Die Ländereien von Hogwarts hatten sich in eine glitzernde weiße Schneelandschaft verwandelt und mit dem Schnee rückten auch die Weihnachtsferien immer näher und ich wog immer wieder die Frage ab, ob ich Weihnachten zu Hause oder in Hogwarts verbringen wollte.
Meine Mum hatte mir erst gestern einen Brief geschickt mit derselben Frage, die sie mir auch schon die Woche zuvor gestellt hatte. Und immer wieder hatte ich ihr das Gleiche geantwortet, nämlich dass ich keineswegs vorhatte meinen festen Freund James Potter mit nach Cokeworth, meiner Heimatsstadt, zu bringen, damit er dort das Weihnachtsfest mit meiner chaotischen Familie verbachte.
Von Petunia ganz zu schweigen, obwohl sie vermutlich noch am normalsten war, zu normal vielleicht sogar, verglichen mit meiner aufgedrehten, übereifrigen, chaotischen, aber durchaus liebevollen Mutter und meinem lebhaften Vater, dessen Beschützerinstinkt mich schon seitdem ich ein Teenager war ständig begleitete. Die Gesellschaft eines Jungen würde in diesem Falle für Einiges an Aufregung sorgen. Vor allem wenn sein Name James Potter war, der Reinblüter schlechthin, der noch nie in einem Muggelhaus zu Besuch gewesen war.
Woher meine Mum überhaupt wusste, dass ich jetzt einen Freund hatte blieb mir nach wie vor schleierhaft, doch ich kam nicht umhin ihre erneute Fragerei zu ignorieren.
Der Gemeinschaftsraum war zu dieser späten Stunde gut gefüllt und Stimmengewirr und Gekicher erfüllten die Luft. Im Kamin prasselte ein wärmendes Feuer, aber draußen vor den Fenstern herrschte der reinste Schneesturm und es war dunkel und kalt.
Seufzend schlug ich mein Buch für Alte Runen zu und drehte mich auf der Couch herum, damit ich James im Blick hatte, der in ein Gespräch mit Sirius vertieft war.
„James?", rief ich quer durch den Raum. „Kannst du mal kurz kommen? Ich muss was mit dir besprechen..."Es war nicht schwer gewesen, James zu überzeugen, das Weihnachtsfest bei mir zu verbringen. Bei seinem breiten, schiefen Grinsen hätte ich das ganze fast wieder zurückgenommen, denn er schien die Sache deutlich gelassener und freudiger in Empfang zu nehmen als ich.
„Bist du dir sicher? Du kennst meine Familie nicht...", versuchte ich, ihn umzustimmen. „Meine Mum ist wirklich..."
Doch sein Grinsen war Antwort genug. Und egal, was ich auch sagte, nichts vermochte seine Meinung zu ändern und so fand ich mich zu Beginn der Weihnachtszeit mit gepackten Koffern und einem aufgeregten Freund im Handgepäck auf dem Bahnsteig in Kings Cross wieder. Die Stimmung während der Autofahrt war ausgelassen und herzlich, doch ich starrte die gesamte Zeit über verdrießlich aus dem Fenster. Das Schneechaos Londons spiegelte meine Stimmung in diesem Moment perfekt wieder.
Ich strich mir eine dunkelrote Haarsträhne aus dem Gesicht. Es war nicht so, dass ich mich nicht freute, meine Familie wiederzusehen, nur schienen sich meine Eltern viel mehr über die Anwesenheit von James als von mir zu freuen. Ihr fröhliches Geplapper ging mir jetzt schon auf die Nerven. Warum war mein Vater so gut gelaunt? Hätte er nicht James inspizieren und ihn anschließend mit einem strengen Blick betiteln müssen? Schließlich war er der erste Junge, den ich mit nach Hause brachte, von dem Urlaubsflirt im Frankreichurlaub mit dem dunkelhaarigen Muggel, der aus Brighton kam, mal abgesehen. Sein kleines Mädchen wurde erwachsen. War das nicht der Moment, in dem Väter besonders sentimental udn beschützerisch wurden? Nun ja, meiner schien sich prächtig zu amüsieren.
Doch meine Stimmung schien sich zu verbessern, als wir das Schneegestöber Londons hinter uns gelassen hatten und auf die Landstraße in meine Heimatstadt einbogen.
Wir ließen die trostlosen Straßen Spinners Ends hinter uns und fuhren den Hügel hinauf. Die Häuser wurden zunehmend hübscher und freundlicher und einige der Hauseigentümer hatten ihre Grundstücke mit bunten Lichtern und Farben zur Feier des Tages ausstaffiert. Als das weiße Haus mit der Backsteinverzierung und den hellen Fensterläden in Sicht kam, verließ mich die triste Stimmung wie auf Kommando und ich freute mich, das erste Mal seit ich heute Morgen in den Zug gestiegen war, dass ich zu Hause war.
Die ganze Autofahrt über hatte James meine Hand gehalten und ich hatte seinen leicht besorgten, fürsorglichen Blick auf mir gespürt, doch ich hatte mich trotzdem darauf beschieden, verdrießlich aus dem Autofenster zu starren, woraufhin meine Mutter ein Gespräch mit ihm begonnen hatte.
