Esgaroth

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Thorins tiefe Stimme hallte über den mit Fackeln erleuchteten Platz und lies die Menge verstummen. Gwaen schob sich mit ihrem schmalen Körper durch die Menschenmengen, wobei sie das Schwert fest an sich drückte um keine Aufmerksamkeit zu erregen, bis sie Thorin erblickte. Er stand auf den Treppen des Rathauses, während der Rest der Gemeinschaft, umzingelt von Wachen, zu ihm hinüberschaute. Sie suchte nach Filis Gesicht und da entdeckte sie ihn. Eine Welle der Erleichterung überschwemmte sie, da er nicht verletzt zu sein schien. Sein blondes Haar war ein wenig zerzaust und die Zöpfe im Haupthaar und am Bart waren nicht wie sonst mit Schmuckschließen, sondern mit Lederbändern zusammengebunden. Fili sah zwar ziemlich mitgenommen von der Flucht aus, bemühte sich aber es sich nicht anmerken zu lassen. Er stand aufrecht, mit kühlem Blick und vor der Brust verschränkten Armen da, sodass er Thorin erstaunlich ähnlich wirkte. Kili hingegen, der neben seinem Bruder stand, sah mit unverhohlener Verachtung zum Bürgermeister auf.

Gwaens Blick glitt wieder zu Thorin und sie zog schnell die Kapuze ein wenig tiefer ins Gesicht, als sein Blick über die Menge schweifte.
„Ich versichere euch, wenn es gelingt, werdet ihr alle am Reichtum des Berges teilhaben. Dann habt ihr genug Gold um Esgaroth zehn Mal neu zu erbauen!"
Die Menge brach in lauten Jubel und Freudenschreie aus, doch wurde sie von einer schneidenden Stimme unterbrochen.
Ein in Schwarz gekleideter Mann mit fettigem dunklen Haar war ein paar Schritte von einem übergewichtigem Mann, wahrscheinlich dem Bürgermeister, vorgetreten. Seine dunklen Augenbrauen waren zusammengewachsen und die Art wie er sich bewegte erinnerte Gwaen an eine glitschige Schlange.
„Warum sollten wir Euren Worten glauben schenken? Wir wissen nichts von Euch. Wer wird für Euch bürgen?"
Stille trat ein und alle Blicke waren nun erwartungsvoll auf den Erben Durins gerichtet, welcher jedoch keine Antwort zu wissen schien.
„Ich. Ich bürge für."
Alle Köpfe drehten sich zu den Zwergen, aus deren Mitte eine noch kleinere Gestalt heraustrat. Bilbo! Der Hobbit trat scheu nach vorne, sah erst zu dem überrascht wirkenden Thorin und dann zum Bürgermeister.
„Ich bin mit diesen Zwergen schon sehr lange gereist, durch viele Gefahren. Und ich schwöre Euch, wenn Thorin Eichenschild sein Wort gibt, dann hält er es auch."
Leises Gemurmel ging durch die Menschen, als nun auch der Bürgermeister vortrat.
„Wieso sollten wir Euch glauben, hm? Woher sollen wir wissen, dass der einzige Zweck für Eure Worte nicht auch für eure Befreiung dient? So ehrenvoll Eure Worte auch sein mögen, wir können uns nicht auf sie verlassen."
Auf den Handwink des Bürgermeisters schritt eine Wache auf Thorin zu, um ihn festzunehmen, hielt jedoch inne als eine weitere Stimme erklang.
„Halt! Ich werde für die Zwerge bürgen."

Die Menge teilte sich und gab den Blick auf Gwaens in den Umhang gehüllte, zierlich Gestalt preis. Der Bürgermeister beäugte sie misstrauisch.
„Wer seid ihr?"
Gwaen trat vor und zog sich die Kapuze vom Kopf. Im Schein der Fackeln schien ihr Haar geradezu zu leuchten und ihre Augen strahlten in der Dunkelheit.
„Mein Name ist Gwaen. Ich bin eine Elbe Bruchtals, des Herren Elronds."
Ein Raunen ging durch die Menge und leises Geflüster erklang.
Ihr Blick glitt kurz zu den Zwergen und Bilbo, die sie allesamt erschrocken und erstaunt musterten. In Filis Blick lag Erleichterung und ein leichtes Lächeln umspielte seine Lippen.
Dann wandte sie sich wieder an den Bürgermeister, der sie entgeistert ansah. Dabei entging ihr nicht der Blick Thorins, der sein Erstaunen nicht hatte verbergen können.

„Ich bürge für Thorin Eichenschild und sein Gefolge. Ich vertraue auf seine Worte und er würde sein Versprechen nicht brechen. Er ist ehrenvoll und wird sich an eure Hilfe erinnern.
Ich befinde mich nicht in Eurer Gefangenschaft, also habt ihr keinen Grund an meinen Worten zu zweifeln."
Zustimmende Rufe ertönten. Thorin hatte den Blick die ganze Zeit nicht von ihr abgewandt und nun erwiderte sie ihn. Es war das erste Mal, dass sie sich entsinnen konnte, aus seinen Zügen deutlich erkennen zu können was er dachte. Neben Überraschung konnte Gwaen in seinem Blick etwas wie Dank erkennen. Und war das Rührung?
„Hört zu! Ihr müsst mir zuhören! Habt ihr vergessen was mit Thal geschehen ist? Habt ihr die vergessen, die ihr Leben ließen in dem Feuersturm? Und wofür? Für einen Bergkönigs blinden Ehrgeiz. So zerfressen von Gier, dass er nur seinen eigenen Vorteil im Sinn hat!"
Ein großer Mann mit dunklen Haaren, die ihm bis zu den breiten Schultern reichten, war in die Mitte des Platzes geschritten und appellierte nun an die Bürger. Wehlaute waren zustimmend zu seinen Worten zu vernehmen.
„Wir dürfen, und das gilt für uns alle, niemanden voreilig beschuldigen. Und vergesst nicht. Es war Girion, Fürst von Thal, Euer Ahnherr, der die Bestie zu erlegen versäumte", mischte sich sogleich der Bürgermeister wieder ein und ein süffisantes Lächeln zeichnete sich auf seinen Lippen ab.
„Wie wahr Herr. Wir alle kennen die Geschichte. Pfeil um Pfeil hat er verschossen und jeder verfehlte sein Ziel."
Auf die Worte des in schwarz gekleideten Mannes hin, begannen die Leute leise zu tuscheln und Gwaen sah zu dem Mann. Sein Blick lag tödlich auf dem Bürgermeister und seine Hände waren zu Fäusten geballt. Langsam schritt er auf Thorin zu.
„Ihr habt kein Recht. Kein Recht diesen Berg zu betreten."
„Ich allein habe das Recht." Thorin starrte den Menschen unbeeindruckt an, obwohl dieser ihn um über zwei Köpfe überragte.
Dann wandte er sich wieder zum Bürgermeister Esgaroths und erhob die Stimme so, dass jeder ihn verstehen konnte.
„Ich spreche zum Bürgermeister der Seestadt. Wollt Ihr erleben wie sich die Prophezeiung erfüllt? Wollt Ihr teilhaben am großen Reichtum unseres Volkes? Was sagt Ihr?"
Gespannte Stille trat ein und alle starrten erwartungsvoll zum Bürgermeister.
„Ich sage zu Euch: Willkommen! Willkommen! Und drei mal Willkommen! König unter dem Berge!"
Jubelnd klatschten die Menschen in die Hände und fielen sich gegenseitig um den Hals. Auf Gwaens Gesicht breitete sich ein Grinsen aus, als sie zu ihren nun feiernden und begeistert jubelnden Gefährten sah.
Dann bat der Bürgermeister sie alle in das Rathaus, wo für sie ein Festmahl zubereitet werden sollte. Gwaen wollte sich gerade zum gehen wenden und mit den Zwergen gehen, als sie auf einmal am Arm gepackt und festgehalten wurde.

Die Tochter des Sturms   (Fili FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt