Ich grinste breit, als ich meine erste Welle stand, als ich das Wasser, das gegen mein Board drückte, schon förmlich spüren konnte und ich ihm den Kampf ansagte. Es erfüllte mich, als ich die Welle beendete und die zweite, dritte und vierte als meinen nächsten Feind ansah. Ich stand sie alle, die Sonne schien, das Wasser war angenehm warm und als ich aus dem Nass ging, glaubte ich daran, dass der Tag nicht besser hätte starten können.
»Super Ritt!«, wurde ich nicht nur von meinen Gedanken belohnt, sondern auch von Basti, der am Strand saß und mir zugesehen haben muss. Ich hatte gar nicht mitbekommen, dass er hier saß. Womöglich war ich viel zu sehr mit dem Adrenalin und meiner Konzentration beschäftigt, als mein Umfeld zu betrachten.
»Danke.«, lachte ich und kam mit meinem Brett zum Strand gelaufen. Grinsend setzte ich mich neben ihn, nahm die Brettfessel ab und machte mich daran, wieder einmal umständlicher denn eh und je den Reißverschluss an meinem Rücken aufzuziehen.
»Eh, warte, ich helf dir.«, bot Basti sich an, als er meine Verrenkungen sah. Kurz stoppte ich und sah ihn an, drehte mich im nächsten Moment aber auch schon zu ihm, damit er mir helfen konnte. Seine Fingerspitzen streiften meinen nackten Rücken und für einen Moment stellten sich die kleinen Härchen auf meinem Arm in die Senkrechte.
»Nochmals danke.«, lächelte ich und zwängte mich soweit aus dem Surfanzug, dass mein Bikinioberteil frei lag und man meinen mehr oder minder weißen Bauch sehen konnte. »Ein Zufall, dass wir uns hier treffen.«, gab ich zu, als wir schweigend nebeneinander im Sand saßen und der Sonne dabei zusahen, wie sie langsam aufging. Ich wollte nicht unbedingt irgendwelche Andeutungen hinsichtlich »unseres« Rituals, geschweige denn des Gesprächs vom Vortag machen. Eigentlich hatte ich mir nur erhofft, die Stimmung dadurch ein bisschen zu lockern, da ich spürte, dass Basti sich unheimlich unsicher war und auch ich nervös an meinem Surfanzug herum zupfte.
»Ja. Ja, wirklich ein Zufall.«, Bastis Miene erhellte sich, als er seinen Kopf zu mir drehte und mich anlachte, wurde im nächsten Moment doch schneller wieder ernst, als mir lieb war. »Hör zu, Liv. Ich... ich wollte mich einfach noch mal bei dir entschuldigen. Ich glaube, das war keine so gute Aktion von mir gestern.«
»Von mir war es keine gute Aktion, Basti. Deine Aktion war genau das Gegenteil. Ich mag es, wenn Männer um etwas kämpfen, das ihnen wichtig erscheint.«, machte ich meinen Gedanken Luft und war froh, dass wir an diesem Punkt des Gesprächs angelangt waren. Ich wusste, dass die Stimmung dadurch nur gelockert werden konnte und wir dadurch die nächsten Tage wieder unbeschwerter miteinander umgingen, als ohne dieses Gespräch.
»Weißt du, ich will einfach nicht, dass du irgendetwas Falsches von mir denkst. Dass ich dir hinterher laufe oder sonst irgendwas.«, er hielt inne und schien auf meine Reaktion zu achten, ehe er weitersprach. »Es ist nur einfach verdammt schwer, hier mal seinen Kopf frei zu bekommen. Keine Frage, ich bin mit Herz und Seele und mit allem dabei, was man nur haben kann, aber solche Minuten wie diese hier, die sind in so einer Zeit einfach kostbar.«
»Du meinst, weil ich nicht die ganze Zeit über Fußball spreche?«, grinste ich und schätzte es, dass er mir gegenüber ein solch offener Mensch war. Obwohl er mich nicht kannte. Obwohl er nicht wusste, ob ich seine Gefühle, die er mir gerade preisgab, ausnutzte. Schließlich gehörte er zum Kader der Nationalmannschaft und den ganzen Fans in Deutschland hätte es mit Sicherheit interessiert, wie es dem Mittelfeldspieler Privat während der WM ging.
»Weil du halt einfach nicht darauf achtest, was du sagst, sondern dein Herz auf der Zunge trägst. Und ja, weil du nicht über Fußball redest oder irgendetwas damit zu tun hast. Ich will damit nicht sagen, dass ich mit dem Team und all den anderen Menschen nicht klarkomme, ganz im Gegenteil, aber es ist immer noch etwas anderes, den ganzen Tag mit jemandem zu trainieren und am Abend dann nicht über Fußball zu sprechen. Oder einem Trainer das Herz auszuschütten, obwohl man weiß, dass er dich schneller wieder aus der Aufstellung nehmen kann, als dir lieb ist.«, er schien kurz nachzudenken, als er stoppte. »Ich hoffe, du verstehst mein Wirrwarr irgendwie?«
»Ich denke schon. Du willst halt mit jemand Außenstehendem deine Zeit verbringen. Also zumindest morgens, bevor der ganze Stress losgeht.«
»Ich glaube, du hast mein Wirrwarr verstanden.«, bestätigte er mich lächelnd. Irgendwie erwärmte es mein Herz, dass ich diejenige sein sollte, die die Zeit mit ihm verbringen sollte. Es war ein großes Kompliment für mich. Schließlich ist es doch ein großes Kompliment für einen, wenn ein völlig fremder Mensch die wenige Zeit mit dir verbringen will, die er hat, weil er irgendetwas in dir sieht. Oder nicht?
»Kann ich dich was fragen?«, zwar hatte ich mir geschworen, dieses Thema nicht noch einmal anzusprechen, doch als er nickte und mich fragend ansah, platzten die Worte fast nur so aus meinen Mund. »Ich hab gehört, dass in den nächsten Tagen oder Wochen von den anderen Spielern die Freundinnen herkommen. Warum kommt deine nicht?«
»Manchmal soll es halt es nicht sein.«, seufzte er und ich sah, dass er mit sich rang. Sein Blick sprühte Enttäuschung und Traurigkeit aus und ich wusste, dass ich innerhalb weniger Sekunden einen wunden Punkt getroffen hatte.
»Wie meinst du das?«, hakte ich neugierig nach. Man sagt mir nach, dass die Neugier bei mir schon fast eine Krankheit ist und für Krankheiten konnte man schließlich nichts.
»Das erzähl ich dir ein anderes Mal, okay?«, lächelte er mich beruhigend an.
»Okay.«, lächelte ich zurück, konnte meinen Blick aber nicht von ihm nehmen. Vielleicht steckte hinter der ganzen Geschichte ja längst viel mehr, was mir das schlechte Gewissen im Bezug auf das Ritual fast schon verbieten sollte. Ich wusste nicht, was es war, aber ich hatte das Gefühl, dass er etwas brauchte, was ihm wenigstens ein Stück von dem gab, was andere der Spieler in den nächsten Wochen haben würden und das er sich lediglich in Erinnerung rufen konnte.
»Sollen wir noch ein Stück spazieren gehen? Das beruhigt irgendwie.«, er stand auf und nickte den Strand entlang.
»Gern.«, sagte ich freudig, schnappte mein Brett, um es etwas weiter hinten an die Palmen zu stellen, und ging zurück zu Basti, um neben ihm spazierend den Sonnenaufgang zu genießen.
»Das war Netz! Das war eindeutig Netz!«, rief Thomas und hampelte wie verrückt über unsere Hälfte des Spielfeldes und zeigte aufgeregt zu der gegnerischen Mannschaft. Sein Gesichtsausdruck sprühte etwas aus, das von uns verlangte, ihm zuzustimmen.
»War es gar nicht. Der Ball war meterweit über dem Netz!«, widersprach Lukas und auch Christoph und Julian kamen dem Netz näher, um Thomas, Basti und mir zu widersprechen.
»Bei Schalke, Arsenal und Gladbach gibt es wohl andere Regeln!«, rief Thomas empört lachend und schlug mit Basti auf seinen Witz ein.
»Oder da guckt man irgendwie anders.«, legte Letzterer noch einen weiteren auf unsere Seite der Witzwaage.
»Dann seid ihr euch ja einig.«, lachte ich nur kopfschüttelnd und band meine Haare neu zu einem Zopf zusammen. Die Jungs fingen an, wie wild zu diskutieren, während ich nur mit halben Ohr hinhörte und in meine Gedankenwelt abschweifte. Ich musste daran zurückdenken, wie ich nach den super morgendlichen Wellen, die ich vor dem Spaziergang mit Basti genossen hatte, am Abend verzweifelt neben meinem Board am Strand saß und auf Wellen hoffte, als Basti und die anderen Jungs auf mich zukamen und fragten, ob ich der sechste Mann sein könnte. Keiner aus dem Camp war wohl davon zu überzeugen, nach einem harten Training am Strand eine Runde Volleyball zu spielen und ich schien wohl den gelangweilten Gesichtsausdruck drauf zu haben, dass man mich einfach ansprechen musste.
»Lihiiiv?!«, Basti fing an mir gegen die Schulter zu klopfen und mit seinen Händen vor meinem Gesicht herum zu wedeln, als ich aus meinen Gedanken hoch schreckte.
»W-was?«, fragte ich völlig verdattert und sah in fünf Gesichter, die mich schon fast anstarrten. Schnell legte ich ein entschuldigendes Grinsen auf. »War gerade ein bisschen woanders.«
»Nein, dann ist doof, wenn du das davor nicht mitbekommen hast. Also hat sich erledigt.«, winkte Julian ab und warf den Ball in die Höhe.
»Sag mal, lässt du deinen Freund auch einfliegen, wenn die Mädels von den Jungs eintrudeln? Oder darf das Team hinter dem Team das nicht?«, fragte Thomas nachdenklich, als er mich einen Moment lang musterte. Verwirrt sahen wir restlichen uns an. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte, weil seine Frage mich komplett überraschte und in irgendeiner Art und Weise überforderte und zurück in die Vergangenheit warf.
»Wie kommst du da denn drauf?«, lachte Basti kurz unsicher auf. Wieder schien das leidige Thema Freundin aufgeworfen und Basti nun wirklich nicht gerade begeistert. Man merkte, dass er am liebsten geflüchtet wäre.
»Sie war mit ihren Gedanken woanders und an ihrer Stelle würde ich in Deutschland bei meiner Frau sein.«, gab Thomas zu und die Mannschaft raufte sich zusammen und wir setzten uns in den Sand.
»Ich glaube, ihr habt den Besuch der Damen nötiger.«, zwinkerte ich Thomas zu und baute mit dem Sand vor meinen angewinkelten Beinen eine kleine Burg.
»Also wirst du jetzt so lange und im schlimmsten Fall bis zum 14. Juli nur mit deinem Vater als Familie auskommen müssen?«, perplex riss Christoph seine Augen auf.
»Klar, müsst ihr doch auch.«
»Wir haben uns das aber so ausgesucht.«, warf Lukas ein. Ich hatte das Gefühl, alle Blicke waren auf mich gerichtet und musterten mich, weswegen ich mir mein Kichern wegen Lukas amüsanten Aussprache mehr als verkniff. Ich hasste es, in einer Runde der Mittelpunkt zu sein und versuchte deswegen wenigstens bei Basti einen hilfesuchenden Blick abzuladen, der signalisieren sollte, dass ich mich mehr als unwohl fühlte. Doch er sah mich gar nicht an, sondern war vertieft darin, seine Schnürbänder aufzumachen, um sie kurz danach wieder neu zuzubinden. Naserümpfend sah ich wieder zu den anderen Jungs.
»Ich hab es mir ja auch ausgesucht. Ich wurde nicht zur Küchenfee verdonnert, sondern mache es wirklich freiwillig.«
»Freiwillig, um mit den Spielern zu flirten.«, Thomas hob seinen Finger und lächelte mich verschmitzt an. Sofort musste ich lachen.
»Eben gehst du von aus, dass Zuhause ein Mann auf mich wartet und nun soll ich mit den Spielern flirten?«
»Stille Wasser sind tief!«
»Jetzt lass sie halt mal in Ruhe.«, lachte Julian und rettete mich aus der ausweglosen Situation. Wie ich mittlerweile mitbekommen hatte, war Thomas die Art von Mensch, die gern und viel redete und gerade, wenn es darum ging zu diskutieren, war er auf der Rangliste ganz vorne mit dabei. Ich dankte Julian ungemein.
»Wann kommen eure Herzdamen denn?«, versuchte ich außerdem noch das Thema zu wechseln. Erst als es zu spät war, merkte ich, dass ich weiter auf dem Thema Freundinnen herum ritt und Basti anscheinend nicht wirklich einen Gefallen damit tat.
»Wenn die Vorrunden vorbei sind.«, sagte Lukas und ich konnte in seinen Augen schon förmlich sehen, wie er nur darauf wartete, seine Frau und seinen Sohn endlich wieder in die Arme schließen zu können. Irgendwie rührte es mich und unaufhörlich wurde mir klar, wie wichtig es für die Spieler war, ihre Freundinnen dabei zu haben.
»Meine kommt nicht. Aber damit hab ich mich schon lang mit abgefunden.«, ich zog skeptisch meine Augenbrauen zusammen, als Thomas ein wenig geknickt dreinschaute. »Ich bin zwar traurig, aber wir haben beide einen Job und sind dort eingespannt. Ebenso wie ich meinen Job als Fußballer mache, macht sie ihren beim Dressurreiten.«
»Respekt.«, gab ich zu. »Ich glaub, ich könnt das ni-«
»Alle außer Basti und Thomas mal bitte hoch zur Physio!«, wurde ich unterbrochen. Sofort zuckte ich zusammen und die Gesichter drehten sich automatisch zu Oli, der am Ausgang des Camps stand und zu uns zum Strand blickte.
»Ich komm auch gleich mit. Ich muss mit dem Klaus noch was klären, der war vorhin nicht da.«, regte Thomas sich und stand mit den anderen dreien auf.
»Bis später!«, warf Christoph in die Runde und auch die anderen vier verabschiedeten sich mit einem kurzen Winken. So schnell wie Thomas die Frage aufgeworfen und das Gespräch begonnen hatte, so schnell war es auch schon wieder vorbei. Und Basti womöglich erlöst.
Seufzend zog ich meine Beine zu einem Schneidersitz und nahm den Ball, den die Jungs liegen gelassen hatten, in die Hände. Basti regte sich nicht, sah über das Volleyball-Feld stur gerade aus auf das Meer.
»Ist alles okay?«, fragte ich vorsichtig. Wahrscheinlich ging es mich einfach nichts an, doch trotzdem wollte ich ihm irgendwie klar machen, dass mir seine Zurückhaltung aufgefallen war.
»Ja, alles okay.«, gab er mir zu verstehen und sah mich noch immer nicht an.
»Bist du dir sicher?«, hakte ich noch einmal nach. »Ich glaube, jeder Blinde würde sehen, dass absolut nichts okay ist.«
»Nein, bin ich mir nicht.«, flüsterte er, sodass sein Gesagtes von dem Rauschen der Wellen fast untergetaucht wurde.
»Ist irgendwas passiert?«
Ich versuchte vorsichtig und bedacht an die Sache ran zu gehen und hatte Angst, dass jedes Wort das falsche sein könnte. Doch er hatte gesagt, dass er es schätzte, dass ich mein Herz auf der Zunge trug – also warum machte ich mir urplötzlich so unglaubliche Gedanken darüber?
»Was hältst du davon, wenn wir nach der Vorrunde ein bisschen feiern? Wir könnten an den Strand gehen, du könntest aus der Küche ein paar Sachen klauen, und wir unterhalten uns ein bisschen?«
Redebedarf schien da zu sein, doch irgendetwas in ihm schien ihn davon abzuhalten, jetzt in diesem Moment darüber zu reden. Ich wollte ihn keinesfalls in irgendeine Ecke drängen und stimmte deswegen lächelnd zu.
»Gern. Das heißt, dass ihr auf jeden Fall weiterkommen müsst, sonst haben wir nichts zu feiern.«
»Ich werde mich anstrengend.«, versprach er grinsend. »Lust auf einen zweiten Spaziergang heute? Das Abendessen abtrainieren?«
»Ich bin dabei.«, lächelte ich und stand auf.
»Liv?«, hielt er mich zurück, als ich dabei war, loszulaufen.
»Hm?«
»Tust du mir einen Gefallen?«
»Klar, schieß los. Irgendwelche Schmuggelware aus der Küche erwünscht?«, grinste ich ihn an und entlockte ihm ein Lachen.
»Nein. Einfach nur das Versprechen, dass wir bis zum Ende der Vorrunde nicht mehr über irgendwelche Freundinnen sprechen.«
»Versprochen.«, erwiderte ich nur und hakte mich bei ihm unter, um ihn endlich von dem Volleyball-Feld zu ziehen und den Spaziergang zu beginnen.
»Danke.«, grinste er mich breit an und man konnte sehen, dass seine Laune innerhalb weniger Sekunden in die Höhe geschnellt ist.
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Another love
Fanfiction»Ich habe keine Lust darüber nachzudenken, Liv. Ich weiß nicht, ob ich sie sofort anrufen oder drauf warten soll, bis sie Wind davon bekommt. Eigentlich wäre ich ihr eine Erklärung schuldig, aber ich habe einfach keine Lust, mich zu erklären. Eigent...