Kapitel 28 Wenigstens gibt es etwas Gutes

4.2K 184 8
                                    

Summer:

Liebes Tagebuch
25.12.16

Heute ist Weihnachten. Ich liebe Weihnachten. Die ganze Familie ist beisammen. Alle haben sich für einen Tag gern. Es gibt leckeres Essen und es gibt Geschenke.

Dieses Jahr wird es anders sein. Dieses Jahr wird es leckeres Essen geben. Es wird Geschenke geben. Alle werden sich gern haben. Aber dieses Jahr wird nicht nur die Familie da sein sondern auch meine engsten Freunde und ihre Familien.
Okay nur Alex und Emma.

Früher habe ich sehr viele Menschen als enge Freunde bezeichnet. Und ich habe von allen gedacht sie würden egal wann zu mir halten.

Ich sollte jetzt nicht rum jammern das sie nicht zu mir gehalten haben denn ich wollte ja am Anfang das jeder geht aber trotzdem habe ich irgendwie mehr erwartet.

Auf jeden Fall ist Weihnachten. Und ich feiere dieses schöne Fest mit den Menschen die ich am meisten liebe. Und so ist es perfekt.

Übrigens tut mir das Tagebuch schreiben gut. So habe ich das Gefühl einen Teil meiner Seele bei den Menschen zu haben die ich liebe, wenn ich sterbe.
Sie können es lesen und all meine Gedanken in voller Pracht analysieren. Sie können mich in Erinnerung halten.

Ich weiss nicht ob das selbstsüchtig oder arrogant ist das ich möchte das ich für immer in ihren Herzen bleibe aber so ist es halt. Ich möchte nicht in Vergessenheit geraten bei den Menschen die ich liebe. Aber gleichzeitig möchte ich das sie leben und weiter lieben und nicht trauern.
Ich bin so durcheinander in meinem Kopf herrscht einen Sturm den ich nicht überleben werde.

(Normale Sicht)

Der Duft von Gemüsseauflauf steigt mir in die Nase. Früher hätte ich mich um den Auflauf geprügelt heute wird mir schlecht nur wenn ich ihn sehe. Nicht weil ich ihn nicht gerne mag sondern weil ich in letzter Zeit nichts essen kann.
Ich muss immer aufs Klo rennen um zu verhindern das ich irgendwo hin reier. Genauso dieses mal.

Ich jogge so gut es geht zum Klo. Jeden Tag merke ich wie ich schwächer werde. Meine Muskeln fühlen sich wie Gummi an.

Ich knie mich vor die Schüssel. Nur kommt nichts raus. Ich habe nur einen Würgreflex. Irgendwie ist es deprimierend erbrechen zu müssen aber doch nicht weil man wegen dem Essen erbrechen muss aber doch nichts zu erbrechen.

Ich drehe mich wieder um und lehne mich an der Schüssel an.

„Sollen wir das Essen hier her verschieben?" Alex ist so lieb. Er versucht mich jeden Tag etwas zum Lächeln zu bringen. Aber um ehrlich zu sein muss er mal zum Lächeln gebracht werden. Doch ich schaffe es nicht. Im Gegenteil wenn er mich ansieht sehe ich nichts ausser Traurigkeit und Angst.

„Ich denke wir bringen hier nicht 20 Leute rein." Ich versuche fröhlich zu klingeln.

Es war schon mühsam überhaupt 20 Leute ins Haus und dann noch ins Esszimmer/Wohnzimmer zu quetschen.

Alex setzt sich neben mich. „Das werden meine letzten Weihnachten sein." Ich schaue ihm tief in die Augen, „Ich werde nie mehr Weihnachten feiern können ausser Heute." „Ohh Summer..." „Nein sag nichts. Ich muss diese Weihnachten geniessen und nicht neben einem Klo sitzen und mich über mein Leben beschweren." Zum ersten Mal seit langen Lächelt er mich richtig an. „Hilf mir hoch."

Er steht auf. Umschliesst leicht meine Hand. Sofort spüre ich das prickeln auf der Haut, mein Herz hüpft schnell auf und ab. Ich fühle mich wie an unserem ersten Date. Ich war dort so glücklich, so, so glücklich. Es gab nichts was mir nicht gelang. Es war schlicht weg perfekt. Klar hatte ich ein paar kleine Probleme. Aber wenn ich diese jetzt so anschaue sind diese kleinen Probleme nichts. Sie sind zum lachen. Sie sind so erbärmlich.

Federleicht zieht Alex mich hoch. Er will gerade losgehen. „Alex." Stoppe ich ihn. „Ja?" „Ich liebe dich." In meinen Augen bilden sich Tränen. „Ich liebe dich so so fest. Du bist so wundervoll. Ich wüsste nichts was ich an dir auszusetzten habe. Und es tut mir leid. Es tut mir leid das ich dich so früh verlasse. Es tut mir leid das wir kein gemeinsames Leben haben können. Es tut mir leid das ich egoistisch bin und dich nicht gehen gelassen habe. Es tut mir leid das ich dich liebe." Eine Träne fliesst mir die Wange runter.

Er schaut mich schweigend an, wischt mir die Tränen weg und schliesst mich in seine Arme. „Entschuldige dich nie dafür das du jemanden liebst. Entschuldige dich für Garnichts. versprich mir das? Entschuldige dich nie mehr für etwas was du nichts kannst. Den ich liebe dich viel zu fest um diese Entschuldigungen zu akzeptieren." Er streicht mir über meine schon ein Zentimeter langen Haare. „Du machst es nur noch schlimmer." Sage ich lachend und weinend gemischt.

Wir gehen ins Esszimmer. Mir ist immer noch schlecht aber einen Würgereiz kann ich unterdrücken.

„Möchtest du was Essen Maus?" fragt mich Mom zart. Ich schüttle nur halb lächelnd den Kopf.

Ich lasse meinen Blick über die Runde schweifen.

Da sind zum einen Emma und ihre Familie. In der anderen Ecke sitzt Alexs Familie und dann kommt noch meine Familie. Die Gespräche werden kreuz und quer über den ganzen Tisch geführt.

„Du kannst dich zwischen mir und Alex setzen." Dad zeigt auf den noch unbesetzten Stuhl. Das Geschirr ist wunderschön angerichtet.

Ein wenig schwächlich ziehe ich den schweren Stuhl zurück. Meine bereits knochige Gestalt setzt sich.

Dad ergreift sofort meine Hand. Das macht er in letzter Zeit öfter. Ich vermute er beobachtet meinen Puls. Er leidet mehr unter der Situation als er zugibt.

„Deine Hand ist kalt." Stellt er besorgt fest. Ich nicke leicht. „Mir ist in letzter Zeit immer kalt."

„James deinen Teller bitte." Unterbricht uns Mom. Er reicht  ihn ihr lächelnd.

Komischerweise habe ich das Gefühl meine Krankheit hat sie näher aneinander geschweisst. Es ist sonst oft anders. Aber ich bin froh darüber. Sogar sehr froh.

Wenigstens gibt es etwas Gutes.

Forget Me!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt