Sirius Black war der wohl bestaussehendste Junge des gesamten Jahrgangs, da waren sich alle Mädchen einig. Er blickte auf, und das dunkle Haar fiel ihm in einer Art beiläufiger Eleganz um das grinsende Gesicht, als er meinen Blick bemerkte.
„Hey MacDonald, verrat mir doch mal, warum mich Evans mit ihren Blicken malträtiert. Ich dachte dieser Blick gebührt eigentlich James."
Er grinste noch breiter und fuhr sich lässig durchs Haar. Ich schnaubte.
„Erstens, Black", ich sprach seinen Namen besonders hart aus, „malträtiere ich dich nicht mit meinen Blicken, und zweitens frage ich mich, was jemand wie du", ich grinste selbstgefällig, „in der Bibliothek macht. Warum hängst du nicht bei deinen Kumpels ab? Ich dachte die Rumtreiber", ich lächelte sarkastisch bei dem lächerlichen „Banden-Namen", „seien unzertrennlich."
Er hob den Blick von seinem Buch und musterte mich erneut. „Ah, Evans, bring mich nicht dazu, dich zu verhexen. Das würde mir James sehr hoch anrechnen, im negativen Sinne, versteht sich." Er nickte ernst, was ich ihm allerdings nicht abnahm.
Sein Blick huschte zu Mary und dann wieder zu mir. Bevor ich etwas erwidern konnte, begann er wieder zu sprechen. „Wo ist eigentlich die Dritte in eurem Bunde?"
Er schweifte mit dem Blick suchend über meine Notizen, Bücher und meine Tasche, als wenn er Marlene in ihr vermutete.
„Sie schläft noch, Black, nehme ich an.", sagte ich knapp und wendete mich wieder mit entschlossener Miene meinen Verwandlungsaufgaben zu.
„Und wenn es dir nichts ausmacht", fügte ich hinzu, „würde ich gerne weiterarbeiten. McGonagall hat mich schon auf dem Kicker."
Er ignorierte meine letzten Worte und sah mich scheinbar in seine eigenen Gedanken vertieft mit glasigem Blick an. „Meinst du, du könntest McKinnon ausrichten, dass ich sie später gerne sprechen würde. Hier in der Bibliothek?"
Bevor ich etwas erwidern konnte verkündete eine helle Stimme: „Wer will mich wann sprechen, Lily?"
Marlene war dazu gestoßen. Ich vermutete, dass sie meine Notiz gelesen hatte und sich gleich darauf auf den Weg in die Bibliothek gemacht hatte, da auch sie von McGonagall vermahnt worden war. Ihr Blick glitt hinüber zu Sirius Black.
„Oh, hallo Sirius", hauchte sie.
Ich verdrehte die Augen. Es war schon lange kein Geheimnis mehr, dass Marlene auf Sirius stand. Ihre dunkelblauen Augen huschten zu mir herüber.
„Also, Lily?", sagte sie mit nun festerer Stimme. Ich stand im Zwiespalt. Entweder ich verriet Marlene, dass Black auch etwas von ihr wollte und verlor sie im gewissen Sinne somit ein Stück, oder aber ich log.
Ich betrachtete, meine Chanen abwägend, ihr Gesicht. Marlene McKinnon war engelsgleich und leicht wie eine Frühlingsbrise, mit ihrem sanft gewellten blonden Haar und ihren großen blauen Augen.
Ihre Haut war sehr hell, fast noch helle,r als meine eigene, was sie noch zerbrechlicher aussehen ließ. Doch man durfte sich nicht von ihrem äußeren Erscheinungsbild täuschen lassen. Marlene konnte zwar ziemlich schüchtern sein, vor allem in der Nähe von Black, aber in Wahrheit hatte sie es faustdick hinter den Ohren.
Verstohlen folgte ich Sirius' Blick, der Marlene musterte. Heute trug sie ein blaues Sommerkleid, was ihrer Leichtigkeit noch mehr Nachdruck verlieh. Angesichts ihres Kleides fiel mein Blick automatisch zum Fenster der Bibliothek, durch welches man die sanften grünen Wiesen und den See der Hogwartsländereien erkennen konnte. Es war ein strahlend sonniger Tag.
Es war einer von diesen Herbsttagen, an dem man die letzten Sonnenstrahlen des Sommers genießen sollte, bevor der Herbst endgültig ins Land einzog. Die Sonne schien golden auf die Wipfel des Verbotenen Waldes hinab und ich konnte nicht anders, als den Entschluss zu fassen, den Aufsatz auf Morgen zu verschieben. Den heutigen wohlmöglich letzten sonnigen Herbsttag wollte ich mit meinen Freundinnen genießen, ohne dass so jemand wie Black oder Potter dazwischen kam. Ich entschied mich für eine Notlüge, eine klitzekleine, wie ich fand.
„Nichts, Marlene, ich dachte nur, dass du, Mary und ich zum See hinunter spazieren könnten, um das Wetter zu genießen. Ich kann mich jetzt sowieso nicht konzentrieren."
Ich deutete unauffällig in Sirius' Richtung und warf das dunkelrote Haar zurück.
„Komm schon".
Ich fing an, die Sachen in meine Tasche zu stopfen. Ich konnte ihren misstrauischen Blick im Nacken spüren, während ich meine Tasche schulterte. Ich fasste nach ihrem Arm und zog, doch sie rührte sich nicht. Ihre blauen Augen wurden schmal, als wüsste sie, dass ich ihr etwas verheimlichte.
Hilfesuchend blickte ich zu Mary, doch sie war noch immer damit beschäftigt Sirius schmachtende Blicke zuzuwerfen, die er allerdings nicht zu bemerkten schien. Es sah ganz danach aus, als hätte Mary unsere komplette Konversation nicht mitbekommen. Ich seufzte und wandte mich nun erneut an Sirius.
„Hör zu, Black. Ich möchte jetzt gerne diese Tür passieren", ich deutete zum Bibliothekseingang.
„Nun, wo liegt das Problem, Evans?"
„Du stehst im Weg, Black", sagte ich und hob eine Augenbraue.
„Oh", machte er nur und riss seinen Blick endlich von Marlene los. Er reagierte zu meiner Freude aufs Wort.
„Oh ja, natürlich", sagte er nun wieder mit seinem selbstgefällige Grinsen auf dem Gesicht, welches Potters Gesicht leider allzu häufig zierte, und welches ich so verabscheute.
Er gab den Weg frei. Ich ließ Marlenes Arm los und sah Mary an, welche aus ihrer Trance erwacht zu sein schien. Sie sprang von Tisch und drehte fortwährend eine Locke um ihren Finger. Ich stolzierte an Black vorbei aus der Bibliothek und war heilfroh, dass mir Mary, und kurze Zeit später auch Marlene, folgte.
Wir liefen den grasbewachsenen Abhang zum See herunter. Ich schleuderte meine Tasche ins Gras und zog die Schuhe aus. Marlene legte sich rücklinks ins Gras und beobachtete mich und Mary dabei, wie wir unsere Beine im See kühlten. Ich hatte den Bund meiner Jeans so weit es ging hochgekrempelt und ließ mit dem Zauberstab nun zur Belustigung der anderen beiden bunte Blasen an der Wasseroberfläche erscheinen. Ich hielt Ausschau nach dem Riesenkraken, doch dieser schien sich in die schlammigen, grünen Tiefen des Sees zurückgezogen zu haben.
Der Himmel wies im Laufe des Tages immer mehr Wolken auf. Die weißen flauschigen Wölkchen vom Morgen waren verschwunden und in der Ferne hatten sich einige graue Gewitterwolken gebildet, die langsam aber stetig auf das Schloss zuzogen. So fleckenlos schien das Wetter also doch nicht zu sein.
Ich zog die Brauen zusammen, da der Sommer nun sein Ende gefunden zu haben schien. Ich unterließ das Spiel mit den Wasserblasen und betrachtete meinen Zauberstab. Weidenholz, 10 ¼ Zoll. Der Stab war sehr biegsam und geschmeidig. Ich hatte ihn damals bei Ollivander, dem Zauberstabmacher, in der Winkelgasse gekauft. Dies geschah im Alter von elf Jahren.
So hing ich meinen Gedanken nach und bemerkte nicht, dass Mary und Marlene sich wieder aufrichteten und Marlene ihre Jacke überzog. Sie schienen zu diskutieren und Marlene deutete immer wieder zum Himmel, während Mary sich schmollend ihre dunkelgrüne Jacke überwarf.
Ich hatte erst vor wenigen Minuten angefangen mein Buch hervor zu holen und es mir am Fuße eines Baumes gemütlich gemacht.
„Komm schon, Lily, es fängt bald an zu regnen.", sagte Marlene, die es angesichts der nahenden Regenwolken anscheinend eilig hatte ins Schloss zurückzukommen, bevor es zu regnen begann.
„Ihr könnt doch schon alleine hoch gehen, mir macht ein bisschen Regen nichts aus.", erwiderte ich, im wehmütigen Gedanken daran, dass dies vermutlich die letzte Sommersonne des Jahres war.
Mich zog es nur wenig in die steinernen Mauern des Schlosses zurück, jetzt wo ich es mir im Gras bequem gemacht hatte. Mary zuckte mit den Schultern.
„Da ist wohl nichts zu machen, Marlene. Wenn Lily einen Entschluss gefasst hat, ist es beinahe unmöglich sie davon abzubringen."
