Frauen sind nicht wehrlos

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Es war außergewöhnlich warm für einen Herbsttag und Gwaen beschloss ein wenig die Sonne zu genießen. Sie setzte sich an einen großen Holzscheit gelehnt in das Gras und sah gedankenverloren in den Himmel. Während sie da saß dachte die Elbin über das Gespräch von Beorn und den Zwergen nach. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte sie nicht einmal gewusst was der genaue Plan Thorins war, lediglich das er den Berg zurückerobern wollte. Er hatte vor den Drachen zu töten und den Arkenstein zu finden, um so die sieben Zwergenkönigreiche zu vereinen. Doch Gwaen schien dieser Plan sehr schlecht durchdacht. Wie wollten sie Smaug töten, wenn sein Panzer doch undurchdringlich war? Wie wollten sie sich gegen die verteidigen, die zum Berg kommen und einen Teil des Schatzes einfordern würden? Und vor allem, wie wollten sie den Arkenstein in einem so riesigen Schatz finden? Sie wusste es nicht. Trotzdem wollte Gwaen sie begleiten. Einerseits wollte sie sich so dafür revanchieren, dass sie ihr das Leben gerettet hatten und andererseits wollte sie sich so ein Abenteuer nicht entgehen lassen. Doch als sie an Thorin, Balin und Dwalin vorbeigekommen war, hatte sie ein Paar Sätze von ihrer Unterhaltung aufschnappen können. Balin riet Thorin sie mitzunehmen, da sie schließlich eine Meisterdiebin sei und eine weiterer Meisterdieb die Chance den Stein zu finden erhöhte. Dwalin hingegen hatte verächtlich geschnauft und gemeint, dass sie schließlich eine Elbe sei der man nicht trauen könnte und noch dazu eine Frau. Thorin hatte geschwiegen und nur nachdenklich genickt. Die Elbin seufzte. Es hing alles davon ab ob Thorin sie für fähig hielt.
„Wieso bist du nicht bei deiner Gemeinschaft?" Die tiefe, heiser klingende Stimme Beorns ließ sie aus ihren Gedanken hochschrecken und sie riss den Kopf herum. Da stand Beorn und schaute auf sie herab. Seine raubtierähnlichen Augen waren durchdringend auf sie gerichtet.
„Ich gehöre nicht zu dieser Gemeinschaft. Und vielleicht werde ich das auch nie", antwortete Gwaen etwas kleinlaut. Der Hautwechsler lies sich neben ihr nieder und sah sie an. „Ich hatte mir schon gedacht das du nicht zu ihnen gehörst. Du siehst weitaus mitgenommener aus als die anderen, Tochter des Sturms." Gwaens Blick schoss zu Beorn, der sie amüsiert musterte.
„Wie hast du mich genannt? Woher weißt du wer ich bin?" „Ich habe dich gleich erkannt, als wir uns das erste Mal sahen. Ich kann mir nicht erklären warum, aber ich spüre eine Verbindung zu dir", erwiderte er ruhig. Sie betrachtete ihn nachdenklich. Also hatte er es auch bemerkt.
„Ich habe es auch gespürt. Als ich dich in der Bärengestalt durch das Fenster sah, war ich wie weggetreten. Irgendetwas scheint uns zu verbinden."
Beide saßen sie gedankenversunken da, als es Gwaen wie Schuppen von den Augen fiel. Seine eiserne Fessel.
„Woher hast du diese Fessel", fragte sie ihn neugierig. Sein Blick verdunkelte sich und seine Gesichtszüge wurden mit einem Mal furchtbar ernst. Hatte sie etwas falsches gefragt? Doch schließlich antwortete er und spie die Worte förmlich aus.
„Mein Volk lebte in den Bergen, ehe Orks angeführt von Azog dem Schänder uns überfielen und die meisten töteten. Einige ließ er jedoch am Leben. Zur Vergnügung. Er ließ uns foltern und ergötzte sich an unserem Leid. Eines Tages konnte ich fliehen und begann hier mein neues Leben, als letzter meiner Art."
Als er geendet hatte schaute die Elbin ihn entgeistert an. Azog hatte ein ganzes Volk ausgelöscht und das nur zum Vergnügen. Das war ihre Verbindung. Beide waren sie von Azog gefangen und gequält worden, obwohl Beorn Schlimmeres hatte durchleiden müssen. Mit erstickter Stimme wandte sie sich an den Hautwechsler.
„Auch mich hat Azog gefangen genommen. Er wollte meine Kräfte für sich nutzen. Als ich ihm nicht gehorchen wollte versuchte er meinen Willen zu brechen, doch ich gab nicht nach. Dann wurde ich bei dem Versuch ihn zu töten schwer verletzt und von den Zwergen gerettet. Doch etwas in mir ist zerbrochen. Ich kann den Wind nicht mehr zur Hilfe rufen." Beorns Gesicht wurde nun von Mitleid gezeichnet und er legt ihr seine riesige Hand auf die Schulter.
„Du darfst dich nicht aufgeben oder an dir zweifeln. Du hast ein starkes Herz und einen festen Willen. Dessen bin ich mir sicher. Du kannst deine Kräfte kontrollieren, wenn du nur den Mut nicht verlierst." Dankbar lächelte sie Beorn an. Er hatte ihr mit seinem Worten neue Hoffnung gegeben und sie ein wenig aufgebaut. Es schien ihr als sei ein Teil seiner enormen Kraft auf sie übergegangen.
Ein lautes Wiehern erklang und zog die Aufmerksamkeit der beiden auf das Tor vor Beorns Haus. Ein wunderschöner weißer Hengst kam auf den Hof getrabt, schaute sich kurz um und kam dann direkt auf sie zu. Beorn erhob sich und reichte Gwaen die Hand, um sie ebenfalls auf die Füße zu ziehen.
„Ich glaube er will zu dir." Damit drehte er sich um und verschwand hinter dem Haus. Verwirrt blickte Gwaen dem Pferd entgegen, bis es vor ihr zum stehen kam und sie neugierig musterte. Es war gesattelt und hatte Seitentaschen auf dem Rücken befestigt. An seinem Zaumzeug hing ein Stück Pergament mit einem Band befestigt. Neugierig löste die Elbin die Schnur und las den Inhalt des Zettels:

Die Tochter des Sturms   (Fili FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt