CreepyPasta: "Mr. Angel"

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Mr. Angel saß neben mir auf der Parkbank. Er ist mein bester Freund. Ich zeigte auf einen alten Mann, der uns gegenüber saß. "Was macht er da, Mr. Angel?". Eine nicht angezündete Zigarette hing im Mundwinkel des Mannes. Seine Augen waren vom Alter gezeichnet und er starrte ausdruckslos ins Nichts.
Mr. Angel beugte sich zu mir und flüsterte mir ins Ohr:"Er sucht nach seiner Frau, die er vor langem verloren hat." Seine Worte fühlten sich warm an auf meiner Wange und ich lächelte ihn an. Ich mochte die Geheimnisse, die er mir erzählte; Mr. Angel wusste einfach alles! "Das ist wirklich traurig,
Mr. Angel!", sagte ich. "Warum hilfst du ihm nicht?" Ich konnte es nicht sehen weil er keinen Mund hatte, aber er lächelte. Er stand auf und ging lautlos zu dem alten Mann hinüber, legte einen seiner knochigen Finger auf die Mitte seiner Brust, bevor er sich abwandte und sich wieder neben mich setzte. Ich zog an dem schwarzen Mantel, den er immer trug und fragte ihn:"Was hast du gemacht, Mr. Angel?" Ich konnte Mr. Angel leise seufzen hören, als er sich gegen die Sense lehnte, die er bei sich trug. "Ich habe ihn zurück zu seiner Frau geschickt", krächzte er. "Ich habe sie ihm vor langer Zeit genommen und sie war immer sehr einsam." Ich schaute zu dem alten Mann. Er kniete auf dem Boden und griff sich, erfüllt von Schmerzen, an sein Herz! Sein Gesicht war schmerzvoll verzogen und ich konnte hören, wie er keuchend nach Luft schnappte! "Mr. Angel, was hast du getan?!?" schrie ich. "Das hilft ihm nicht!!" Aber Mr. Angel saß nur schweigend da, während er zusah, wie der alte Mann litt! Ich wollte mit den Fäusten auf seine Schulter einschlagen, doch alles, was ich traf, war leere, kalte Luft. Eine Träne lief über meine Wange. "Mr. Angel!" schrie ich.
"Mr. Angel, komm zurück!!" Die Tränen tropften von meinem Kinn, als ich mein Gesicht in meinem Schoß vergrub und weinte. Als ich mich umdrehte, sah ich den Körper des alten Mannes. Er lag jetzt steif da, aber sein Gesicht war nicht mehr verzerrt. Seine Hand lag nicht mehr verkrampft auf seinem Herzen. Er lag auf dem Rücken, die Hände ordentlich über der Brust gefaltet, und wirkte erleichtert, ruhig, zufrieden. Ich rutschte von der Parkbank und fiel auf die Knie. Jeden Moment würde der Kadaver aufspringen und mir ins Gesicht lachen. Ich wollte glauben, dass das alles nur ein schrecklicher Scherz war. Ich wünschte, jemand würde lachen, doch alles, was ich hörte, war der Frieden, der eintritt, wenn jemand aus dem Leben geschieden ist. Ich stand über der Leiche und eine meiner Tränen fiel auf seine Haut. Ich wusste nicht, was ich tun sollte! "Bitte!" flehte ich. "Steh auf! Bitte, steh auf!!" Ich schüttelte ihn; nichts! "Steh auf!!" Ich legte meine flache Hand neben die Hände des Mannes; nichts. Kein Herzschlag! "Der alte Mann ist jetzt da, wo er hingehört. Er ist glücklich." Die Worte schienen über meine Haut zu streichen. Ich drehte mich um; Mr. Angel beobachtete mich von der Parkbank aus. "Du hast ihn umgebracht!!!" schrie ich. Ich konnte kaum atmen und hatte kein Gefühl mehr in meinen Beinen. Mr. Angel erhob sich von der Parkbank und kam zu mir herüber. Er kniete sich hin und ich spürte, wie er sein Leichentuch um mich legte und mich in eine warme Umarmung schloss. Ich sah auf und
Mr. Angels leeres Gesicht wirkte freundlich. Mit einer Hand griff er nach seiner Sense, die andere legte er auf meine Schulter. Ich konnte es nicht sehen, aber ich war mir sicher, dass er lächelte. "Tod...?" sagte ich. Meine Stimme war noch immer heiser und ich unterdrückte ein paar Tränen. "Hast du ihm wirklich geholfen?" Der Tod sah mich an und beugte sich vor. "Meine liebe Kleine, der Tod kann so vieles sein! Der Tod kann hart sein, der Tod kann schmerzhaft sein. Eines Tages wird der Tod auch dir auf den Fersen sein, aber vergiss nicht: Das Beste, was man tun kann, wenn der Tod einem begegnet, ist, ihn zu empfangen, wie einen Freund." Er zog mich näher an sich heran. Ich konnte fühlen, wie sich sein Leichentuch langsam um mich herumwickelte. Es fühlte sich warm an und gemütlich. Es war gut, dem Tod nahe zu sein! "Jetzt nenn mich nicht mehr 'Tod', denn eigentlich bin ich ein Engel! Schon vergessen?" Ich lachte ihn an und wischte eine Träne weg. "Weil du die Leute in den Himmel bringst, oder?" Er konnte nur nicken. "Mr. Angel!?" sagte ich zu ihm. "Du bist mein bester Freund, oder?" Mein Atem stoppte, sein Lächeln war verschwunden, er sah mich durchdringend an und das Leichentuch fühlte sich kalt an, als es über meine Haut strich. "Ja...!" krächzte der Tod. "Ich bin ein bester Freund...!"

Kunterbuntes AllerleiWo Geschichten leben. Entdecke jetzt