Am Montagmorgen hatte mich mein Wecker erneut im Stich gelassen. Ich spurtete ins Bad. Zum duschen hatte ich keine Zeit mehr, weshalb ich mir nur schnell eine saubere Schuluniform anzog und meine Haare zu einem Knoten zusammenband.
Ich wusste, dass ich montags zuallererst eine Doppelstunde Verwandlung hatte, gefolgt von einer Doppelstunde Zaubertränke.
Da meine Chancen bei Professor McGonagall in der ersten, äußerst kurzen, Zeit in meinem siebten Jahr eher schlecht standen, spurtete ich in Rekordgeschwindigkeit los. Auf dem Weg zum Klassenzimmer für Verwandlung stieß ich eine Gruppe Ravenclaw-Mädchen aus dem Weg, die hellauf empört schienen, und kam schlitternd vor der Tür an, in eben jenen Moment, in dem McGonagall dabei war, die Tür zu schließen.
Ihre Lippen waren sehr schmal und ihre dunklen Augenbrauen zogen sich bei meinem verhetzten Anblick wie auf Kommando zusammen.
„Ah, Miss Evans, treten Sie ein", sagte sie knapp.
Ich lächelte ihr zu, in der Hoffnung, sie dadurch vielleicht ein wenig milder zu stimmen. Sie nickte mir nur kurz zu und begann auch sogleich mit dem Unterricht.
Verwandlung fiel mir heute besonders schwer. Wir teilten den Kurs zwar mit den Hufflepuffs, was mir einige höhnische Kommentare von den Slytherins ersparte, doch war es für mich heute unmöglich mich ganz und gar auf die Stunde zu konzentrieren.
Verwandlung war neben Zauberkunst und Zaubertränke eigentlich mein Lieblingsfach, aber die heutige Stunde verlief einfach nur schrecklich. Als es läutete, winkte mich McGonagall zu sich nach vorne ans Lehrerpult.
„Auf ein Wort zu mir bitte, Evans. Und Sie gehen weiter, MacDonald.", sagte sie, als Mary Anstalten machte, auf mich zu warten.
Als auch der letzte Schüler den Raum verlassen hatte, schloss Professor McGonagall die Tür.
„Miss Evans", sagte sie etwas weniger harsch, als es sonst ihre Art war.
„Was mache ich nur mit Ihnen? Sie scheinen mir in letzter Zeit höchst unkonzentriert und nachlässig. Gibt es einen bestimmten Grund dafür, dass Sie in meinem Kurs so unkonzentriert sind? Langweilt mein Unterricht Sie? Ich glaube allmählich, dass sie der Aufgabe der Schulsprecherin vielleicht nicht ganz gewachsen sind, neben all dem Lernen und die Vorbereitungen für ihren UTZ."
Ich sah zu Boden, und mit einem Mal schoss mir die Röte ins Gesicht.
„Nein, Professor.", erwiderte ich rasch. „Ihr Unterricht gefällt mir ausgesprochen, er ist so gut wie immer. Und ich versichere Ihnen, es ist alles in bester Ordnung, was die Schulsprecher-Aufgabe betrifft."
Ich konnte ihr nicht in die Augen sehen und betrachtete stattdessen die Klauenbeine des Pultes. Vermutlich hätte ich ihrem forschenden Blick nicht standhalten können und die Sache mit Mulciber wäre aus mir herausgesprudelt. Zu meiner Befürchtung sagte sie allerdings:
„Sehen Sie mich an, Miss Evans, wenn ich mit Ihnen rede. Den nötigen Respekt sollten Sie doch besitzen."
Ich hob zaghaft den Kopf. Als ich ihrem Blick begegnete, lächelte sie sanft, was äußerst selten für Professor McGonagall war.
„Ich spreche nun als ihre Hauslehrerin zu Ihnen, Evans, und frage noch einmal: Was bedrückt Sie?"
Ich konnte die Tränen nun nicht mehr zurückhalten und der ganze Druck und Schmerz, den Mulcibers Beleidigung und seine Tat ausgemacht hatten, schienen sich durch die Tränen etwas zu lösen. Träne für Träne tropfte auf den Boden von McGonagalls Verwandlungsklassenzimmer.
„Miss Evans", sie sah mich leicht besorgt an und legte den Kopf schief. „Was haben Sie denn? Mir können Sie es ruhig erzählen, ich bin mir sicher, dass ich Ihnen bei Ihrem Problem helfen kann."
Ich schluckte, doch lehnte erneut ab.
„Nein wirklich, Professor. Es ist alles in bester Ordnung. Nur der Druck, den die UTZ-Vorbereitungen auf mich ausüben ist im Moment sehr groß. Ich hoffe, Sie haben Verständnis dafür. Ich werde von nun an versuchen, Ihrem Unterricht mit der gebührenden Aufmerksamkeit zu folgen. Danke, Professor. Darf ich nun gehen?"
Ich machte Anstalten mich zur Tür zu bewegen.
„Natürlich, Evans, natürlich."
Sie blickte mir nach, als ich meine Tasche schulterte und ich mich in erneuter Eile auf den Weg in die Kerker machte. Durch das Gespräch mit Professor McGonagall war meine Pausenzeit verloren gegangen, weshalb ich mich jetzt schnellstens zu Zaubertränke begeben musste.
Meine Tasche schlackerte um meine Beine und Zaubertränke für Fortgeschrittene an meine Brust gepresst rannte ich noch schneller.
Es hatte bereits zum zweiten Mal geläutet.
Als ich ganz außer Atem in die Kerker gelangte, war die Tür zum Klassenzimmers für Zaubertränke bereits geschlossen. Ich regte mich im Stillen über mich selber auf. Ich hatte Glück, dass mich Professor Slughorn gut leiden konnte, so dass es wohl nicht so schlimm war, dass ich einige Minuten zu spät war. Zaghaft öffnete ich die Tür und schlüpfte ins Klassezimmer.
„Ah, unsere Miss Evans", sagte Professor Slughorn gutgelaunt. „Ich hatte mich schon gefragt, wo Sie bleiben." Er lächelte mir freundlich zu und wies auf einen Platz vorne am Pult.
„Verzeihung, Professor", japste ich, „Professor McGonagall hat mich auf gehalten. Sie wollte"-
Doch weiter kam ich nicht. Slughorn lächelte mir erneut väterlich zu und strich sich üben seinen reichlich prallen Bauch.
„Nun, Miss Evans, meine Liebe, Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen. Ich verstehe schon."
Er zwinkerte mir zu.
„Man hat es nicht leicht, so als neue Schulsprecherin, nehme ich an."
Ich wünschte er hätte das gelassen. Ich konnte ein unterdrücktes Prusten von einigen Mitschülern in den hinteren Reihen vernehmen. Sie machten sich über alle Mitglieder des Slug-Clubs lustig. Und da ich zu Slughorns ganz besonderen Mitgliedern seiner, wie er es nannte, Sammlung gehörte, gebührten mir besonders viele Kommentare der Schaulustigen.
Ich setzte mich still hin, zog Zaubertränke für Fortgeschrittene aus meinen Armen und wandte meinen Blick der Tafel zu.
Die Klasse hatte wohl gerade begonnen den Trank der Lebenden Toten zu brauen. Ich seufzte leise. Der Trank war auf den ersten Blick ziemlich knifflig, doch wenn man ihn ein- bis zweimal gebraut hatte, war er verhältnismäßig einfach. Ich schlug die entsprechende Seite im Lehrbuch auf und begann mit dem Trank.
Als ich mich daran machte, die Affodilwurzel kleinzuhacken ließ ich den Blick durch den Raum wandern. Zu meiner linken saß Severus, die Nase tief über sein Exemplar von Zaubertränke für Fortgeschrittene gebeugt und unentwegt kritzelnd. Ich ließ die Affodilwurzel im Wermutsud kochen und konnte beobachten, wie aus dem Gebräu ein bläulicher Dampf aufzusteigen begann. Zufrieden wandte ich mich der nächsten Zeile der Rezeptur zu und erntete einen verzückten Blick von meinem Zaubertrankprofessor. Ich lächelte kaum merklich.
Ich liebte den Zaubertrankunterricht. Aber nicht etwa, weil ich eine der besten im Kurs war. Es war vielmehr die Faszination, die das Brauen auf mich ausübte, der Duft, die Farben und die Wirkung der verschiedenen Tränke erfüllten mich mit einer innerlichen Zufriedenheit. Wann immer mir ein Trank besonders gut gelang, war ich den ganzen Tag über glücklicher, als ich es sonst gewesen wäre.
Meine Logik mochte ihre Fehlerpunkte haben, denn niemand schien sie sonderlich zu verstehen. Marlene hatte Zaubertränke bereits abgewählt und Mary saß gerade in der letzten Bankreihe und kämpfte mit ihrem Feuer unter dem Kessel, das auszugehen drohte. Mein Trank hatte bereits einen brombeerähnlichen Farbton angenommen, sehr zu meiner Zufriedenheit.
Ich war gerade dabei meine Schlafbohne mit der Klinge meines Messers zu zerdrücken, als ich Snapes Blick auf mir spürte. Verstohlen lugte ich durch meinen Vorhang aus Haaren zu ihm herüber. Sein Trank war von einem noch intensiveren Brombeerton als meiner und glich dem Bild aus dem Lehrbuch bis aufs letzte Detail. Severus war Klassenbester in Zaubertränke. Innerlich war ich ein wenig verstimmt. Niemals hatte ich Snape in diesem Fach schlagen können. Sein Blick ruhte auf mir, während er seinen Trank seelenruhig vor sich hin köcheln ließ. Es zerrte sehr an meinen Nerven zu wissen, dass er mich beim Brauen beobachtete. Ich konnte es nicht leiden, wenn mir jemand beim Arbeiten zusah, vor allem jemand von so starker Konkurrenz. Nach der Zugabe des Schlafbohnen-Safts und der Baldrianwurzel, hellte sich mein Gebräu auf und wurde fliederfarben, genau, wie es im Buch beschrieben war. Slughorn lobte mich lautstark und schenkte mir zehn Punkte für Gryffindor. Für nichts, wie ich fand.
Ich rührte gegen Ende mehrmals gegen den Uhrzeigersinn und sah zu, wie sich die Farbe des Trankes von Dunkelviolett über Flieder zu Rosa wandelte. Als wir nur noch fünf Minuten Zeit hatten wurde mein Trank gerade durchsichtig, wie Wasser. Ich war fertig. Mir war während des Brauens sehr warm geworden, und Snapes Blicke hatten diesen Zustand nicht gerade verbessert.
Auch er war bereits fertig und hatte sich wieder über sein Buch gebeugt, die Nasenspitze nur wenige Zentimeter von den Seiten entfernt. Was er wohl schrieb? Slughorn wies uns an, eine Probe des Trankes zur Benotung nach vorne ans Pult zu bringen.
Ich verkorkte mein säuberlich abgefülltes Glasfläschchen und beschriftete es mit meinem Namen. Ich spürte, wie jemand von hinten mein Haar streifte. Snape war an mir vorbeigegangen. Ich beobachtete ihn unauffällig, wie er sein Fläschchen nach vorne trug, während ich meine Bücher zusammenpackte.
„Einen schönen Tag wünsche ich Ihnen noch, meine Lieben.", sagte Slughorn breit lächelnd und verschloss seine Mappe. Ich ließ mir Zeit, da ich keine Lust hatte, mit ihm ein Gespräch zu führen, wie er es sonst so oft nach dem Zaubertrankunterricht zu tun pflegte. Mary rauschte an mit vorbei nach draußen. Ich sah ihr kurz nach und schüttelte den Kopf. Als auch Slughorn endlich den Raum verlassen hatte, war ich allein.
Ich verschloss langsam meine Tasche und genoss die Ruhe und Kühle des Kerkers. Als ich die Tür hinter mir schloss, spürte ich ein erneutes Zupfen an meinem Haar.
Diesmal war es beabsichtigt, das spürte ich, denn es war stärker als das erstere. Ich wandte meinen Kopf und strich mein Haar glatt. Severus lächelte mir zu und ließ die dunkelrote Strähne langsam los. Ich starrte ihn perplex an.
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Du gefällst mir, wenn du so wütend bist, Evans!
FanfictionRumtreiberzeit. Eigentlich hätte Lily Evans' Abschlussjahr als Schulsprecherin glänzend beginnen können, wäre da nicht ein gewisser jemand mit zerstrubbeltem schwarzem Haar und haselnussbraunen Augen gewesen. Der Schulstress, die Rumtreiber und auch...