Schlamm, Blut und Feinde

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„Guten Tag, Evans", grüßte mich Mulciber herablassend und postierte sich lässig an das Portal gelehnt vor mir.
„Haben wir uns heute besonders hübsch gemacht? Ist das für Potter?"
Er machte eine kurze Kunstpause, in der ich ihn nur wortlos anstarrte.
„Ah, ich verstehe.", sagte er nach einer Weile und grinste noch breiter, „Du möchtest deiner Herkunft wohl gerecht werden, nicht wahr?"
Er deutete auf den Schlamm, der an meinem weißen Top herunterlief.
„Schlamm, Evans. Jetzt machst du deinem Namen alle Ehre, du dreckiges kleines Schlammblut."
Snape verzog keine Miene. Das Grinsen war inzwischen aus Mulcibers Gesicht gewichen, und statdessen war es nun zu einer Art wahnsinnigen Grimasse verzogen. Seine Augen funkelten trügerisch, als er den Zauberstab zog. Snape zuckte kurz mit dem Arm, als wolle er ihm den Zauberstab aus der Hand schlagen.
Doch stattdessen fuhr er mit seiner schmalen langfingrigen Hand unter den Umhang und zückte den eigenen Zauberstab. Mulciber richtete den Zauberstab drohend auf mich. Ich hielt meinen eigenen weiterhin in der Hand, unfähig in irgendeiner Weise zu reagieren. Schließlich fand ich meine Stimme wieder. Den Blick auf Mulciber geheftet, versuchte ich Severus auszublenden.
„Geh beiseite, Mulciber", sagte ich ruhig, und ignorierte seine Beleidigung.
Ich wollte mich an ihm vorbeidrängen, doch er drückte mich mit einem Arm gegen die Wand. Die Schultasche glitt mir aus den Händen und ich umklammerte meinen Zauberstab nun krampfhaft.
„Wie bitte?", sagte Mulciber. „Ich denke nicht, dass ich mir von dir Befehle erteilen lasse, Schlammblut."
Ich schnappte nach Luft und drehte meinen Kopf in dieser ungünstigen Situation so gut es ging zu Mulciber.
„Ich melde das dem Schulleiter. Und jetzt lass mich los, verdammt."
Ich ballte meine Hände zu Fäusten und wollte seinen Arm wegschieben, doch merkte schnell, dass ich zu schwach für ihn war. Snape stand bloß daneben und hatte die Mundwinkel amüsiert nach oben bezogen.
„Sieh her, Severus. Miss Streberin möchte es dem Schulleiter melden. Wie schade, dass dieser Schlammblut- und Muggelliebhaber nicht hier ist. Denkst wohl, du wärst was Besonderes, jetzt, wo du Schulsprecherin bist. Guck dich doch an, in deinen Muggelklamotten und mit deinen dreckigen Muggeleltern."
Abermals ignorierte ich seine Worte und betrachtete erstmals Snape, dessen Gesicht weiterhin zu einem höhnischen Grinsen verzogen war.
„Sag ihm, er soll mich loslassen", befahl ich ihm mit autoritärer Stimme.
Als Snape sprach, erschrak ich einen Moment. Seine Stimme hatte sich, seit ich ihn zuletzt sprechen gehört hatte, verändert.
Sie war leise, dunkel und samtig...verlockend. Anders, als ich sie in Erinnerung hatte. Doch seine geschmeidige Stimme triefte vor Hohn.
„Ich glaube nicht, dass ich das tue", sagte er spöttisch lächelnd. Mulciber grinste und richtete den Zauberstab auf mein Gesicht.
„Petrificus Totalus", schnarrte er.
Meine Arme und Beine klappten zusammen. Steif, wie ein Brett fiel ich vorn über. Mein Gesicht traf auf den Steinboden vor dem Eingang. Ich hörte ein unschönes Knacken und spürte, wie mir Blut aus der Nase quoll.
„Komm, wir verschwinden", murmelte Mulciber. „Ratzeputz", murmelte Snape noch und richtete seinen Zauberstab auf mich. Das Blut verschwand, doch der Dreck blieb.
„Und wag es dich, das irgendeinem Lehrer zu melden, Schlammblut.", zischte Mulciber und schlug das Portal hinter sich und Snape zu.