Ich schlug die Autotüre des schwarzen Mercedes' –dem Firmenwagen meines Vaters- zu und rannte die eingeschneiten Stufen zur Haustüre hinauf. Ich drückte extra lange auf das Klingelschild mit dem Namen „Evans", bis mir das erzürnte Gesicht meiner älteren Schwester die Tür öffnete.
Ich fiel ihr um den dürren Hals und sie versuchte mich wegzuschieben, doch ich klammerte mich fest. „Tuni!!! Merlin ist das schön dich zu sehen. Wie geht's dir?!", rief ich ausgelassen. Dann senkte ich den Blick etwas und löste mich von ihr. „Und warum hast du keinen meiner Briefe beantwortet?"
Sie musterte mich geringschätzig und ihre schmalen Lippen formten gerade die erste Wortsilbe, als sie verstummte und die blassblauen Augen weit aufriss. James war aus dem Wagen gestiegen und schritt nun den mit Schotter ausgelegten breiten Einfahrtsweg entlang. Er fuhr sich wieder einmal mit der Hand durch sein ohnehin schon unordentliches Haar, setzte ein schiefes, verführerisches Grinsen auf und strecke Petunia seine breite Hand entgegen. Er sah dabei unverschämt gut aus.
Doch sie machte keine Anstalten diese zu ergreifen, sondern drehte sich nur auf dem Absatz um, sodass sich ihr kuzer Minirock aufbauschte und rauschte durch den Flur und die Treppe hinauf. Oben hörte ich das Knallen ihrer Zimmertür, die ins Schloss fiel und meine Augen brannten. Schnell blinzelte ich die Tränen weg, als sich James' Arm um meine Taille schlang und er mir einen Kuss auf die Stirn drückte.
„Das ist also Petunia", flüsterte er an meinem Ohr. „Das Temperament liegt wohl in der Familie."
Ein kleines Lächeln stahl sich auf mein Gesicht und ich zog seinen Kopf zu mir herab und küsste ihn.
„Ich bin froh, dass du hier bist", murmelte ich und vergrub mein Gesicht an seiner Brust. „Wirklich."
Aus dem Augenwinkel sah ich zu ihm hinauf und die haselnussbraunen Augen erwiderten meinen Blick sanft und ich meinte ihn für einen Moment zärtlich lächeln zu sehen. „Ich freu mich auch, Lily... Wirklich."„Sie spielen also Kwitt-tisch?", fragte mein Vater und schlug die Beine übereinander, offenbar in der vollen Überzeugung ein spannendes Gesprächsthema gefunden zu haben, mit dem er James' Interesse geweckt hatte. Doch dieser erstickte seinen kurzen Lacher in seiner Teetasse.
„Öhm, Dad", begann ich. „Es heißt Quidditch."
„Oh." Mein Vater machte große Augen und schien peinlich berührt. „Ja natürlich, Lily-Spatz. Sie spielen also Kwidditsch?", wandte er sich erneut an James.
Ich verdrehte die Augen und mir schoss die Röte in Sekundenschnelle ins Gesicht. Lily-Spatz? Spatz? War das sein Ernst? Meine Eltern hatten wirklich ein natürliches Talent dafür, mich in jeder noch so normalen oder auch unnormalen Situation bloßzustellen.
„Ja, Sir." James nickte eifrig. „Ich bin der Mannschaftskapitän von Gryffindor."
So ging es den ganzen Abend weiter. Mein Vater musterte James zu Beginn etwas ernst, doch nachdem er die ersten Sätze mit ihm gewechselt hatte, verlor er an Misstrauen und unterhielt sich angeregt mit ihm. Meine Mutter war hin und weg und zwang uns sogar ein Foto zu machen. Dann schenkte sie mir „zur Feier des Tages" einen grässlichen grün-orange geringelten Wollpullover und ich war gezwungen ihn den ganzen Abend über zu tragen, doch ich nahm es ihr nicht übel und ließ mich von ihrer guten Laune anstecken. Nur Petunia ließ sich den ganzen Abend nicht mehr blicken, was mir einen kleinen Stich versetzte.
Als es auf Mitternacht zuging und ich ein erneutes Gähnen unterdrückte, erhob ich mich langsam von der Couch im Wohnzimmer. Meine Mutter brachte gerade die vierte Portion Plätzchen ins Zimmer. Und morgen früh würde an meinem Bettende zwischen all den Geschenken sicherlich noch mehr von diesem Gebäck auf mich warten.
„Komm James", sagte ich ungeduldig und zog ihm am Arm aus dem Wohnzimmer.
„Schönen Abend noch, Mr. und Mrs. Evans", rief James beim Gehen und ich rollte mit den Augen. Immer schön charmant bleiben, nicht wahr Potter? Doch innerlich grinste ich.
DU LIEST GERADE
Du gefällst mir, wenn du so wütend bist, Evans!
FanfictionRumtreiberzeit. Eigentlich hätte Lily Evans' Abschlussjahr als Schulsprecherin glänzend beginnen können, wäre da nicht ein gewisser jemand mit zerstrubbeltem schwarzem Haar und haselnussbraunen Augen gewesen. Der Schulstress, die Rumtreiber und auch...