Die Gruppe Orks hatte erst vor ein Paar Stunden auf einem Pfad im Nebelgebirge halt gemacht. Sie hatten Gwaen vom Warg gezerrt und ihr die metallenen Fesseln abgenommen, damit sie etwas essen und trinken konnte. Wenn man das was sie zu essen bekam überhaupt als solches bezeichnen konnte. Es war altes, halb verfaultes Brot und als sie alle ungenießbaren Stellen entfernt hatte, blieb nur noch knapp eine Hand voll übrig. Aber besser als nichts. Gwaen konnte sich nicht vorstellen, noch vor zwei Tagen am Feuer gesessen und frisches Brot mit Butter gegessen zu haben. Das kam ihr alles jetzt so unwirklich vor. Mit einem bisschen ihres Wassers versuchte sie ihre Wunde am Kopf auszuwaschen. Die Elbin musste ihre Zähne zusammenbeißen, um nicht laut aufzuschreien, aber es musste sein. Sonst würde sich die Wunde vielleicht noch entzünden und das konnte sie gar nicht gebrauchen. Ihre übrigen Schürfwunden sahen nicht all zu schlimm aus und so beschloss sie lieber etwas Ruhe zu finden, sofern das bei dem dauerhaften Gezeter der Orks möglich war. Gerade hatte sie sich gegen die Felswand gelehnt und die Augen geschlossen, als ein Späher auf seinem Warg in das provisorische Lager geprescht kam. Der untersetzte Ork sprang von seinem Reittier und ging auf Azog zu, um ihm unterwürfig einen Zettel zu überreichen. Dieser nahm ihn grob entgegen und las ihn sorgfältig. Währenddessen verzog sich sein Gesicht zu einer hämischen Fratze. Nun richtete der Schänder sein Wort an die Meute, welche schnell damit begann alles wieder zusammen zu räumen. Gwaen wurde wieder gepackt, ihre Hände mit groben Seilen gefesselt und wieder auf vor dem Ork auf den Warg gesetzt. Jedoch war sie nicht bei der Sache. Ihre Gedanken hingen Azogs Worten nach. Wieder war der Name Thorin Eichenschild gefallen, welchen er mit so viel Verachtung ausgespuckt hatte, dass es ihr einen Schauer über den Rücken laufen ließ. Woher kannte sie diesen Namen? Sie war sich sicher, dass sie es bald herausfinden würde.
Auf einem markerschütternden Schrei des Schänders hin, setze sich die Meute wieder in Bewegung. Sie ritten lange durch die kahle Berglandschaft und mehr als einmal kam ihr Warg ins Schlittern, sodass Gwaen Mühe hatte sich auf dem Tier zu halten und nicht in den scheinbar bodenlosen Abgrund zu stürzen, der sich neben ihnen auftat. Als sie endlich das Ende des Pfades erreichten, blieb die Meute stehen. Sie befanden sich nun auf einem steilen Abhang, auf dem sich einige vereinzelte Bäume befanden. Doch zwischen ihnen konnte Gwaen eine Gruppe von fünfzehn Personen ausmachen. Ein Befehl des Schänders setzte die Meute wieder in Bewegung und reiterlose Warge preschten voran, um den Angriff zu starten. Die Gestalten rannten nun den Berghang hinunter und flüchteten sich gerade auf ein Paar Bäume vor einer Klippe, als Azog seinen Warg auf einen Felsvorsprung trieb und seine Wort an die Verfolgten richtete. Mit vor Schreck geweiteten Augen erkannte die Elbin, dass es sich um dreizehn Zwerge, einen älteren Mann mit grauem Spitzhut, den sie als Gandalf den Grauen identifizierte und eine kleine Gestalt, vielleicht einen Hobbit, handelte. Der Spott in Azogs Stimme war nicht zu überhören und er sprach einen der Zwerge als Thorin, Sohn des Thrain an. Es traf sie wie einen Blitzschlag. Wieso war sie nicht früher darauf gekommen? Thorin war der rechtmäßige König unter dem Berg, welchen er durch einen Drachen verloren hatte. Der Herrscher Erebors. Er war ein Erbe Durins. Und es war bekannt, dass Azog sich geschworen hatte, diese Linie auszulöschen.
Ihr Blick glitt nun zu einem dunkelhaarigen Zwerg, welcher mit hasserfülltem Blick zu Azog herunterschaute. Der Unglaube und der blanke Hass war ihm ins Gesicht geschrieben, war doch allgemein geglaubt worden, dass der bleiche Ork tot sei. Die Warge führten den Angriff auf die Gemeinschaft fort, wobei die Bäume auf denen sie sich befanden nachgaben und die Zwerge von Baum zu Baum springen mussten, bis sich nur noch ein letzter am Rand der Klippe befand. Unerbittlich sprangen die Warge an dem Stamm hoch und versuchten die Zwerge zu erreichen, als ein Feuerball das Fell eines der Tiere in Brand setzte. Ein Lächeln stahl sich auf das erschöpfte Gesicht der Gefangenen. Sie wusste von wem diese Zauberei herrührte und staunte immer wieder, wie Gandalf in schwierigen Situationen einen klaren Kopf behielt und einem Trumpf im Ärmel hatte. Doch mit einem mal wich das Lächeln aus ihrem Gesicht, als der Baum nachgab und nur von ein Paar Wurzeln gehalten über der Klippe hing. Was dann geschah spielte sich für Gwaen wie in Zeitlupe ab. Thorin Eichenschild hatte sich von seinem Ast erhoben und rannte durch die brennenden Bäume auf Azog zu, dessen Gesichtszüge zu einem grausamen Lächeln geworden waren. Seine Warg sprang vom Felsvorsprung und riss den den Zwerg von den Füßen. Jedoch hatte er sich schnell wieder gefangen und rappelte sich auf, nur um von Azogs Schlachtkeule im Gesicht getroffen zu werden und erneut zu Boden zu gehen. Entsetzt musste sie sich ansehen, wie der Warg seine Zähne in das Fleisch des Zwergenkönigs grub und in die Luft hob. Die Schmerzensschreie des Erben Durins waren markerschütternd und mischten sich mit den verzweifelten Schreien seiner Gefährten. Mit letzter Kraft schlug er das Schwert in die Schnauze des Untiers und wurde zu Boden geschleudert, wo er reglos liegen blieb. Genüsslich hatte Azog dieses Schauspiel mit angesehen und befahl nun einem Ork ihm den Kopf des Zwerges zu bringen. Das konnte sie nicht zulassen. Es sollten nicht noch mehr Unschuldige durch Azogs Hand sterben, wenn es für Thorin nicht schon zu spät war. Als der Ork zum Hieb ansetzte, um den Kopf vom Körper zu trennen, warf sich der Hobbit dazwischen und erstach den Ork mit seinem Schwert, oder besser gesagt Brieföffner, wie sie fand. Nun stand die kleine Gestalt allein dem Schänder gegenüber und man konnte ihm die Angst ansehen. Das war ihr Chance. Gwaen griff nach dem Schwert des Orks hinter sich auf dem Warg und trieb es ihm in den Leib. Dann durchtrennte sie ihre Fesseln und rannte auf Azog zu, welcher sie verwirrt ansah.
„ Du wirst ihn nicht töten du Abschaum. Nicht wenn ich es verhindern kann!", schrie die Elbin und hielt ihm bedrohlich ihr Schwert entgegen. Sie spürte die verwirrten Blicke des verängstigten Hobbits. Doch der bleiche Ork lachte nur und musterte sie abwertend.
„Wie will ein mickriges Elbenweib wie du mich aufhalten, jetzt wo du am wenigsten über deine Kräfte verfügst?"
„Finde es doch heraus oder willst du dich lieber hinter deinen Gefolgsleuten verstecken?!" Gwaen spie diese Worte förmlich aus und stürzte sich mit erhobener Klinge auf den Schänder. Dieser wollte sich mit dem Warg auf sie stürzen, doch sie wich geschickt aus und verpasste seinem Reittier einen langen Schnitt an der Schulter. Vor Schmerz jaulend warf sich der Warg auf Gwaen und sie spürte, wie ihre Füße durch Azogs Keule weggerissen wurden und stürzte hart auf den felsigen Boden. Doch als sie versuchte sich aufzurichten, stellte der Warg eine seiner schweren Pfoten auf ihren Oberkörper, was ihr alle Luft aus der Lunge trieb und sie sich keuchend unter dem Gewicht des Warges am Boden wand. Es war hoffnungslos, sie kam nicht unter dem Warg hervor. Panisch versuchte sie wieder Luft in ihre Lugen zu bekommen und an das Schwert zu gelangen, dass einen Meter von ihr entfernt lag. Zähnefletschend verharrte die blutverschmierte Schnauze des Warges über ihr, als Azog abstieg und um sein Reittier herum auf sie zukam. In diesem Moment erklangen laute Kampfrufe und die Zwerge stürzten sich auf die Orks. Vor Überraschung lockerte der Warg den Druck seiner Pfote und die Elbin schaffte es sich zu befreien. Hektisch sah sie sich um und atmete erleichtert auf. Der Hobbit stand unverletzt vor dem reglosen Körper Thorins und schlug sich verhältnismäßig gut für einen Hobbit. Die Zwerge schafften es die Orks ein wenig zurückzudrängen, als ein Schrei Gwaen herumfahren ließ. Azog kam mit zwei weiteren Orks auf sie zu gerannt und griff sie an. Den ersten Ork tötete sie mit einem gezielten Strich ihres Schwertes, mit dem sie ihm die Kehle durchschnitt. Sein dunkles Blut spritze ihr in das Gesicht, sodass sie den Angriff des zweiten nur knapp entgehen konnte, jedoch seine Klinge tief in das Fleisch ihres Oberschenkels schnitt, aus dem gleich das Blut lief. Sie schrie auf vor Schmerz und köpfte den Ork, musste sich dennoch darauf konzentrieren Azogs Hieben zu entgehen. Mal um Mal wich sie seiner Keule aus und parierte diese mit Schwertschlägen. Die Diebin drehte sich unter einem seiner Schläge weg und fügte ihm eine Wunde auf dem Brustkorb zu, die leider nicht tief genug war um ihm ernsthaften Schaden zuzufügen. Vor Wut brüllend hieb der Schänder noch heftiger auf sie ein, bis er sie seitlich traf und mehrere Meter durch die Luft schleuderte. Am Boden blieb sie reglos liegen. Sie hatte keine Kontrolle mehr über ihren Körper und ihr Atem ging stoßweise. Ihr Sichtfeld verdunkelte sich und die Geräusche der Kämpfenden drangen nur noch gedämpft an ihr Ohr. Sie hob abermals die schweren Lieder und sah in das entstellte, vom Feuer beleuchtete Gesicht von Azog, der sich über sie gebeugt hatte. Mit einem mal durchdrangen kreischende Laute das Kampfgeschrei. Azog richtete sich erschrocken auf und wich zurück. Über ihr erschien eine große braune Gestalt und schloss ihre Klauen um die Verletzte. Sie spürte noch wie sie sich auf einmal schwerelos fühlte und der Wind ihr durch ihre langen Haare wehte. Mehr bekam sie nicht mehr mit, bevor sie in die Dunkelheit entglitt.

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Die Tochter des Sturms (Fili FF)
FanficDie junge Elbin Gwaen schlägt völlig aus ihrer Rasse. Sie lebt nicht wie andere Elben in Königreichen, sondern in der Wildnis. Doch nicht nur das. Gwaen ist eine hervorragende Diebin. Jedoch wird sie mit einem Mal gewaltsam aus ihren Leben gerissen...