Carlo POV
Ich entferne mich mit grossen Schritten vom Zelt und suche den Zigaretten-Automat auf. Währenddessen versuche ich meine Gefühle zu unterdrücken, was in den letzten Tagen ganz gut geklappt hat. Aber jetzt, da Lucy plötzlich hier ist, kommen alle Gefühle und Erinnerungen wieder hoch. Warum verdammt nochmal hat sie diesen Typen geküsst?
Ich schlucke, denn es macht sich ein schlechtes Gewissen in mir breit. Diesen Gedanken hatte ich schon öfter, aber erst jetzt schenke ich ihm richtig Beachtung. Vielleicht habe ich Lucy die ganze Zeit als selbstverständlich betrachtet. Ich bin davon ausgegangen, dass sie mich so sehr liebt, mich immer versteht und mir oft Recht gibt, um Konflikten aus dem Weg zu gehen. Sie hat mir immer mehr gegeben, als ich ihr je zurückgeben konnte. Und das war mir schon die ganze Zeit bewusst. Jedes Mal wenn ich ein schlechtes Gewissen hatte, habe ich ihr ein Geschenk gekauft oder ging mit ihr in ein teures Restaurant essen, um mein Gewissen zu beruhigen.
Aber sie hat mich durchschaut und dass sie diesen Typen geküsst hat war ihre Art, mir zu zeigen, dass ich mich mehr um sie bemühen soll. Ich spüre, wie sich langsam die ganze Enttäuschung in Wut auf mich selbst verwandelt.
Energisch werfe ich ein paar Münzen in den Automaten, drücke auf einen Knopf und bücke mich, um das Päckchen rauszuholen. Mit den Zigaretten in der Hand will ich mich an das nahe gelegene Waldstück begeben. In diesem Moment fällt mir auf, dass ich gar kein Feuerzeug dabei habe. Fuck! War ja klar, dass das ausgerechnet jetzt sein musste.
Schon fast hilflos schaue ich mich um und erblicke Amanda, die auf mich zukommt. „Ama, hast du Feuer?", rufe ich ihr zu. Sie nickt und streckt mir ihr rosafarbenes Feuerzeug hin, welches ich ihr einmal aus Barcelona mitgebracht habe.
„Hast du nicht Besuch von deiner Freundin?"; will sie neugierig wissen.
„Doch, antworte ich kurz angebunden und zünde meine Zigarette an. Ich nehme einen Zug, dann gebe ich ihr das Feuerzeug zurück.
Sie lässt aber nicht so schnell locker. „Was ist passiert?"
„Ich will nicht darüber reden", murmle ich. Jetzt will ich mich einfach nur ablenken und nicht nachdenken.
Es scheint mir fast so, als könnte Amanda meine Gedanken lesen, denn sie meint: „Wenn du willst kannst du auch zu Ralf und seinen Jungs mitkommen. Sie haben reichlich Alk und Güz."
Ich verziehe keine Miene, nehme einen letzten Zug von der Zigarette, bevor ich sie auf den Boden werfe und zertrete. Dann folge ich Amanda, die schon vorgegangen ist.
An der Waldlichtung, da wo ich vorhin sowieso hin wollte, sitzen drei Typen im Gras und scheinen sich über etwas kaputt zu lachen, was ich aber durch die dicken Rauchschwaden hindurch nicht erkennen kann.
Als ich bei ihnen angelangt bin, begrüssen sie mich mit einem Handschlag. Ich sage nichts, schnappe mir aber eine Flasche Wodka und setze mich ein paar Meter von ihnen entfernt auf den Boden. Amanda hat sich in dieser Zeit eine Zigarette angezündet und setzt sich zu mir hin.
Eine Weile sitzen wir nur schweigend da, bis sie ihren Kopf leicht zur Seite neigt. Eine Angewohnheit von ihr, wenn sie misstrauisch ist. Dann fragt sie zögernd: „Hast du nicht gleich noch einen Auftritt?"
„Doch", murmle ich und trinke einen grossen Schluck Wodka. „Ich habe vermutlich den Soundcheck verpasst, aber das ist nicht weiter schlimm. Und der Auftritt ist ohnehin erst in ein paar Stunden."
Sie nickt und schenkt mir ein Lächeln. Jetzt weiss ich wieder, was ich früher an Amanda so geschätzt habe. Sie ist wie ein bester Kumpel für mich, natürlich einfach in weiblich. Aber sie ist genauso locker, gechillt und cool drauf wie meine Jungs. Nur hat sie eben einen geilen Arsch und ist ziemlich gut im Bett.
Ich bin selbst ein bisschen verwundert, dass ich auf solche Gedanken komme, vor allem weil sie eben meine Ex ist und wir uns schon vor über einem Jahr getrennt haben. Das muss wohl am Alkohol liegen, denn ich habe innerhalb kurzer Zeit schon fast die halbe Flasche geleert.
Gerade als ich einen weiteren Schluck trinken will, schliessen sich Amas Finger um die Flasche und ziehen sie weg. Empört schaue ich sie an, weiss aber nicht was ich sagen soll, da alle Wörter wie aus meinem Gehirn gefegt sind.
„Es bringt nichts, wenn du dich jetzt voll laufen lässt", meint sie vorwurfsvoll. „Irgendwann wirst du dich der Realität stellen müssen."
Das ist mir ja bewusst, aber ich will das nicht jetzt tun müssen. Jetzt will ich nur meine Ruhe. Und im Moment sind mir die Gefühle noch immer im Weg, obwohl ich schon eine halbe Flasche Wodka getrunken habe.
„Hast du mir einmal einen Zug?", frage ich Ralf und deute auf den Joint in seiner Hand. Er nickt und streckt seine Hand aus, als sich plötzlich Amanda wieder einmischt. Warum nervt die Olle plötzlich so? Gerade eben fand ich sie doch noch cool und gechillt.
„Ama, was soll das? Warum bist du so zickig?", schnauze ich sie an.
Sie hält inne und antwortet mir dann schnippisch: „Ich bin nicht zickig. Ich versuche dir zu helfen, aber wenn ich dich ja nur nerve kann ich auch gleich aufhören." Mit diesen Worten geht sie zu Ralf, setzt sich neben ihn und kuschelt sich an meine Brust. Das würde Lucy jetzt bestimmt auch tun, wenn sie hier wäre. Aber ich bin ja alleine.
Und mit einem Mal werde ich von einer riesigen Sehnsuchtswelle überfallen.
***
Wie gefällt euch das Kapitel aus Carlos Sicht? :-)
Ich freue mich übrigens riesig über ganz viele Kommentare! :P
xx Lulu
DU LIEST GERADE
Was wär das Leben ohne dich? (CRO FF)
Fanfiction(FORTSETZUNG VON: "Ich kann nichts dagegen tun") Wenn das Leben plötzlich kompliziert wird... CRO Fanfiction © - Copyright 2016 - dieggedis143