»Nein, ich bin auch einfach nur ein Mädel mit Gefühlen.«

540 25 0
                                    

Punkt 5:55 Uhr zog ich mir ein leichtes Kleid über den Kopf, band meine Haare zusammen, putzte mir die Zähne und ging auf meine Zimmertür zu. Die warme Luft preschte mir innerhalb weniger Sekunden entgegen und man merkte sofort, dass die Klimaanlage mein Zimmer beachtlich gekühlt hatte. Zwar hatte mein Vater mir verboten, auch nur noch einmal die Klimaanlage zu nutzen, da ich sonst womöglich wieder eine Verspannung abbekommen würde, doch nach etlichen Stunden des Hin- und Herwälzens, hatte ich auch diesen guten Vorsatz über Bach geworfen. Ich konnte von Glück reden, dass mein Nacken längst nicht mehr so stark schmerzte wie am Vortag. Seufzend drehte ich mich noch einmal zu meinem Brett um und ging mit leicht gesenktem Kopf und meinem iPod in der Hand aus der Tür.

Ich hatte striktes Surfverbot, bis Klaus sich mein Leiden noch ein weiteres Mal angeschaut hatte. Womöglich durfte ich die nächsten zwei Tage ohne Surfbrett unter dem Arm den kleinen Weg hinunter zum Strand laufen. Doch die Nähe zum Wasser und die morgendliche Ruhe ließ ich mir trotzdem nicht nehmen. 

Leicht lächelnd ließ ich mich in den Sand fallen, zog meine Beine zu einem Schneidersitz an meinen Körper und stöpselte mir die Kopfhörer in die Ohren. Ich wusste nicht, was ich hören sollte und ließ mich vom Schicksal und meiner wunderbaren zufälligen Wiedergabe überraschen. 

»Loving can hurt, loving can hurt sometimes,

but it's the only thing that I know.

When it gets hard, you know it can get hard sometimes,

it is the only thing that makes us feel alive.«

Ed Sheerans Stimme ließ mich frösteln. Aber nicht, weil es kalt war, sondern weil sich binnen weniger Sekunden eine Gänsehaut über meinen Körper zog, die mich zum Zittern brachte. Ohne dass ich es wollte, dachte ich zurück an Deutschland. Ich dachte daran, was ich getan hatte und dachte an Felix. An seinen Strauß Narzissen, an seine letzten Worte, seinen letzten Blick und meinen Blick auf den verwelkten Strauß in meinen Händen. 

Die Gänsehaut wich während des Liedes nicht, ich sah stur geradeaus in die Ferne, schloss für einen kurzen Moment die Augen und wurde melancholisch. Ich hatte keinen Grund traurig zu sein, es breitete sich vielmehr ein Gefühl in mir aus, das ich nicht beschreiben konnte und das so sehr die Überhand in meinem Körper gewann, dass ich nicht weiter an irgendetwas anderes denken wollte. Ich fing an, darüber zu grübeln, ob es nicht doch die falsche Entscheidung gewesen war vorerst mit Felix Schluss zu machen und ich hielt mich in diesem Moment fast schon verzweifelt und irgendwie hoffnungsvoll an meinen eigenen Worten fest: ...wenn wir erst mal eine Pause machen, solange ich weg bin. Eine Pause. Eine Pause hieß doch nicht das Ende. Nicht unbedingt, oder?

Es war absurd, dass ich einen Gedanken daran verschwendete. Felix war mir als Mensch wichtig, aber es war mir lange schon nicht mehr wichtig, eine Beziehung mit ihm zu führen. Er konnte mich nicht erfüllen, er konnte mich nicht so glücklich machen, wie ich es für mich brauchte und trotzdem trauerte ich irgendetwas hinter her. Ob es die Gewohnheit seiner Nachrichten war, seine Gute-Nacht-Sms, seine Anrufe oder einfach nur das Wissen, dass ich Nähe haben konnte, sobald ich sie wollte – ich wusste es nicht. 

»Was machst du denn hier?«, hörte ich zwischen meinem aktuellen und einem neuen Lied eine Stimme in meine Ohren dringen. Ich zuckte zusammen und nahm verwirrt den Blick vom Wasser. 

»Ähm... «, stotterte ich und spürte, wie sich meine Wangen langsam aber sicher rot färbten. Basti stand vor mir, hatte seine Kopfhörer um den Hals gehängt und blinzelte mich gegen die Sonne an. »Ich will mir die Ruhe und die Nähe zum Meer nicht nehmen lassen.«

»Öhm... lass dich nicht stören.«, sichtlich verwirrt griff er nach seinem Kopfhörer, um sie wieder in die richtige Position zu bringen und war kurz davor, seine Jogging-Tour fortzusetzen.

Another loveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt