Das erste Licht des Tages brach durch die Fenster herein und tauchte den Jungenschlafsaal der Gryffindors des siebten Jahrgangs in warmes, goldenes Licht. Doch draußen auf den Ländereien von Hogwarts hatte der Schnee die Landschaft mit einer weißen Decke überzogen und die Wipfel des Verbotenen Waldes waren unter all dem weiß beinahe verschwunden. Langsam drehte ich den Kopf und strich mir eine lästige Haarsträhne aus den Augen. Dort neben mir lag er, ruhig atmend und die Brille schief auf der Nase.
Sein verstrubbeltes Haar stand ihm noch wirrer vom Kopf ab, als sonst und sein nackter Oberkörper hob und senkte sich in gleichmäßigen und sanften Abständen. Ich fuhr mit den Fingern sanft die Kontur seiner Brust nach und musste lächeln, als ich an die vergangene Nacht dachte.
Leise schob ich die schwere Bettdecke zur Seite und bemerkte zu meiner eigenen Bestürzung, dass ich nur eines von James T-Shirt trug. Ich betete inständig, dass der Colloportus-Zauber auch über Nacht gehalten hatte. Doch als ich die Vorhänge des Himmelbetts zögernd auf zog blieb mein Blick an einem männlichen und durchaus muskulösen Arm hängen, der aus Sirius Bett herausragte.
Allerdings war dies nicht der Grund zu meiner Bestürzung. Denn in der besagten Hand lag eine kleinere und zierlichere Hand und ich zog instinktiv das kleidähnliche T-Shirt von James enger um meinen Oberkörper.
Was bei Merlins Bart ging hier vor sich? Wann hatten sich Marlene und Sirius ins Zimmer geschlichen? Doch mir stand der Mund offen, als ich das Wirrwarr aus braunen Locken entdecke, die sich ausladend über das Kissen verteilten und die Hälfte von Sirius Gesicht verdeckten. Es war Mary und nicht Marlene, die da im Bett des Herzensbrechers Black lag. Lediglich die Spitze seiner Nase ragte aus dem Berg Locken hervor, denn Mary hatte ihren Kopf an sei Brust gebettet und schlief seelenruhig. Neben dem Bett lagen einige leere Flaschen Butterbier und eine halbgeleerte Flasche Odgen's Old Firewhiskey.
Ich rümpfte die Nase. Alkohol hatte der ganzen Sache also nachgeholfen. Und wie es aussah war reichlich davon im Spiel gewesen. Ich kickte mit dem Fuß eine leere Butterbierflasche aus dem Weg und schlich ins angrenzende Badezimmer.
Im Spiegel betrachtete ich mich einen Moment lang, bevor ich mir eine Ladung eiskaltes Wasser ins Gesicht klatschte. Die grünen, mandelförmigen Augen waren von einem seltsamen Glanz erfüllt, aber ansonsten wirkte nichts an mir anders, als in der Nacht zuvor. Seltsam. Ich schien immer noch die gleiche zu sein, obwohl ich gestern Nacht meine Unschuld ein für alle Mal verloren hatte. Ich trocknete mir das Gesicht ab und durchwühlte den Schrank der Jungs auf der Suche nach einem Kamm oder einer Bürste, denn meine Haare machten denen von James' im Moment echt Konkurrenz.
Ich verdrehte die Augen, als ich endlich einen Kamm fand. „R. J. Lupin" hieß es darauf, denn es musste ja eigentlich offensichtlich sein, dass weder James noch Sirius so etwas wie einen Kamm besaß.
Nachdem ich die rasche Morgentoilette beendet hatte, kroch ich wieder zu James unter die Bettdecke und schloss die Augen. Ich atmete seinen Geruch ein und fühlte mich so geborgen, wie noch nie. Es dauerte nicht lange, bis ich zurück in das Land der Träume glitt.Ich erwachte von lautem Stimmengewirr und dem Geräusch von zerbrechendem Glas über meinem Kopf. Erschrocken fuhr ich aus dem Schlaf hoch und für einen Moment wusste ich nichts zu dem Schauspiel zu sagen, was sich mir da bot.
Marlene war drauf und dran sich auf Mary zu stürzen, aber wurde nur daran gehindert, weil James sie an der Taille festhalten zurückhielt. Sirius stand in zwischen den beiden Mädchen und redete beschwichtigend auf Marlene ein, während er mit einer Hand versuchte Mary mit sanfter Gewalt in die Kissen zurückzudrücken, denn sie sah so aus, als wolle sie sich nicht minder wütend auf Marlene stürzen. Remus stand in der Tür und betrachtete, das Szenario mit geöffnetem Mund. Es sah ganz danach aus, als ob auch er gerade erst den Schlafsaal betreten hatte.
„Was geht hier vor?", sagte Remus nach einigen Sekunden, denn er hatte offenbar seine Stimme wiedergefunden. „Sirius?"
Lupin sah zu Black herüber und hob fragend eine Augenbraue. „Was geht hier vor?", fragte Remus erneut, nachdem er keine Antwort auf seine Frage erhalten hatte.
Ich stand auf und lief zu Sirius Bett herüber, zog Marlene aus James' Armen und funkelte sie wütend an. Es war der Ärger über die gesamten Wochen gewesen, in der sie Mary missachtet hatte und die Tatsache, dass sie einfach so in den Schlafsaal geplatzt war, der mich zur Weißglut trieb.
Zudem hatte es mir einen kleinen Stich der Eifersucht versetzt, als ich sah, wie James Marlene festhielt. Wirklich albern, ich weiß. Aber gerade auf Grund der vergangenen Nacht fühlte ich mich noch stärker mit James verbunden.
Ich stemmte die Arme in die Hüften und meine Augen blitzen auf, als ich über sie herfiel.
„Was bildest du dir eigentlich ein hier einfach so aufzukreuzen? Hast du jetzt nichts Besseres zu tun, als uns hinterher zu spionieren?", fuhr ich sie schamlos an.
Ich schob James beiseite, der mich nur erstaunt anstarrte und bohrte meinen rechten Zeigefinger in die Stelle kurz unter ihrem Schlüsselbein.
„Merkst du denn nicht, dass du ihr damit wehgetan hast, McKinnon?", rief ich und stampfte mit dem Fuß auf den Boden.
Sie starrte mich mit einer Mischung aus Einsetzen, Zorn und Entgeisterung an.
„Lily, was zur Hölle...?", begann sie stotternd doch ich schnaubte nur verächtlich auf, warf das dichte, rote Haar zurück und stolzierte an ihr vorbei.
„Kommst du, James?", flötete ich über die Schulter und schritt hocherhobenen Hauptes aus dem Schlafsaal.
Ich hörte ein Klirren von beiseitegeschobenen Glasflaschen, ein Stühlerücken und dann hastige Schritte auf der Treppe.
„Hey Lily! Warte doch mal. Wo willst du denn hin?", rief James, der, den einen Arm halb in einen Pulloverärmel gezwängt, hinter mir die Treppe heruntergepoltert kam. „Du hast doch gar nichts an."
Erschrocken blickte ich an mir hinab. Tatsächlich. Ich trug nichts. Ich betone nichts, außer dem Shirt. Ein panisches Quieken meinerseits und schon war ich die Treppe wieder hinaufgeflitzt. Merlin, nicht auszudenken, wenn ich so in den Gemeinschaftsraum getreten wäre. Was hätte man denn von mir denken sollen, von der Schulsprecherin?
Zu meiner Verwunderung sah ich, dass Mary sich mit Sirius hinter den Vorhängen von Sirius' Bett verschanzt hatte und Remus noch immer im Türeingang stand, mit der schluchzenden Marlene im Arm.
Meine freundschaftlichen Gefühle siegten.
„Hey, was ist denn los?", fragte ich vorsichtig und strich Marlene sanft übers Haar. „Tut mir leid. Du kennst mich ja, ich kann ziemlich schnell aufmüpfig werden. Hab dich nicht so. Mein Temperament geht halt manchmal mit mir durch."
„Oh ja, was du nicht sagst", hörte ich James hinter mir murmeln, doch ich ignorierte ihn.
Marlene hob den Kopf. „Es tut mir leid", flüsterte ich.
„Nein, nein...", schluchzte Marlene. „Mir tut es leid. Ich war so eine dumme Kuh, Lily. Ich hab euch die ganze Zeit links liegen gelassen und jetzt-" Sie verhaspelte sich. „Und j-jetzt h-hasst mich-" Sie rang nach Luft. „J-Jetzt hasst mich... M-Mary."
„Du Dumpfbirne.", erklang Marys Stimme hinter den Vorhängen hervor. „Ich hasse dich doch nicht."
Remus Blick huschte von mir zu den zugezogenen Bettvorhängen zu Marlene und dann wieder zu mir.
„N-Nicht?", fragte Marlene in den stillen Raum hinein und löste ihren Kopf von Remus' Schulter, der sich sichtlich zu entspannen schien, jetzt wo sich Marlene beruhigt zu haben schien.
„Nein.", sagte Mary bestimmt und man hörte ein leises Lachen in dem einzigen Wort mitschwingen.
„Dann ist ja alles in bester Ordnung", meldete sich Sirius zu Wort und ich meinte ihn Grinsen zu sehen, obwohl sein Gesicht im Dunkeln der Vorhänge lag. „Husch! Raus hier.", fügte er hinzu.
Empört starrte ich die Vorhänge an.
„Blaaack", knurrte ich.
„Und übrigens, Krone", ertönte Sirius' Stimme erneut. „Wirklich schwach, dein Colloporuts-Zauber. Wirklich ziemlich schwach." Er lachte schallend auf, als sich James auf das Bett stürzen wollte.
„Potter", rief ich und warf mich auf seinen Rücken.
„Evans", rief er überrascht und trug mich Huckepack bis zum Bett herüber, ehe er sich mit samt mir, auf Sirius warf.
Das Geräusch von zerreißendem Stoff ertönte und die Vorhänge des Himmelbettes wurden unter dem Gewicht heruntergerissen. Mary kreischte erschrocken auf, doch ihr Schrei verwandelte sich noch in der gleichen Sekunde in ein prustendes Lachen.
„Du bist so ein Idiot, James Potter", fluchte ich, doch das breite Grinsen ließ sich in diesem Augenblick durch nichts aus meinem Gesicht wischen. Er war mein Idiot.Hallöchen liebe Leser,
Jetzt kommt sie wieder - Die übliche Enschludigung, dass das Kapitel erst so spät kommt :D Es tut mir sehr leid...Wer ist eigentlich euer Lieblingscharakter in der Rumtreiber-Zeit? :)
Meiner ist definitiv Lily :D Und Sirius und James stehen auch ganz weit vorne ;)PS: Das auf dem Bild/Gif oben soll Marlene McKinnon sein :D
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Du gefällst mir, wenn du so wütend bist, Evans!
FanfictionRumtreiberzeit. Eigentlich hätte Lily Evans' Abschlussjahr als Schulsprecherin glänzend beginnen können, wäre da nicht ein gewisser jemand mit zerstrubbeltem schwarzem Haar und haselnussbraunen Augen gewesen. Der Schulstress, die Rumtreiber und auch...