Kapitel 21 Wenn ich könnte würde ich für sie sterben

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Alex:

Ich sitze gelangweilt im Unterricht. Ich spiele etwas mit meinem Stift, schaue ihm Raum herum und beobachte Summer, die am anderen Ende des Raumes sitzt, neben Emma. Sie sieht so unbeschwert aus. Ich frage mich jeden Tag aufs Neue wie sie das macht. Wie sie das alles erträgt. Ich würde aufgeben doch sie kämpft weiter und das Tag für Tag.

Sie macht sich gerade Notizen. Ich weiss nicht warum denn sie versteht das Thema. Naja sie versteht alles in Physik. Irgendwie hat sie keine Schwierigkeiten mit diesem Fach. Ich habe keine Ahnung wie man dieses Fach verstehen kann. Es fühlt sich so an als könnte Summer alles.

Vielleicht kann sie auch alles. Aber sie hat nicht alles.

Sie schaut konzentriert nach vorne. Ich bekomme schon längst nichts mehr vom Unterricht mit.

Mein Blick wandert von ihrer Hand die gerade etwas aufschreibt, zu ihrem Arm hoch, danach mustere ich ihr konzentriertes Gesicht. Mein Blick wandert weiter über ihren Kopf. Zum gefühlt Millionsten mal lese ich das Zitat. Es ist schon einige Tage her seit sie das hat. Das Pflaster welches drauf war konnte sie schon wegnehmen und rot ist es auch nicht mehr.

Ich starre sie weiter an. Wie werde ich es ertragen können wenn sie weg ist? Ich liebe sie mehr als ich beschreiben kann. Wenn ich könnte würde ich für sie sterben. Sie hat das nicht verdient.

Nach weiteren 5 Minuten tropft etwas Rotes auf ihre Notizen. Sofort springe ich auf. Die ganze Klasse schaut in meine Richtung, Mr. Miller hört auf mit sprechen. "Was.." beginnt er. Doch ich renne zu Summer, schiebe ihren Stuhl ins freie und hebe sie hoch. Ich trage sie aus dem Klassenzimmer, ihre Beine hängen auf der einen Seite herunter und den Oberkörper stütze ich mit dem anderen Arm.

Sie schaut mich nur besorgt an. Ihre Nase hält sie mit einer Hand zu. "Was soll ich machen?" frage ich voller Panik, "Wo soll ich hin? Ins Krankenhaus? Ist es schlimm? Was soll ich machen? Gehts dir gut? Brauchst du ein Taschentuch? Blöde Frage. Was soll..." " Beruhig dich Alex. Bring mich erstmal aufs Klo." Ich sehe sie panisch an. "Ich rufe einen Krankenwagen. Aber wenn der zu spät da ist? Kannst du verbluten? Ich fahre dich selber zum Krankenhaus. Geht das schneller? Was soll...." "Alex!" Brüllt sie mich an, "Beruhig dich!" Sie schaut mich mit einem Blick an was so viel heissen soll wie "Ist doch nicht schlimm. Ich sterbe nur." "Lass mich erst einmal runter. Es ist nur Nasenbluten, wenn es in fünf Minuten nicht aufhört oder sogar schlimmer wird kannst du mich ins Krankenhaus fahren. Ich habe morgen sowieso eine Chemo." Ich nicke leicht.

Sie hat mich etwas beruhigt aber trotzdem nehme ich ihre Hand, die voller Blut ist, ist mir aber egal und gehe mit ihr aufs Mädchenklo.

Dort angelangt nehme ich mir Tücher, mache sie nass und lege sie Summer auf Nacken und Stirn. "Meine Mom sagte mal das sollte helfen aber ich habe keine Ahnung ob das stimmt." Schnell nehme ich weitere Tücher, mache sie nass und wische das Blut in Summers Gesicht weg. Nur nützt das nicht viel weil immer wieder neues kommt. "Ich bringe dich ins Krankenhaus, keine Wiederrede." Sofort nehme ich sie wieder auf meine Arme. Die eine Hand ist immer noch Blutverschmiert.

"Du machst ein viel zu grosses Ding daraus. Es ist nur Nasenbluten." Sie hält sich wieder die Nase zu.

Beim Auto angekommen setze ich sie sanft rein. Ich renne auf die andere Seite, hüpfe ins Auto und rase los.

Die ganze Fahrt über sagen wir kein Wort. Schon nach 10 Minuten sind wir angekommen.

Gefühlt ihr ganzer Körper ist Blutüberströmt.

Ich renne mit ihr ins Krankenhaus, schnell kommen Ärzte angestürmt. Der eine sagt gleich: "Sie heisst Summer Molan. Einer meiner Leukämie Patientinnen." Danach kommt eine Krankenschwester zu mir. "Würden sie bitte in einem Wartebereich warten." Ich nicke leicht.

Geschockt laufe ich langsam los. Meine Hand ist immer noch voller Blut aber dies ist mir im Moment egal.

Als ich nach einer gefühlten Stunde im nächstgelegenem Wartebereich angekommen bin zücke ich zitternd mein Handy und rufe Mrs. Molan an.

"Ist was passiert Alex?" fragt sie mich gleich ohne um den heissen Brei herum zu reden. "Summer sie, plötzlich hat sie, sie sie hat Nasenbluten bekommen. Ich bin im Krankenhaus." Ich höre nur noch ein Piepen.

Besorgt wuschle ich mir durch meine Haare. Mit meinem Fuss wippe ich wie verrückt hin und her, Meine Nägel müssen auch dran glauben.

Doch nach 30 Minuten bin ich halbwegs erlöst. Mrs. Molan kommt zu mir. Sie sagt nichts aber doch schon ihre Anwesenheit beruhigt mich.

Nach 5 Minuten bricht sie die Stille: "Sie hat sehr glück mit dir. Ich kann mir nicht ausmallen wie viele Jugendliche in deinem Alter sie alleine gelassen hätten. Aber wie ich dir das schon einmal gesagt habe, ich würde es verstehen. Ich würde auch am liebsten weg rennen und wer weiss wenn ich es könnte würde ich vielleicht. Aber ich kann nicht. Ich bewundere dich sehr."

Sie ist wieder still aber schon nach kurzer Zeit beginnt sie wieder, "Warum hast du es nicht einfach gelassen? Warum bist du obwohl sie bald sterben wird geblieben? Sie hat dir die Changse gegeben zu gehen?" Ich schaue auf meine Blutverschmierten Hände. "Ich liebe sie und nicht nur ein bisschen wie es in meinem Alter oft so ist. Ich liebe sie von tiefsten Herzen, ich kann mir ein Leben ohne sie gar nicht vorstellen und wenn ich vor die Wahl gestellt werde: Ein einfaches aber unerfülltes Leben ohne Summer oder zwei harte Jahre mit Summer dann nehme ich mit Freude die zwei Jahre mit ihr."

"Hast du nie daran gedacht das dass sehr naiv von dir ist?" Ich schüttle meinen Kopf. "Du bist sehr bewundernswert. So viel besser als ich war."

Was?

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