobbit aus seiner Trance und krallte sich nun mit vor Angst aufgerissenen Augen an ihren Arm. Vorsichtig zog sie ihn wieder nach oben, was alles andere als leicht war, da sie immer nur noch an einem Arm hing und der Hobbit nicht gerade der leichteste war. Als er wieder auf einer der Ranken stand lies er sie los und Gwaen zog sich wieder hoch. Am anderen Ende angekommen lies Bilbo sich erschöpft auf den Boden fallen und rief den anderen zu sie sollen nicht über diesen Weg kommen. Doch als Gwaen ihren Blick auf die andere Seite richtete, waren die Zwerge schon dabei zu ihnen zu klettern. Genervt stöhnte sie auf. Das diese Zwerge auch nie hören konnten.
Der erste der wieder auf festem Boden stand war Thorin. Er nickte ihnen beiden kurz zu, bevor sein Blick in Richtung Wald wanderte. Aus dem Dickicht war ein schneeweißer Hirsch getreten, welcher geradezu zu leuchten schien. Gwaens Blick hing wie gebannt an dem majestätischen Tier, das ihren Blick erwiderte. Das Geräusch einer Bogensehen lies sie herumfahren. Thorin hatte seinen Bogen gespannt und schussbereit auf das Tier gerichtet. Bevor sie richtig hatte nachdenken können, sprang sie in seine Schusslinie und versperrte ihm so die Sicht auf das Tier. „Geh mir aus dem Weg, Meisterdiebin!" In Thorins Blick lag ein irrer Ausdruck und seine bedrohliche Stimme lies sie zusammenfahren. Doch sie ging nicht bei Seite sondern erwiderte nur trotzig seinen Blick. „Nein Thorin, das werde ich nicht." „Du wagst es mir zu widersprechen?! Wenn du nicht zur Seite gehst, wirst du an seiner statt dort liegen." Die Augen des dunkelhaarigen Zwerges funkelten vor Zorn, doch die Elbin rührte sich weiterhin nicht vom Fleck. Thorin lies los. Der Pfeil schoss auf Gwaen zu, welche nur geschockt da stand. Er verfehlte sie nur um eine Haaresbreite, da Bilbo sie im letzten Moment mit sich zu Boden gerissen hatte. Mit vor Schreck geweiteten Augen sah Gwaen ungläubig zu dem Zwerg auf. Dieser schien begriffen zu haben was er soeben getan hatte und drehte sich schnell zu den anderen um, doch diese waren noch zu beschäftigt einander von den Ranken zu helfen, das keiner Thorins Fehltritt gesehen hatte. Sein Blick wanderte wieder zu der am Boden liegenden Elbe und Gwaen sah die Verwirrung und den Scham in seinen stahlblauen Augen. Einen Moment lang stand er nur so da und öffnete den Mund um etwas zu sagen, als ein lautes Platschen vom Fluss zu ihnen drang. Bilbo hatte sich als erster gefangen und zog sie auf die Füße, während Thorin schon zum Fluss eilte. Dort zogen die anderen bereits Bombur aus dem Wasser. Der rothaarige Zwerg lag in einem Tiefschlaf auf dem Waldboden und keiner von den anderen vermag es ihn aufzuwecken. Also beschlossen sie eine Trage zu bauen um immerhin etwas voran zu kommen. Ihr taten die Zwerge jetzt schon Leid die ihn tragen mussten, da Bombur ja nicht unbedingt leicht gebaut war. Als der Tross angeführt von Thorin an ihnen vorbeizog, hielt Bilbo sie zurück und sah sie besorgt an. „Ist alles in Ordnung bei dir?" Gwaen versuchte ihm ein dankbares Lächeln zu schenken, was ihr allerdings nur halb gelang. Thorin hatte auf sie geschossen! Sie wusste ja das er sie nicht besonders gerne mochte, doch das war noch lange kein Grund ihr einen Pfeil in den Kopf zu jagen. Doch mehr beunruhigte sie die Tatsache, dass Thorin offensichtlich nicht ganz Herr seiner Sinne war in diesem Moment.
„Mit mir ist alles in Ordnung. Aber nur deinetwegen. Danke Bilbo." Der Hobbit winkte nur ab, aber ihr entging nicht die leichte Schamröte in seinem Gesicht. Sie musste sich ein amüsiertes Grinsen verkneifen. „Ich begreife einfach nicht wie er das tun konnte. Du hättest genau so gut jetzt tot sein können", fuhr Bilbo aufgebracht fort. „Es war nicht seine Schuld." Ungläubig starrte er sie an. „Hast du vergessen was Gandalf gesagt hat? Auf diesem Wald liegt ein Zauber und er macht den Zwergen schon von Anfang an zu schaffen. Und auch an dir geht er nicht spurlos vorüber. Thorin wusste in diesem Moment nicht was er da tat." 'Das hoffe ich zumindest.'
Bilbo schien mit der Antwort immer noch nicht ganz zufrieden, aber er sagte nichts weiter und sie folgten den anderen schweigend.
Sie waren eine Stunde dem Weg gefolgt als die Gemeinschaft eine Pause einlegte. Schwer atmend setzten sich Dwalin, Bofur, Fili und Kili auf den Boden, welche Bombur den ansteigenden Pfad hinaufgeschleppt hatten.
Bilbo und Gwaen saßen am Fuße eines der gewaltigen Bäume. Der Hobbit schien schon wieder etwas benommen, doch versuchte er mit aller Kraft bei klarem Verstand zu bleiben. Wenn er zu sehr wegdämmerte, rüttelte sie ihn an den Schultern und sein Blick klärte sich wieder. So hatte sie immerhin etwas zu tun um sich von ihrem Gedanken abzulenken. Nachdenklich sah die Elbin zu Thorin rüber, als seltsame Geräusche durch den Wald drangen. Sie waren sehr leise, doch für ein Elbenohr leicht zu erfassen. Es ähnelte klickenden und zischenden Lauten, doch hatten sie etwas von Stimmen an sich. „Hört ihr das?" Bilbo sah sich benommen um und sah dann ebenfalls zu Thorin. „Ich höre nichts." Thorins abwesender Blick lag erst auf dem Hobbit bevor er sich wieder dem Wald zuwandte. Dann ging er zu Dwalin und zog diesen auf die Füße. „Wir müssen weiter. Dort entlang." Schon schritt er ihnen voran in den Wald abseits des Pfades. Die anderen rappelten sich auf und folgten ihm. „Nein, ihr dürft den Weg nicht verlassen!" „Thorin hast du Gandalfs Worte vergessen? Wir werden ihn nie wieder finden wenn wir ihn jetzt verlieren!" Die beiden sahen fassungslos den anderen hinterher, die ihre Worte einfach nur ignorierten. Sie sahen sich einen Moment lang unschlüssig an, doch es blieb ihnen nichts anderes übrig als den anderen zu folgen. Kopfschüttelnd ging Gwaen hinter Bilbo in den Wald hinein. Warum mussten Zwerge auch so stur sein. Begriffen sie denn nicht das sie einen Fehler machten. Sie seufzte auf. Warum hatte sie nur das Gefühl, dass sie nicht mehr lange warten werden mussten bis sie mit den Konsequenzen dieses Fehlers konfrontiert wurden?

Die Tochter des Sturms   (Fili FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt