» ...du kannst mich auch einfach nur küssen?!«

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Ich wurde von sanften Fingerspitzen geweckt, die langsam und vorsichtig meine Haare aus dem Gesicht strichen, leicht über meine Wangen fuhren und meine Lippen berührten. Ich spürte, dass ich beobachtet und angesehen wurde und ich spürte die Wärme, die der Körper neben mir auslöste. Ich war nicht alleine und für einen Hauch von Sekunde war ich glücklich. Ich war glücklich, dass ich hier lag, ihn neben mir hatte, ihn spüren durfte und konnte und trotzdem holte mich innerhalb weniger Sekunden schon die Realität ein. Die Gedanken an den Vorabend, an den großen Streit, an meine vielen Tränen, die ich verschüttet hattet, um bei mir im Bett völlig kraftlos an Bastis Brust einzuschlafen. Die Gedanken an Sarah, an Thomas und daran, für was ich gehalten wurde. Die Gedanken daran, dass ich diejenige war, die in meinen Augen so viel kaputt gemacht hatte und sich trotzdem nicht weiter gegen ihre Gefühle wehren konnte. Es war zum Verrückt-werden. Ich wusste nicht, was ich tun sollte und auch wenn ich es genoss, Basti neben mir zu haben und seine Berührungen zu genießen, zweifelte ich daran, ob es wirklich so gut war.
Seufzend drehte ich mich auf die andere Seite, ließ meine Augen geschlossen und konnte trotzdem spüren, wie überrumpelt Basti mich ansah. Langsam öffnete ich die Augen und wurde sofort daran erinnert, wie viel ich gestern Abend geweint haben musste. Meine Lider fühlten sich doppelt so dick und schwer an und ich konnte kaum richtig gucken, ohne dass das Bild vor meinen Augen verschwamm.
»Du bist wach.«, stellte Basti flüsternd fest, als ich vor mich hinstarrte und... an nichts dachte. Ich hatte völlige Leer in meinem Kopf, obwohl er bis zum Rand gefüllt war mit Gedanken.
»Mhm... «, brachte ich nur raus und zog meine Beine näher an meinen Körper. Ich brauchte irgendeinen Schutz vor dieser Unwissenheit, wie es weitergehen würde.
»Wie geht's dir?«, hauchte er gegen meine Schulter, die lediglich von einem Spagetti-träger meines Tops bedeckt war. Sofort legte sich eine Gänsehaut auf meinen Körper und man hätte meinen können, mir wäre kalt. Doch mir war nicht kalt – ganz im Gegenteil: Mir war unglaublich warm. Warm um mein Herz, wenn ich ihn so spürte.
»Weiß nicht.. «, nuschelte ich leise und räusperte mich im nächsten Moment, um meinen Frosch aus dem Hals zu verjagen. Bastis Arm legte sich von hinten um mich, zog meinen Körper so noch näher an seinen und die Tatsache, dass er mir dadurch zeigen wollte, dass er verstand wie es mir ging, trieb Tränen in meine Augen. Ich legte meine Hand auf seine, presste mich noch näher an ihn und vergrub mein Gesicht in meinem Kissen. Es konnte einfach nicht wahr sein, dass ich nach Brasilien kam um mich selbst zu finden und nun in dieser absolut bescheidenden Situation steckte. Mich überkam das Selbstmitleid und Unverständnis dafür, dass ich nach Felix schon wieder ein solches Tief miterleben musste. Wieso durfte ich nicht auch einmal Glück haben wenn es um meine Gefühle und um mein Herz ging? Wieso musste ich schon wieder leiden, obwohl Basti endlich wieder mal ein Mann war, dem ich vertraute?
»Du weinst.«, sagte Basti und stützte sich hinter mir leicht auf, um über meine Schulter in mein Gesicht zu sehen. Sanft strich er meine Haare zur Seite und die salzigen Tropfen, die sich tatsächlich während meiner Gedanken über meine Wange geschlichen hatten, weg. Wieder war da diese wohlige Wärme die sich in meinem Körper ausbreitete und das Verlangen, ihn einfach nur spüren zu wollen. Und die Realität, dass er ein vergebener Mann war.
»Was kann ich tun, damit es dir nicht mehr so geht, Liv? Willst du... willst du irgendwas nicht mehr? Soll ich gehen, sollen wir... wir den Kontakt abbrechen? Sag es mir, Liv.. «, er klang verzweifelt und augenblicklich tat es mir leid, dass ich so egoistisch war und ihn vollkommen ausblendete. Dass ich mit meinen Gedanken alleine blieb und ihn außen vor ließ, obwohl er genauso an der Sache beteiligt war. Gestern hatte ich mich beschwert, dass er mich mit meinen Gefühlen alleine ließ und jetzt? Jetzt flehte er schon fast darum, dass ich ihn an meiner Gefühls- und Gedankenwelt teilhaben ließ.
»Ich weiß es nicht, Basti.«, sagte ich ehrlich und hielt weitere Tränen zurück. »Ich will auf keinen Fall, dass wir uns nicht mehr sehen oder uns nicht mehr nah sind. Aber ich weiß nicht, ob es das richtige ist, wenn wir so weitermachen wie bisher. Ich meine.. ich.. ich bin das dritte Rad am Wagen, das alles irgendwie zum Holpern und Stolpern bringt und.. ich weiß nicht, ob ich auf Dauer so tun kann, als würde es mich nicht stören.«
»Soll ich mit Sarah reden?«, fragte er. Ich wünschte mir, dass er Klartext sprach, mir sagte, was er vorhatte. Aber stattdessen fragte er mich, was er tun sollte. Ich saß doch nicht in seinem Herzen und konnte ihn führen, oder? Er hatte doch seine Entscheidungen, die er treffen musste und nicht ich. Es war schließlich sein Leben und nicht meins.
»Und dann? Du machst nicht einfach so mit ihr Schluss, Basti. Wenn, dann hättest du es längst getan.«, ich seufzte tief und drehte mich auf den Rücken, um ihm das erste Mal an diesem Morgen in die Augen zu sehen. Mir war es egal, wie verquollen meine Lider waren und wie unglaublich tiefe Augenrinne ich haben musste. Das war nun mal ich, wie ich in dieser Situation nun einmal aussah. »Außerdem.. außerdem würde uns die Presse wahrscheinlich auseinander nehmen, wenn sie Wind davon bekommt. Und irgendwie bekommen die immer Wind davon, das weißt du.«
»Die Presse wird auch Wind davon bekommen, dass ich meine Freundin betrüge.«, platzte es aus ihm heraus. Es war so ein Tabu-Wort und jedes Mal traf es mich mehr. Es verurteilte mich, uns, so sehr und rückte uns in ein solch negatives Licht, dass er mir jedes Mal, wenn es ausgesprochen wurde, den Atem raubte.
»Basti.. «, fing ich seufzend an, weil ich nicht sicher war, ob unser Gespräch nicht bald in eine Diskussion ausarten und im Endeffekt zu nichts führen würde. »Du musst wissen, was du willst. Du trägst das Herz in der Brust, das dir den richtigen Weg weisen soll. Und nur du bist dafür verantwortlich, was du aus dieser ganzen ausweglosen Situation machst. Ich.. ich bin einfach nur ein Statist in dieser ganzen Geschichte. Ob ich zu einem Protagonisten werden soll, das entscheidest du.«
»Ich weiß, dass ich mich entscheiden muss. Aber-«
»Basti, da sollte es kein Aber geben. Es ist so und Punkt. Oder willst du weiter zweigleisig fahren? Das ist nicht fair. Sarah, mir und auch dir gegenüber nicht.«, ich legte meine Hand an seine Wange, um ihm zu zeigen, dass ich nichts Böses wollte. Ich wollte ihn nicht in irgendeine Ecke drängen, ich wollte ihm nichts aufhalsen, das nicht machbar war. Ich wollte doch einfach nur wissen, auf was ich mich einstellen musste und konnte.
»Es ist so schwer, Liv.«, auch Basti ließ sich wieder auf den Rücken und in die Kissen fallen und verschränkte einen Arm hinter seinem Kopf. Sein Blick ging starr an die Decke und ich hatte immer mehr das Gefühl, dass sich mittlerweile irgendetwas in ihm geregt hatte.
»Es ist doch klar, dass der ganze Scheiß nicht leicht ist. Es geht darum, dass Herzen gebrochen werden. Es geht um Liebe. Und Liebe ist nun mal was Schwieriges.«, wurde ich lauter und setzte mich in meinem Bett auf. Irgendwie machte mich dieses Ungewisse unglaublich wütend und trieb mir die schlechte Laune unter die Haut. Es war eine ausweglose Situation, Basti und auch ich wussten einfach nicht, was wir tun sollten.
»Können wir nicht einfach.. einfach so tun, als würde es nur uns beide geben?«, es klang gequält als Basti das sagte und er mich zurück in seine Arme zog. Es war absurd so zu tun als würde Sarah nicht existieren. Es war auch absolut dumm so zu tun, als wäre Basti ein Mensch, dessen Herz noch zu keiner Frau gehörte.
»Ich find das nicht fair. Wir belügen uns selbst und du Sarah.«, widersprach ich ihm.
»Was schlägst du dann vor?«, seufzte er. Ich dachte, dass ich deutlich war, ihm klarmachen konnte, was ich von ihm wollte und was ich vorschlug.
»Ich habe dir dazu was gesagt.«, fing ich an und spürte, wie mich augenblicklich die Traurigkeit packte. Es war eine Einbahnstraße, in der wir uns befanden. Wir konnten nicht umdrehen, wir konnten nur vorausschauen. Doch wo uns das hinführte, das wussten wir beide nicht.
»Ich will die Zeit mir dir einfach genießen, Liv. Ich will nach Deutschland fliegen und weitersehen, was die Zeit bringt. Wir sind in Brasilien und ich will herausfinden, was ich will. Wenn ich nach Deutschland komme, will ich mich um Sarah kümmern – nicht jetzt.«, erklärte er mir. Irgendwie war es nachvollziehbar, doch trotzdem war ich nicht sonderlich überzeugt davon.
»Es ist unfair, Basti.«, sagte ich matt und spürte, wie sich schon wieder Tränen aus meinen Augen schlichen. »Ich will auch, dass wir uns nah sein können. Ich will die Zeit mit dir auch genießen und versuchen, alles um mich herum zu vergessen. Aber das kann ich nicht, glaube ich.«
»Aber meinst du nicht, dass wir es wenigstens versuchen können?«
»Sei dir im Klaren, dass ich selbst nicht weiß, wie lange ich es durchhalte.«, seufzend zog ich die Bettdecke bis unter mein Kinn und starrte an die Decke. Bastis Hand legte sich derweil an meine Wange und er sah mich an. Ich wusste nicht, ob es das richtige war mich auf solch ein Angebot einzulassen, doch ich wusste auch nicht, was sonst infrage kommen würde ohne dass es mir vollkommen den Boden unter den Füßen wegreißen würde.
»Die Hauptsache ist, dass du jetzt hier in meinen Armen liegst.«, hauchte er und zog mich näher zu sich. Seine Lippen küssten meine Wange und wanderten zu meinen Lippen. Sofort war alles vergessen. Sofort dachte ich nicht an all das um uns herum, sondern nur daran, dass ich seine Lippen auf meinen spürte. Und für diesen Moment war ich glücklich und zufrieden. Vollkommen frei schwebend in dem Sturm meiner Gefühle.

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