Siege, Lagerfeuer und jede Menge Butterbier

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Ich rannte durch kurzes, feuchtes Gras. Vor mir breitete sich der endlos wirkende, dunkle See der Hogwartslädereien aus und hinter mir lag das Schloss im schwindenden Sonnenlicht. Die Wipfel des Verbotenen Waldes wogen in der lauen Mai-Brise sanft hin und her und dieser Anblick verlieh der nahenden Dämmerung etwas Mystisches. Der Himmel brach auf in einem atemberaubenden Farbenspiel aus Gold und Rot und in der Ferne konnte ich den ersten Zipfel der nahenden indigoblauen Nacht erkennen.
Meine Füße flogen fast über den unebenen Boden, so schnell rannte ich. Mein dunkelrotes Haar peitschte mir ins Gesicht und ich sog den Geruch des Frühlings in mir auf. Ich atmete tief ein. Das Leben war einfach und klar.
Endlich kamen sie in Sicht. Meine wunderbaren Freunde. Sie hatten das Lagerfeuer bereits angezündet und die Funken stoben in alle Richtungen auseinander und flogen in den dunkler werdenden Himmel hinauf, wie abertausende Glühwürmchen in der Dunkelheit.
Dies sollte wohl ein Tag werden, den ich niemals vergessen würde. Wir hatten uns früh am Abend hierher geschlichen. Es hatte seine Vorteile, Schulsprecherin zu sein und schließlich mussten wir den Abschluss der UTZ-Prüfungen gebührend feiern.
James stand neben Remus. Sein Anblick wirkte so vertraut wie eh und je - Das rabenschwarze, verwuschelte Haar, die haselnussbraunen, glühenden Augen, das schiefe Grinsen, das noch immer –selbst nach all den Monaten– etwas in meiner Magengegend zu Fall brachte...
Ich verlangsamte meine Schritte. Die Dunkelheit breitete ihre weiten Schwingen rasch über das gesamte Schlossgelände aus. Noch war die Landschaft in goldenes Licht getaucht, während innerhalb weniger Augenblicke die Dämmerung über uns hereinbrach.
Die Rumtreiber standen etwas abseits vom Feuer. Mary kratzte an dem Papier ihrer Butterbierflasche herum, während Marlene und Alice sich um eine Flasche Feuerwhiskey zankten.
„Marlene", rief ich, als ich endlich den Platz erreicht hatte, an dem sich alle versammelt hatten. „Ihr wollt das widerliche Zeug doch nicht etwa trinken?!"
„Und ob, Evans." Ich wirbelte herum. Sirius lehnte sich grinsend gegen seinen besten Freund. Das mit Feuerwhiskey gefüllte Glas in seiner Hand schwappte bedenklich, als er sich das dunkle Haar verwegen aus der Stirn strich. „Nimm doch 'n Schluck, Lily. Könnte dir nicht schaden..." Er grinste noch breiter.
„Naah, Tatze, lass gut sein", sagte James ernst. „Ich glaube nicht, das wir Lily etwas trinken lassen sollten. Wer weiß, ob sie dieses Teufelszeug überhaupt verträgt."
Wütend funkelte ich James an. „Ich vertrage dieses Teufelszeug sehr gut." Trotzig reckte ich das Kinn in die Luft. „Ob du's glaubst oder nicht."
Sirius Grinsen wurde noch breiter. „Evans, Evans, Evans... Sowas hätte ich dir ja gar nicht zugetraut, wo du doch Schulsprecherin und vermutlich Jahrgangsbeste bist."
Nun galt mein trotziger Blick ihm. „Ich trinke das Zeug doch nicht zum ersten Mal", sagte ich selbstsicher und stemmte empört die Arme in die Hüften.
Das war zwar eine Lüge, doch das mussten die beiden ja nicht kümmern. Die würden sich nur noch mehr rühmen, für meine Unerfahrenheit und hätten bestimmt durchaus ihren Spaß daran, mich damit aufzuziehen.
James blickte mich ungläubig an, doch Sirius lachte auf und hielt mir sein Glas entgegen. „Dann immer runter damit, Evans! Wir müssen das Ende der elenden Prüfungen doch so richtig feiern und die Zeit genießen, bis wir dann im Juli unsere Ergebnisse erhalten."
Ich nahm das Whiskey-Glas nach kurzem Zögern entgegen. Marlene reckte den Kopf und ein süffisantes und schadenfrohes Grinsen legte sich um ihre Mundwinkel. „Prost, Lily!"
Sie wusste ganz genau, dass ich zuvor in meinem Leben mehr als ein oder zwei Butterbier getrunken hatte. Doch ich lächelte gönnerhaft, setzte das halbvolle Glas an die Lippen und kippte den Whiskey in einem Zug herunter.
Ich hustete. Der Feuerwhiskey brannte furchtbar in meiner Kehle und ich konnte den belustigten Blick von James, Sirius und Remus auf mir spüren. Ich zwang mich zu einem Grinsen und gesellte mich dann schleunigst zu anderen Mädchen aus meinem Schlafsaal.
