Ich stand oben am Treppenabsatz und blickte zu ihm hinunter in die Eingangshalle. Der letzte Zipfel seines Umhangs war gerade um die Ecke der Treppe gewischt, die in die Kerker führte, wo sich, so wie ich wusste, der Gemeinschaftsraum der Slytherins befand.
In meinen ersten drei Jahren hatten wir zusammen viel Zeit in den Kerkern verbracht, da Severus es vorzog „unbeobachtet" zu sein, wie er zu sagen pflegte. Er konnte große Menschenmengen nicht ausstehen, ganz im Gegensatz zu mir. Ich liebte die Partys im Gryffindorturm und die kleinen nächtlichen Versammlungen unseres Jahrgangs in Gryffindor, auch wenn dies mit sich zog, dass ich Potter als Gesellschaft ertragen musste.
Pah, James Potter.
Ganz in Gedanken versunken starrte ich noch eine Weile die Kerkertreppe an und beschloss dann, meinen Weg in die Große Halle fortzusetzen. Die vier Haustische ächzten unter dem Gewicht von Körben voller Brot, Pudding, Müsli und anderen Köstlichkeiten, deren Geruch meinem Magen ein lautes Grummeln entlockte. Ich setzte mich an den Tisch zu den anderen Gryffindors, die sich schon lautstark unterhielten. Ich lehnte mein Verwandlungsbuch gegen einen Milchkrug und schlug das Kapitel über Rückverwandlungen auf.
Es war, dafür, dass es so früh war an einem Samstagmorgen schon relativ voll in der Großen Halle, was meine Laune aufgrund des Mangels an Schlaf noch weiter sinken ließ. Es war Wochenende und ich war wieder einmal, viel zu schnell für meinen Geschmack, am Tiefpunkt meiner Laune angelangt. Ich nahm mir gerade eine Scheibe Toast und bestrich sie dick mit meiner Lieblingsmarmelade (Erdbeere), als ich ein kurzes Aufkeuchen der Mädchengruppe neben mir wahrnahm, die sich tuschelnd und kichernd zum Eingang der Halle drehten.
Ich schnaubte laut auf, als ich ihren Blicken folgte, um spitzzukriegen woher die plötzliche Unruhe kam.
James „Möchtegern" Potter hatte soeben die Große Halle betreten und schritt breit grinsend mit Sirius Black an der Spitze der Truppe auf den Gryffindortisch zu. Sirius sah unverschämt gut aus, musste ich mir selbst eingestehen. Doch rasch wandte ich mich wieder meinem Teller zu und verschlang den Rest meines Toastes mit großen Bissen.
Ich sprang in dem Moment von meinem Platz auf, als Potter mich erblickte, ignorierte sein „He, Evans!" und eilte aus der Großen Halle.
Als ich mein Ziel, die Bibliothek, schon fast erreicht hatte fiel mir auf, dass ich Verwandlung für Fortgeschrittene in der Großen Halle vergessen hatte. Laut stöhnend trat ich meinen Rückweg an, während James Potters grinsendes Gesicht immer wieder vor meinem inneren Auge auftauchte.Als ich nach einigen sehr stressigen Minuten, oder eher gesagt einer halben Stunde, endlich in der Bibliothek Platz genommen, meine Bücher ausgebreitet und angefangen hatte zu arbeiten, hielt mir plötzlich jemand von hinten die Augen zu. Ich schnalzte missbilligend mit der Zunge, was als Zeichen galt, dass derjenige sich zu erkennen geben sollte. Ich hatte jetzt weder Lust noch Zeit für diese Mätzchen.
Ich hörte ein schrilles Kichern, die warmen kleinen, und wie ich jetzt endlich bemerkte, weiblichen Hände wurden von meinen Augen genommen. Gerade, als ich mich wieder an die Helligkeit gewöhnt hatte und Luft holen wollte, um meinen Frust an der Person, wer immer es war, auszulassen, wurde mir gleich darauf von einem Berg Locken die Sicht geraubt.
„Hey, sachte, Lily, ich bin's."
Ich erkannte ihre Stimme, noch ehe ich ihr Gesicht sah. Natürlich verrieten sie auch ihre Haare.
Die wirren, hüpfenden Locken gehörten zu der nicht minder quirligen Mary MacDonald.
Mary hatte dunkle, große Locken, die wippend um sie herum tanzten, wenn sie sich bewegte. Ihre großen Augen waren von einem hellen braun, in denen man, wenn man nah genug herantrat feine goldene Tupfer und Sprenkel erkennen konnte.
Mary hatte verblüffende Ähnlichkeit mit einem Reh, wie ich fand. Ich schloss meine Freundin in die Arme und sog ihren Geruch ein.
„Amortentia", murmelte ich.
„Was zur Hölle faselst du da, mein Rotschopf", fragte Mary sanft und löste sich aus der Umarmung.
Ich setzte mich wieder ein wenig gerader hin und schob die Bücher zurück, sodass sich Mary auf die Tischplatte platzieren konnte.
„Nun, du bildest einen der drei Bestandteile meines Geruchs von Amortentia."
Ich sah sie eindrücklich an, doch sie gab mir nur einen verwirrten Blick zurück, was mir zu verstehen gab, dass sie nicht verstanden hatte, was ich ihr gerade Bedeutsames verraten hatte.
„Mensch, Mary, passt du denn niemals in Zaubertränke auf?", fragte ich sie und hob eine Braue.
„Nö, wieso sollte ich?", rief sie grinsend. „Ich hab ja dich, Lils."
Sie grinste breit, glitt von der Tischplatte und verstrubelte mir das Haar. Ich funkelte sie wütend an. Sie wusste ganz genau, dass ich es absolut nicht leiden konnte, wenn mir jemand durchs Haar fuhr.
Doch Mary war die Einzige, der ich es gestattete, ohne, dass sie von einem meiner Flüche getroffen wurde. Nicht einmal Marlene hatte dieses, wie ich es nannte, Privileg.
Ich grinste.
„Bei den UTZ-Prüfungen bringen dir meine Notizen gar nichts. Da kommt's bloß auf Können an."
Ich nickte, wie zur Bestätigung meiner eigenen Worte und warf ihr einen strengen Blick zu. Sie musterte mich bloß spöttisch.
„Also wer oder was ist Amortentia jetzt genau, Lily?" Sie sah mich an.
Ich schnaubte.
„Der Zaubertrank Amortentia gilt als mächtigster Liebestrank. Doch er erzeugt keine wirkliche Liebe sondern Besessenheit und Attraktion einer bestimmten Person. Es ist unmöglich wahre Liebe durch Zauber oder Tränke herzustellen. Man erkennt den Trank am charakteristischen Perlmuttschimmer und dem Dampf, der ganz typisch in Spiralen von ihm aufsteigt und der für jeden anders riecht, je nachdem, was dieser anziehend findet.", ratterte ich herunter.
„Für mich beispielsweise riecht er nach-"
Ich zögerte und sagte stattdessen:
„Mary, mal ehrlich das müsstest du aber wissen. Wir haben ihn doch erst im letzten Jahr bei Professor Slughorn behandelt."
Sie schwieg und zupfte an einer ihrer braunen Locken herum.
"Hee, Mary. Hörst du mir überhaupt zu?".
Ich stupste sie an.
„Hmm?", kam es lediglich zurück.
Ich folgte ihrem Blick und bemerkte sogleich den Auslöser ihrer plötzlichen Stummheit. Sirius Black, unverschämt gutaussehend, lehnte an einem Bücherregal, scheinbar lesend. Ich stieß gut hörbar Luft aus.
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Du gefällst mir, wenn du so wütend bist, Evans!
FanfictionRumtreiberzeit. Eigentlich hätte Lily Evans' Abschlussjahr als Schulsprecherin glänzend beginnen können, wäre da nicht ein gewisser jemand mit zerstrubbeltem schwarzem Haar und haselnussbraunen Augen gewesen. Der Schulstress, die Rumtreiber und auch...