Lucy POV
Ich brauche ein paar Sekunden, bis ich endlich verstehe, wer da genau vor mir steht. Es war ja klar, dass es ausgerechnet Carlos Ex-Freundin sein musste. Aber was zum Teufel macht sie hier? Warum hat mir Carlo nie erzählt, dass er noch Kontakt mit ihr hat?
Immerhin muss ich zugeben, dass sie mir freundlich und nett erscheint. Es wirkt nicht so, als hätte sie böse Hintergedanken oder dass sie sonst irgendwie nicht erfreut ist, mich, Carlos neue Freundin, zu sehen. Trotzdem bin ich immer noch sehr eingeschüchtert von ihrer Präsenz und weiss nicht genau, was ich ihr antworten soll. „Schön, dich kennenzulernen", murmle ich und starre verlegen auf meine Füsse.
„Ich muss gestehen", beginnt sie, „dass ich schon echt viel von dir gehört habe. Es ist schön, dich endlich einmal von Angesicht zu Angesicht sehen zu können."
Ich schaue auf und sehe, dass sie ein warmes, herzliches Lächeln aufgesetzt hat. Ich erwidere ihr Lächeln und bleibe betreten stehen. Wer zur Hölle hat ihr von mir erzählt? War es Carlo? Und warum hat er mir nie davon erzählt? Es wäre doch nicht unwichtig, wenn man seiner Freundin nicht mitteilt, dass man noch Kontakt zu der Ex-Freundin hat!
Amanda räuspert sich, was mich merken lässt, dass ich mit meinen Gedanken abgedriftet bin. „Bist du hier um Carlo zu besuchen?", fragt sie mich höflich. „Er hat eben gar nicht erwähnt, dass er Besuch erwartet."
Ich schlucke und werde langsam unruhig. Es ist ja kein Wunder, dass Carlo ich nicht erwähnt hat. Er weiss ja gar noch nicht, dass ich hier bin. „Es soll auch eine Überraschung sein", kläre ich Amanda auf, verschweige ihr aber die Tatsache, dass Carlo höchstwahrscheinlich nicht sehr erfreut sein wird, mich zu sehen.
„Wie schön", meint Amanda, „ich bin mir sicher, er könnte ein bisschen Zeit mit seiner Freundin vertragen, denn seit ein paar Tagen scheint er sehr schlechte Laune zu haben."
Nach aussen lächle ich freundlich, während ich innerlich sehr betroffen bin. Das ist nur wegen mir, dass er schlecht gelaunt ist. Folglich wird das bevorstehende Gespräch bestimmt kein Zuckerschlecken. Aber trotzdem macht sich ein bisschen Hoffnung in mir breit, denn so wie es aussieht hat er noch keinem unsere Trennung verkündet und das kann nur etwas Gutes heissen.
Schon wieder bin ich komplett in meinen Gedanken versunken und habe deshalb nicht mitgekriegt, dass mir Amanda noch etwas gesagt hat.
„Carlo ist im Zelt gleich da vorne", wiederholt sie und deutet auf das Zelt aus welchem schon die ganze Zeit laute Musik erklingt.
„Danke", erwidere ich darauf und lächle sie dankbar an.
„Ich muss jetzt los, aber vielleicht sieht man sich noch", verabschiedet sie sich von mir und geht mit eiligen Schritten davon.
Ich warte noch ein paar Sekunden bis sie verschwunden ist, dann hole ich tief Luft und gehe auf das Zelt zu, während ich versuche, mein rasendes Herz zu ignorieren. Ich bin nur noch ein paar Schritte vom Zelt entfernt, als ich sehe sich etwas dahinter bewegt und jemand raus kommt. Als ich die erste braune Locke zu sehen kriege weiss ich sofort, dass es Carlo ist. Mit klopfendem Herzen bleibe ich stehen, um seine Reaktion abzuwarten.
Es dauert ein paar Sekunden, bis er mich entdeckt. Er bleibt sofort stehen und schaut mich ziemlich geschockt an. Als ich ihn genauer betrachte kriege ich weiche Knie. Nicht nur, weil ich ihn total vermisst habe und ihn jetzt total gerne umarmen würde, während ich mich an seinen riesigen, flauschigen Pulli kuscheln würde. Denn es tut mir richtig weh, dass er richtig fertig aussieht. Immerhin deuten seine tiefen, dunklen Augenringe an, dass ich nicht die einzige war, die mehrere Nächte wach gelegen hat und über unsere Beziehung nachgedacht hat. Ich bin ihm wohl noch nicht endgültig egal und das bedeutet mir schon unglaublich viel.
„Was willst du hier?", fragt er knapp.
Ich schlucke. Ich hätte gehofft, dass er mir den Start ein bisschen erleichtern würde. Aber da muss ich wohl durch, denn es ist ganz alleine meine Schuld. „Carlo, ich habe Mist gebaut", sage ich zaghaft und umgehe seine Frage. „Ich weiss, dass ich meinen Fehler in keiner Weise wieder gut machen kann, aber bitte, gib mir die Chance, es dir zu erklären und mich zu entschuldigen. Bitte!"
Er wendet seinen Blick nicht von mir ab und antwortet dann unberührt: „Da gibt es nichts zu erklären."
Langsam verliere ich auch das letzte kleine bisschen Hoffnung. „Doch Carlo, denn du kennst die Details nicht, was nicht unwichtig ist! Bitte hör mich an!", flehe ich schon fast.
„Ich brauche die Details nicht zu kennen. Und jetzt verschwinde schon, ich muss mich auf meinen Auftritt vorbereiten", mein er.
Ich spüre, wie die Verzweiflung in mir hoch steigt und ich langsam hysterisch werde. „Verdammt Carlo, ich habe mit diesem Typen doch nicht rumgeknutscht, unsere Lippen haben sich kaum berührt! Vielleicht ändert das nichts an der Sache, aber ich wollte einfach nur, dass du das weisst, bevor ich mich dann aus dem Staub mache!"
Es haben sich Tränen in meinen Augen angesammelt, die jetzt in kleinen Sturzbächen runterlaufen und auf mein Shirt tropfen. Warum tut das nur so weh? Wäre ich doch nicht so blöd gewesen! Ich liebe Carlo, auch wenn er manchmal ein Idiot ist!
„Du hast Recht, das ändert nichts an der Sache. Ich wünsche dir noch ein schönes Leben und jetzt bitte entschuldige mich", sagt er bestimmt und bahnt sich einen Weg an mir vorbei. Er lässt mich eiskalt stehen. Ich bin ihm wohl tatsächlich egal.
Ich merke, dass ich mich nicht länger auf den Beinen halten kann und sitze deshalb auf den erdigen Untergrund. Es ist mir egal, dass meine Hosen schmutzig werden. Alles was in diesem Moment zählt ist Carlo. Ich schlinge meine Arme um meine Beine und lege meinen Kopf auf meine Knie, während ich meinen Tränen freien Lauf lasse. „Ich liebe dich Carlo", flüstere ich, obwohl ich weiss, dass er mich nicht hören kann.
„Lucy, bist du das?", höre ich plötzlich eine Stimme neben mir. Mit einem Ruck richte ich mich auf und wische mir kurz über die Augen, denn hasse es, in der Öffentlichkeit zu weinen. Und da steht mir plötzlich ein sehr grosser Markus gegenüber. Irgendwie hatte ich ihn nicht so gross in Erinnerung.
„Was ist denn? Hast du mit Carlo gesprochen?", fragt er, netter als ich erwartet hätte. Ich habe angenommen, dass er sich auf die Seite seines besten Kumpels stellen würde und mich genauso kalt anstarren würde.
„Ja", murmle ich, „also gesprochen kann man nicht wirklich sagen. Er hat mir keine Möglichkeit gegeben, es ihm zu erklären."
„Gibt es denn überhaupt etwas zu erklären?", hakt Markus nach und ich nicke. Er scheint darauf hin zu überlegen und meint dann: „Willst du dich nicht zu uns ins Zelt setzen, dann kannst du es mir erklären."
Ich bin ihm unglaublich dankbar, dass er so nett ist und mir die Chance gibt, die Situation zu erklären, aber ich will auf keinen Fall ins Zelt zu den anderen, wo ich vielleicht schon als Schlampe abgestempelt wurde.
„Lieber nicht, ich will nicht, dass mich alle so sehen", antworte ich schüchtern und betrachte meine schon ziemlich dreckigen Converse.
„Kein Problem", entgegnet Markus und lächelt sogar ein kleines bisschen. „Dann setzen wir uns eben auf den Boden. Aber warte kurz, ich hole uns ein Bier, das hilft bestimmt!"
Dankbar lächle ich ihn an und setze mich wieder. Er verschwindet kurz im Zelt, gesellt sich aber kurz später wieder zu mir und gibt mir eine Dose Bier. Ich öffne sie schnell und nehme einen grossen Schluck und erzähle ihm, dass dieses Missgeschick nur passiert ist, weil Carlo und ich Streit hatten und ich schon ein bisschen angetrunken war. Ausserdem betone ich, dass es kein richtiger Kuss war und nicht einmal eine Sekunde war.
„Ach, ich bereue es so sehr!", seufze ich und vergrabe mein Gesicht in meinen Händen.
„Kopf hoch Lucy, du darfst die Hoffnung nicht aufgeben!", versucht mich Markus aufzumuntern. Es ist echt lieb, dass es versucht, aber ich weiss, dass ich dieses Mal richtig Mist gebaut habe.
***
Denkt ihr, dass sich Lucy & Carlo trotzdem bald versöhnen? ;-)Wie gefällt euch das Kapitel sonst so?
Übrigens danke für die vielen Kommentare beim letzten Kapitel. Schaffen wir hier wieder so viele? :-)
xx Lulu
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Was wär das Leben ohne dich? (CRO FF)
Fanfiction(FORTSETZUNG VON: "Ich kann nichts dagegen tun") Wenn das Leben plötzlich kompliziert wird... CRO Fanfiction © - Copyright 2016 - dieggedis143