Ich saß inzwischen im Bademantel und mit nassem Haar auf meinem Bett im Schlafsaal. Ich starrte auf den Baldachin über mir.
Die Vorhänge des Himmelbettes hatte ich zugezogen und meine Gedanken kehrten zu dem eben Geschehenen zurück. Der Klammerfluch hatte sich erst nach einer halben Stunde von mir gelöst. Auf dem Weg zurück in den Gemeinschaftsraum hatte mich zum Glück niemand bemerkt.
Meine Nase war gebrochen gewesen, doch ich hatte sie mit dem Episky-Zauber wieder in Form gebracht. Jetzt stieg der blanke Hass in mir auf und zerfraß meine Gedanken wie ein Krebsgeschwür. Snape, dieser elende Hund. Merlin, war ich sauer. Von Mulciber war nichts anderes zu erwarten gewesen. Aber Severus?
Mulciber hatte zuvor besonders Mary drangsaliert. Snape hing schon seit geraumer Zeit mit Leuten wie Avery und Mulciber ab.
Mary hatte nie explizit erklärt, was genau Mulciber damals in unserem ZAG-Jahr mit ihr anstellen wollte. Ich weiß nur, dass sie weinend in unseren Schlafsaal kam und mit niemandem reden wollte.
Als Emmeline Vance dann Professor McGonagall holen ging, rückte sie in meiner und Marlenes Anwesenheit ein bisschen mehr mit der Sprache heraus.

Mary war Reinblüterin und Mulciber hatte anscheinend, so unglaublich es für mich klang, mit ihr ausgehen wollen. Als sie partout ablehnte, hatte er wohl etwas ziemlich unschönes getan.
Ich zog mir die Decke über den Kopf, als ich die Tür zum Mädchenschlafsaal aufgehen hörte.
Durch einen Spalt lugte ich nach draußen. Marlene sah sich suchend um, doch da ich die Vorhänge zugezogen hatte, konnte sie mich nicht sehen. Sie rief kurz nach mir, runzelte die Stirn und verlies den Schlafsaal wieder. Ich wollte im Moment alleine sein. Ich hatte auch nicht vor Marlene, Dumbledore oder sonst wem von der eben passierten Sache etwas zu erzählen.

Irgendwann musste ich wohl eingeschlafen sein, denn ein Schrei riss mich aus dem Schlaf.
„Mary, ich hab sie gefunden. Schätze sie war den ganzen Tag im Schlafsaal."
Mary kam die Treppe heraufgetrampelt.
„Mensch Lily, wo warst du denn die ganze Zeit?", fragte sie alarmiert, während sich Marlene zu mir auf die Bettkante setzte.
„Hab geschlafen, schätze ich.", murmelte ich und strich mir mein wirres Haar aus dem Gesicht. Der Himmel hinter den Fenstern war indigoblau, die Sonne war inzwischen untergegangen.
„Wie spät ist es?", murrte ich.
„Halb neun am Abend", sagte Mary leicht verstimmt.
„Lily, hör mal, du hättest uns aber ruhig sagen können, dass du schlafen gehen willst. Wir haben uns schon Sorgen um dich gemacht."
Sie warf Marlene einen Blick zu, die an ihrem Kleid herumnestelte.
„Ich war eben müde", sagte ich nur und stieg aus dem Bett. „Und jetzt, wenn es euch nichts ausmacht, würde ich mich gerne bettfertig machen und schlafen."
Ich wendete ihnen den Rücken zu. Sie tauschten Blicke, das wusste ich. Das mulmige Gefühl in meinem Magen, das mich seit Mulcibers Angriff erfüllte, wollte einfach nicht verschwinden.
Ständig schwirrten meine Gedanken zu Severus zurück. Waren wir nicht einst beste Freunde gewesen? Beste Freunde seit Kindertagen?
Doch wir waren es nicht mehr. Das war mir heute so deutlich wie nie zuvor geworden. Wir waren Feinde.


Du gefällst mir, wenn du so wütend bist, Evans!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt