»Das ist so ein beschissener Sport und so ein beschissenes Date.«

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  »Wo willst du denn nun mit mir hin?«, grummelnd streckte ich meine Beine durch den halben Fußraum des Leihwagens und spielte die nörgelnde. Ich konnte Überraschungen nicht ausstehen. Überraschungen hatten zwar diesen Effekt, dass einem am Ende das Herz aufging und man sich absolut freute, doch auf der anderen Seite konnten Überraschungen auch einfach nur grausam sein. Ich wollte in der Zeit im Auto nicht damit kämpfen, zu hoffen, dass Basti sich etwas Tolles ausgedacht hatte. Wir hatten viel miteinander gesprochen und eigentlich müsste er auch wissen, was ich mochte und was nicht, doch trotzdem war ich nicht sonderlich überzeugt davon, dass ich Basti am Ende sprachlos um den Hals fallen würde. Ich wollte doch einfach nur wissen, was auf mich zukam.
»Liv, das werde ich dir auch nach dem zehnten Mal fragen nicht beantworten. Du wirst das gleich sehen.«, verschwörerisch grinste er mich an und drückte über den Schalthebel in der Mitte hinweg kurz meine Hand. »Wie findest du eigentlich meine Verkleidung?«
Ich musste kurz auflachen und wunderte mich, wie schnell Basti mich von einem Thema ablenken konnte. »Dein Armdings hier«, ich zupfte an dem dünnen bemalten Stoff, den er sich über den Arm gezogen hatte, herum. »find ich sehr gewöhnungsbedürftig.«
»Das ist ein Tattoo-Arm und den habe ich mir mal extra in einem Scherzartikel-Laden gekauft. Und jetzt weiß ich auch warum ich mir den damals gekauft habe.«, Basti lugte stolz auf seinen Arm, der durch seinen Scherzartikel aussah, als wäre er von oben bis unten mit verschiedenen Motiven tätowiert, und brachte im nächsten Moment schon das Auto zum Stehen.
»Na ja, jedenfalls gefällt mir der Rest der Aufmachung besser.«, lachte ich und schüttelte den Kopf.
»Du stehst also drauf, wenn ich Sonnenbrille und Mütze trage?«, er zog den Schlüssel aus dem Zündschloss und beugte sich leicht zu mir herüber. Er hatte den Wagen vorwärts in eine Parklücke gelenkt und ich konnte immer noch nicht sehen, wo wir gelandet waren. Büsche vor uns und Büsche rechts und links neben uns. Seufzend drehte ich meinen Kopf zu Basti.
»Ich steh sogar auf dich, wenn du dieses komische Ding anhast.«, ich zupfte erneut an seinem Arm und grinste ihn an.
»Vielleicht überrasche ich dich heute Abend mal mit diesem Ding.«, er grinste mich ernst an, brachte kurz darauf aber ein Lachen über die Lippen, als er meinen geschockten Blick sah. »Keine Angst.«
»Bei dir weiß man nie, Basti.«, ich hob meinen Finger und sah kurz zur Seite. »Sagst du mir denn jetzt endlich, wo wir hier jetzt angekommen sind?«
»Du kannst eine echte Nervensäge sein!«, schnell drückte er mir einen Kuss auf die Lippen und entfernte sich nur ein Stück von meinem Gesicht. Ich konnte noch immer seinen Atem spüren, als er weiter sprach. »Vielleicht wollte ich dich auch einfach nur auf einen einsamen Parkplatz entführen und die letzte Nacht wiederholen.«
Urplötzlich wurde ich wieder rot und entwich verlegen seinem Blick. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte und kam mir plötzlich so prüde vor, dass es mir fast peinlich war.
»Sprache verschlagen?«, Basti kicherte leicht und hob meinen Kopf mit seiner Hand an, damit ich ihm wieder in die Augen sehen musste.
»Man Basti, du.. «, ich stoppte und sah sein Gesicht wieder so unglaublich nah vor meinem. Dass er diese Position, gebeugt über die Mittelkonsole, nicht langsam unbequem fand, wunderte mich. »du bringst mich irgendwie total durcheinander.«, rückte ich mit der Sprache raus und schlug ihm unsicher gegen seinen Oberarm.
»Weil ich von unserem ersten gemeinsamen Sex rede?«, lächelnd und gleichzeitig überrascht, sah er mich an und strich mir leicht über die Wange.
»Nein, weil du.. keine Ahnung. Weil das alles gerade passiert und weil.. weil ich dich mag.«, stotterte ich und riss im nächsten Moment die Autotür auf, um dieser Situation zu entgehen, und hüpfte aus dem Auto. Als ich die Tür zugeschlagen und ich meine Haare zu einem hohen Dutt zusammengebunden hatte, stand Basti auch schon wieder vor mir.
»Du bist unglaublich süß, weißt du das eigentlich?«, er hatte wieder dieses Kichern drauf, sah mich für einen Moment kopfschüttelnd an und ging schon voraus. »Komm, sonst platzt du bald vor Neugierde.«

»Und, gefällt es dir?«, Basti grinste mich breit an und legte seinen Ball auf den Tees, der im Rasen steckte, um seinen nächsten Schlag vorzubereiten.
»Ja.«, brachte ich gequält rüber und versuchte so echt wie möglich zu wirken. »Ja, es ist wunderbar. Bei dem schönen Wetter gibt es schließlich nichts Besseres, als in der prallen Sonne zu stehen.«, es schwang ein wenig Ironie in meinen Worten mit, die ich zu unterdrücken versuchte. Genau davor hatte ich Angst gehabt. Basti hatte mich ernsthaft zu einem Golf-Date entführt. Mit langweiligen Spießern auf einem spießigen Golfgelände schweigend den Bällen einen Schlag verpassen, um sie meterweit über das Gelände zu jagen. Ich hatte keine Ahnung von Golf, weil ich den Sport absolut eintönig und langweilig fand, und konnte nur mit Mühe und Not vor Basti vertuschen, dass es das wohl schlimmste Date in meinem ganzen Leben war. Zwar war das Date mit ihm, doch trotzdem konnte ich dem Ganzen nicht viel abgewinnen. Ich konnte mir kaum vorstellen, dass er das alles spaßig fand. Aber man lernte halt immer wieder neue Seiten an einer Person kennen.
»Ich kann beim Golf einfach immer so gut abschalten und gerade jetzt in der Zeit gibt es nichts Entspannenderes.«, Basti schien so unglaublich zufrieden mit der Situation zu sein. Irgendwie machte es mich wütend, dass er nicht zu bemerken schien, wie unglaublich bescheiden ich das alles fand und quetschte mir nur ein Lächeln auf die Lippen, ehe ich vom Thema ablenkte.
»Hast du Jogi eigentlich Bescheid gegeben?«
»Nein.«, Basti schlug konzentriert hinter den Ball und blieb mit dem Schläger in beiden Händen über der Schulter haltend stehen, um ihm nachzusehen, wie er in der Weite verschwand.
»Vielleicht sollten wir lieber zurückfahren. Ich habe keine Lust, dass Jogi sich noch irgendwelche Gedanken macht und wir am Ende noch Ärger bekommen, Basti.«, versuchte ich es mit der Masche der sorgenvollen, die Ärger aus dem Weg gehen wollte, und war schon drauf und dran, meinen Golfschläger zurück in den Golfbag zu stecken, als Basti mich zurückhielt und ich enttäuscht darüber, dass mein Plan nicht aufzugehen schien, die Schultern hängen ließ.
»Ich habe ihm einen Zettel geschrieben und auf den Schreibtisch gelegt. Das dürfte schon gut gehen. Und wenn – du darfst das Gelände ja sowieso verlassen, also würde nur ich den Marsch geblasen bekommen.«, beruhigte er mich. Vergeblich.
»Na aber Basti, wir hängen da beide drin. Du hast mich hier.. zu diesem Date entführt.«, ich konnte es kaum über die Lippen bringen und aus tiefstem Herzen glücklich sein. Ich dachte, dass es zwischen uns endlich perfekt und schön werden würde, doch anscheinend gehörte zu unserem Perfekt auch so etwas. Dinge, die einer mochte und der andere verabscheute. Dinge, die ungeklärt waren und blieben und die man als nicht unbedingt glücklicher Teil einfach so hinnahm.
»Liv, mach dir nicht so viele Gedanken. Wir wollten uns heute einfach mal gar keine Gedanken über irgendetwas machen. Schon vergessen? Wir wollten das hier genießen.«, Basti stützte sich leicht auf seinem Golfschläger ab und sah mich ermahnend mit schief gelegtem Kopf an.
»Ja, wir.. wir genießen das einfach.«, lächelte ich und nickte bestimmend mit meinem Kopf. Irgendwie erhoffte ich mir, dass ich es wirklich anfing zu genießen, wenn ich es mir immer öfter einredete.
»Super!«, Basti zog sich sein Cap noch weiter ins Gesicht und sah mich zufrieden an. »Dann bist du jetzt wieder an der Reihe. Und jetzt will ich aber einen super Schlag sehen, Liv!«
Ich griff meinen Schläger so, wie Basti es mir zuvor gezeigt hatte, stellte mich seitlich und breitbeinig vor den Tees mit dem Ball und holte Schwung, um im nächsten Moment hinter den Ball zu schlagen. Ich traf nicht und spürte, wie die Unlust mich innerlich zum Brodeln brachte. Ich wiederholte den Schwung und schlug noch einmal hinter den Ball. Ich traf wieder nicht und platzte wie auf Knopfdruck.
»Man Bastian!«, fuhr ich harsch herum, als ich aus seinem Mund ein »Ohh!« hörte. Ich hatte ihn noch nie mit seinem vollen Namen angesprochen, was mir zeigte, wie wütend ich wirklich war. Genervt schmiss ich meinen Schläger auf den grünen Rasen und stemmte meine Hände in die Hüfte. »Das ist so ein beschissener Sport und so ein beschissenes Date, dass ich schon schlechte Laune bekomme. Ich will mir mit so einem spießigen Sport nicht die Zeit vertreiben! Lass uns Fußball spielen gehen, lass uns Bouldern, einfach nur rum laufen, Fahrrad fahren oder meinetwegen auch.. auch Football spielen, aber nicht so was hier!«, wütend riss ich mir während meines Gefühlsausbruchs den Handschuh von meiner schwitzenden Hand und schmiss ihn neben den Schläger.
»Liv!«, Basti lachte so laut, dass es mich nur skeptisch meine Augenbrauen zusammenziehen ließ.
»Warum lachst du jetzt so bescheuert? Ich finde das alles andere als lustig!«, ich trottete an ihm vorbei und setzte mich in das Golfauto und verschränkte meine Arme noch immer wütend vor der Brust. Ich wollte hier einfach nur weg.
»Ich lache so bescheuert, weil ich einfach nur drauf gewartet habe, dass du völlig durchdrehst und mich anbrüllst.«, er lachte noch immer und schien sich kaum noch einzukriegen. »Ich wusste, dass du mir am liebsten den Kopf abreißen würdest, als du gesehen hast, dass ich dich zu einem Golfplatz geschleppt habe.«
»Und warum erlöst du mich dann verdammt nochmal nicht von dem Ganzen hier? Macht dir wohl Spaß mich zu quälen.«, trotzig entwich ich seinem Blick.
»Ich finde es interessant mal eine andere Seite von dir kennen zu lernen. Ich kenne dich als Liv, die unglaublich viel mit ihren Gefühlen rund um mich beschäftigt ist. Aber ich habe dich noch nie in so einer.. so einer normalen Situation erlebt.«, erklärte er mir, als er die Schläger zusammenräumte, den Golfbag auf das Auto verfrachtete und sich hinter das Steuer setzte.
»Ja, total interessant.«, motzte ich noch immer. Ich konnte nicht nachvollziehen, was er mit mir gemacht hatte und war trotzdem irgendwie froh darüber, dass ich diesen Ausbruch hinter mir hatte – anscheinend würden wir jetzt den Platz verlassen.
»Man Liv, jetzt sei halt nicht so.«, sagte er wieder lachend und nahm mich noch immer nicht ernster. »Ist das nicht eine Situation, in der man sich mal besser kennen lernen kann? Ich lerne eine andere Seite von dir kennen, sehe wie du auf Dinge reagierst und-«
»Und willst mich jetzt in den Wind schießen, weil ich so durchgedreht bin.«, vollendete ich seinen Gedankengang für mich und widersprach ihm da anscheinend auf voller Länge.
»Nein. Ich finde es süß, dass du so lange versucht hast, es mir recht zu machen. Du wolltest mich anscheinend nicht verletzen und mir nicht sagen, wie dumm und scheiße das hier alles ist, was wir hier machen.«, er grinste und hob seine Hand, um sie für Sekunden über meinen nackten Arm streichen zu lassen.
Ich zuckte zusammen und spürte, dass er es nicht böse mit mir meinte. Sofort drehte ich meinen Kopf zu ihm und konnte mir ein leichtes Lächeln abgewinnen.
»Ich finde es trotzdem unfair von dir, dass du mich über eine Stunde hast zappeln lassen.«, noch immer waren meine Arme verschränkt und ich sah es nicht ein, sofort nachzugeben. Jetzt konnte er sich auch etwas überlegen.
»Na gut, Liv. Dann werde ich dir jetzt zeigen, dass man auf so einem spießigen Golfplatz auch echt Spaß haben kann.«, Basti grinste siegessicher und startete den Motor. Irgendwie machte er mir mit seinem Blick Angst und als er das Gaspedal des Golfautos so weit durchdrückte, dass wir hundertprozentig eine Spur in dem gepflegten Rasen, der meiner Meinung nach sicherlich auch mit der Nagelschere geschnitten wurde, hinterließen, dachte ich, er würde völlig durchdrehen. Ich wurde in den Sitz gedrückt und hielt mich sofort automatisch an der Stange fest, auf welcher das Dach des Autos lag.
»Basti, bist du bekloppt?!«, schrie ich auf, als er über den Platz peste, laut lachte und mich hin und wieder ansah. Er schien völlig in seiner Rolle aufzugehen und brachte sogar mich zum Lachen. Den Fakt, dass ich ihn zappeln lassen wollte, warf ich sofort über Bord.
»Ich wusste, dass ich dich so kriege!«, lachte er aus voller Kehle. Leicht gebückt saß er hinter dem Lenkrad und wich Bäumen aus, fuhr fast andere Golfautos um oder brachte andere Gäste dazu, aus dem Weg zu springen und uns bösartig hinterher zu rufen. Meine anfängliche Skepsis wich dem Spaß und der Freude und augenblicklich war der Tag und dieses Date innerhalb weniger Minuten gerettet. Wir lachten unbeschwert, taten das, was wir wollten, was uns Spaß machte, hielten uns an keine Regeln und landeten im Teenager-Alter. Ich war am Teenager-Alter noch näher dran als Basti, weswegen ich umso verwunderter war, Basti in diesem... Modus erleben zu dürfen. Es raubte mir fast den Atem, als ich ihn dabei beobachtete, wie er das kleine Gefährt mit lautem Lachen in scharfe Kurven fahren ließ und sich totlachte, wenn wir fast umkippten. Er war so glücklich und wenn ich ihn so sah, hätte ich nie gedacht, dass in ihm drin ein einziger Kampf mit der Liebe herrschte.  

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