Also machten sich Mary und Marlene auf den Weg zurück zum Schloss und ich wendete mich wieder „Hexen für Verhexte" zu. Zumindest das Wetter schien mir wohlgesinnt zu sein, denn ich konnte eine weitere Stunde unter der Buche sitzen bleiben, bis ich die ersten Tropfen spürte. Da ich den Regen viel früher erwartet hatte, es aber nur einige Tropfen waren, steckte ich mein Buch kurzerhand in die Tasche zurück und begann langsam meine Chucks anzuziehen. Beinahe jeder lief heutzutage mit den Dingern herum, seit sie es aus dem USA nach Großbritannien geschafft hatten. Ich war gerade dabei meinen zweiten Schuh zuzubinden, als sich die Tröpfchen in kirschkerngroße Tropfen verwandelten.
Der Regen prasselte in der Geschwindigkeit von tausend kleinen Gewehrkugeln auf mich nieder. Fluchend versuchte ich den Schuh zuzubinden, was mir in meiner Fahrigkeit gründlich misslang. Ich ließ ihn offen, packte mir meine Tasche, die Bücher in ihr waren glücklicherweise wassergeschützt, und begann im Laufschritt den Weg zurück zum Schloss.
Die Regentropfen hatten sich mittlerweile in Hagelkörner verwandelt und ich hatte erst die Hälfte des Weges hinter mich gebracht. Ich war pitschnass.
Er hagelte? Warum hagelte es im September?
Wütend verbannte ich diese lächerlichen rhetorischen Fragen aus meinem Kopf und begann zu rennen. Meine Kondition hatte schon immer sehr zu wünschen übrig gelassen, da ich meine Zeit öfter mit Lesen, als mit Sport verbrachte.
Merlin sei Dank hatte ich die von Natur aus schlanke Figur meiner Mutter geerbt.
Ich schnaufte, als der Hügel stark anstieg und hielt mir die schmerzenden Seiten. Bis auf die Knochen durchnässt und mit berstenden Lungenflügeln kam endlich hinter der kleinen Hügelkuppe in wenigen Metern Entfernung das Schlossportal in Sicht.
Ich wurde langsamer und verfiel wieder in eine Arte Trab. Ich spürte einen Zug an meinem linken Fuß und knallte der Länge nach in das matschige Gras. Ein Schwall unschöner Worte entwich mir, bei denen mein Vater sicherlich mehr getan hätte, als mir einen mahnenden Blick zuzuwerfen.
Ich war doch tatsächlich über meinen eigenen Schnürsenkel gestolpert.
Wie schusselig konnte man eigentlich sein?
Wutschnaubend richtete ich mich auf. Der Hagel donnerte weiter auf mich ein und ich spurtete die letzten Meter zum Portal. Dort angekommen wischte ich mir die nassen Haare aus dem Gesicht und besah mir das Dilemma. Meine Jeans und das weiße T-Shirt waren voller Schlamm und Grasflecken. Auch meine nackten Arme waren nicht verschont geblieben.
Braun tropfte der Moder an ihnen herunter auf den Steinboden vor dem Eingangsportal.
Zu allem Übel hatte ich mir auch noch eine dicke Schramme am Ellenbogen, und ein aufgeschürftes Knie durch den Sturz eingefangen. Doch das war nichts, was Madam Pomfrey nicht binnen Sekunden wieder richten konnte. Meine Klamotten stellten in dieser Sicht das größere Problem dar. Ich zückte meinen Zauberstab, um die Flecken wenigstens notdürftig zu entfernen. Das war es noch, dass die frischgebackene Schulsprecherin sich Hänseleien der unteren Klassen, wegen ihres Aufzuges anhören musste. Die Flecken gingen nicht raus, aber ich schaffte es den Schmutz an meiner Haut zum Verschwinden zu bringen. Gerade, als ich das Portal aufdrücken wollte, um mich auf schnellstem Wege in den Schlafsaal und unter die Dusche zu schleichen, hörte ich ein schallendes Gelächter hinter mir.
Ich drehte mich um, die Augen katzengleich zu Schlitzen verengt.
Der Vertrauensschüler von Slytherin, Mulciber, stand rechts neben dem Eingang, völlig trocken, an die Wand gelehnt und amüsierte sich köstlich über mein dreckiges Erscheinungsbild. Und neben ihm, das fettige schwarze Haar fiel ihm wie ein Vorhang um das blasse spitze Gesicht, stand niemand anderes als Severus Snape.
Snape lachte nicht, doch er hatte die schmalen Lippen zu einer Art spöttischen Grinsen verzogen.
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Du gefällst mir, wenn du so wütend bist, Evans!
FanfictionRumtreiberzeit. Eigentlich hätte Lily Evans' Abschlussjahr als Schulsprecherin glänzend beginnen können, wäre da nicht ein gewisser jemand mit zerstrubbeltem schwarzem Haar und haselnussbraunen Augen gewesen. Der Schulstress, die Rumtreiber und auch...