Peter stand etwas abseits bei Alice und Mary und seine kleinen Augen, deren Farbe ich bis heute nicht genau definieren konnte (Es war wohl eine Mischung aus deinem schlammigen Grau-Braun-Ton) blickten unablässig zu James und Sirius herüber. Etwas schien ihn zu beunruhigen, doch ich hatte keine Lust mich weiter damit zubeschäftigen.
Die Stunden vergingen wie im Flug und ich alberte immer mehr herum, lachte über die unlustigsten Witze von Sirius und umarmte James öfter, als nötig... Und Marlene drückte mir immer wieder eine neue Flasche Butterbier in die Hand.
Bald saß ich eine ganze Weile alleine in der Nähe des Feuers und starrte in die Flammen, während ich die kalte Flasche an meinen warmen Lippen spürte. Mit einem Mal kam mir das Ganze hier etwas seltsam vor – Das Lagerfeuer, das heitere, angeregte Murmeln der anderen, der Nachgeschmack des Feuerwhiskeys in meiner Kehle, James warme Hand auf meinem Oberschenkel, als er sich zu mir gesellt, das glockenhelle Lachen von Alice... Einfach alles.
Mein Magen rebellierte. Mir wurde schwarz vor Augen, dann flackerte es. Die Stimmen drangen nur noch gedämpft an mein Ohr. Ich stand langsam auf, zitterte.
„Sachte, Lily, du bist ja betrunken", murmelte James. „Ich helfe dir."
„Es geht schon", presste ich leise hervor und schwankte zum Waldrand hinüber. Es fiel mir schwer, das Abendessen bei mir zu behalten, aber irgendwie unterdrückte ich den Reiz und lehnte mich schweratmend gegen einen Baumstamm. Der Maiwind wehte mir die Haare ins Gesicht, doch ich genoss die kühle Luft auf meinem heißen Gesicht. Die Welt um mich herum schien kopfzustehen. Ich fühlte mich ganz schummrig. Hinter meinen geschlossenen Augenlidern drehte sich alles. Der Wind pfiff durch die Äste des Verbotenen Waldes. Ich hörte das entfernte Gekicher meiner besten Freundinnen und dann... Schritte.
Plötzlich blickte ich in Severus' besorgtes Gesicht. „Alles in Ordnung bei dir?", raunte er mit seiner samtigen Stimme.
Ich wusste nicht, ob mir meine Augen einen Streich spielten oder ob es die Realität war. Doch als ich wage die schemenhaften Gestalten von Avery und Mulciber im Hintergrund wahrnahm, realisierte ich, dass es wohl wahr sein musste.
„W-was machst'n d-du hier?", lallte ich.
Severus warf mir einen verwirrten Blick zu, dann beugte er sich zu mir herüber, seine Nasenspitze streifte beinahe meine Wange. „Hast du getrunken?" Seine dunklen Augen verengten sich, sein Gesichtsausdruck wirkte mit einem Mal streng und gleichzeitig besorgt.
Ich konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Seine dichten Augenbrauen zogen sich zusammen.
„Vielleicht ein Butterbier", murmelte ich.
Oder zwei, oder vielleicht auch drei.
Seine schwarzen Augen blickten ungeduldig durch das bläuliche Dämmerlicht, wanderten über mein blasses Gesicht, mein dunkelrotes Haar. Er glaubte mir nicht. „Geh wieder zu den anderen", murmelte er schließlich nur und wandte sich wieder seinen Freunden zu. „Ich wette sie suchen dich bestimmt schon."
Etwas an seinem Lächeln gefiel mir nicht. Doch bevor ich etwas sagen konnte, drehte er sich schon auf dem Absatz herum und verschwand zwischen den dichten dunklen Bäumen des Waldes. Dann war ich wieder allein.
Ich ließ mich zu Boden sinken und grub meine Finger in den weichen Erdboden unter mir. Ich hörte das Knacken abgestorbener Äste auf dem Waldboden und dann spürte ich James neben mir. Er half mir auf. „Was machst du denn die ganze Zeit hier alleine, Lily", raunte er und ich hörte die Sorge in seiner dunklen Stimme mitschwingen. Ich zuckte lediglich mit den Schultern.
Severus' schemenhaftes Lächeln geisterte mir auf dem Rückweg zu den anderen im Kopf herum. Doch dann war es mit einem Mal vergessen, als James mich an sich zog. Ich spürte seine warmen, vollen Lippen auf den meinen und in meiner Magengegend breitete sich ein prickelndes Gefühl aus. Sprühend. Wie Champagner. Oder wie ein Feuerwerk- Nur besser. Ich war eindeutig betrunken.

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Die UTZ-Prüfungen sind vorbei, die Siebtklässler feiern und Lily ist das erste Mal betrunken :D Was Snape mit seinen Kumpels im Wald treibt ist eine andere Sache ;) Außerdem scheinen James' Lippen bei Lily Wunder zu bewirken haha...

Du gefällst mir, wenn du so wütend bist, Evans!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt