Kunterbuntes Allerlei

Kurzgeschichte: "Das Haus der unendlichen Treppen"

Ich heiße Charles und ich bin ein Königssohn; genau genommen der jüngste von 3 Prinzen und als solcher bin ich aufbrausend, ungeduldig und natürlich, als Adeliger, stolz, hochmütig und sehr arrogant.

Heute erhalte ich plötzlich von einem Diener eine erschreckende Nachricht: Mein Vater ist schwer krank und die Ärzte sind machtlos! Entsetzt renne ich sofort in sein Gemach, in dem schon meine anderen Geschwister um sein Bett stehen; ich geselle mich zu ihnen und erkenne mit Schrecken meinen Vater, der schwach mit kraftlosen Gliedern daliegt. "Vater...!" flüstere ich bestürzt. Er schlägt die Augen auf, sieht uns alle an und sagte leise: "Meine lieben Kinder, ich fühle, dass ich dem Tod nahe bin. Ich könnte ohne weiteres von dieser Welt Abschied nehmen, wäre da nicht noch die Frage: Wer von euch wird mein Erbe antreten? Ich will nicht einfach nur den Ältesten erwählen, da ich das nicht gerecht finde. Darum hört meine Worte, oh meine geliebten Kinder und möglichen Nachfolger: Derjenige, der mit dem wertvollsten Schatz des Landes, mit dem des 'Hauses der unendlichen Treppen' zu mir zurückkehrt, soll mein Amt antreten!" Nach diesen Worten schläft er wieder ein und wir gehen aus seinem Schlafzimmer, um uns zu beraten. Wir alle wissen nicht, was dieses seltsame Gebäude überhaupt sein soll, und wo es zu finden wäre, schon gar nicht. Simon, der älteste, kräftigste und weiseste von uns, meint: "Ich frage unsere Boten; sie waren doch bestimmt schon überall im Land und müssten sich daher sicher am Besten auskennen; vielleicht haben sie dieses wunderliche Haus schon einmal irgendwo auf ihren Reisen gesehen" und läuft zu ihnen. Max, unser mittlerer Bruder und sehr freundlich, hilfsbereit und ausgeglichen, schlägt vor: "Ich könnte die Gelehrten fragen. Sie wissen doch einfach alles, bestimmt auch etwas über das 'Haus der unendlichen Treppen' " und lässt mich auch allein, der ich überlege. Ich will keine Hilfe von anderen, sondern es ganz allein schaffen; ich bin schon immer ein ziemlicher Draufgänger gewesen. Somit gehe ich direkt in den Stall, nachdem ich viel Verpflegung eingepackt habe, sattele mein Pferd und da ich überhaupt nicht weiß, wo dieses seltsame Gebäude sein könnte, reite ich einfach mal meiner Nase nach in Richtung Osten. Ich reite die ganze Zeit weiter nach Osten und auf meiner Reise frage ich alle Leute, ob sie das "Haus der unendlichen Treppen" kennen und wissen, wo es sein könnte, alle verneinen. Nach 1 Jahr komme ich zu einem kleinen Häuschen eines Einsiedlers. Ich habe eigentlich keine große Hoffnung mehr, noch eine weiterbringende Antwort zu finden, trotzdem trete ich ein und frage auch diese Person. Der Mann, ein älterer Mönch, lächelt geheimnisvoll und antwortet: "In der Tat, mein Junge, das 'Haus der unendlichen Treppen' gibt es tatsächlich!" Ich werde vor grenzenloser Erleichterung ganz aufgeregt und frage ihn gespannt: "Woher wissen Sie das? Haben Sie davon etwas gehört oder gelesen?" Mein Gegenüber antwortet: "Ich habe davon nicht nur gehört, sondern ich war selber einmal dort vor langer Zeit. Mein Meister hat mir den Auftrag gegeben, zu diesem heiligen Gebäude zu pilgern, denn dadurch würde mein Geist und auch meine Seele wachsen und mächtiger werden. Ich folgte seinem Befehl und wanderte viele Jahre Richtung Westen, wo das 'Haus der unendlichen Treppen' zu finden wäre. Während meiner langen Reise habe ich viele Erfahrungen gesammelt, gute wie schlechte, sinnvolle wie unnütze, an denen mein Geist und meine Seele gewachsen sind und dabei immer reiner und mächtiger wurden, sodass ich am Ende die vollkommene Erleuchtung erfahren durfte, nach der ich mein ganzes Leben lang gesucht hatte." Ich höre dem alten Mann zwar zu, doch eigentlich interessiert mich die ganze Zeit nur eine Sache: "Und was ist mit dem Schatz, den dieses wunderliche Gebäude enthalten soll? Ich habe gehört, er soll der wertvollste des ganzen Landes sein!" Der Mönch sieht mich durchdringend mit einem wissenden Blick an und spricht: "Nicht nur des Landes, mein Junge; nein, dieser sagenumwobene Schatz ist mit Abstand der mächtigste in der gesamten Welt!" Meine Augen funkeln gierig und ich frage gespannt: "Haben Sie ihn denn entdeckt? Wie sieht er aus? Schmuck? Gold? Edelsteine?" Der alte Mann lächelt und antwortet mir: "Das kann ich dir nicht sagen, denn du musst es selbst herausfinden, mein Junge! Aber ich will dir helfen, dein lang ersehntes Ziel zu erreichen: Gehe nach Westen, immer weiter und weiter, ohne die Richtung zu ändern! Irgendwann wirst du eine fast unendlich-große Wüste erreichen; durchquere sie! Dieses Gebiet beschreibt das Ende der Welt, hinter dem das 'Haus der unendlichen Treppen' zu finden ist." Ich freue mich so überschwänglich, dass ich endlich nützliche Informationen erhalten habe, aber gleichzeitig bin ich, der ich auch faul bin, etwas enttäuscht und mutlos, aufgrund der wohl sehr langen und anstrengenden Reise. Doch das Wissen, dass nach dieser grenzenlosen Mühe der wertvollste aller Schätze auf mich wartet, muntert mich schnell wieder auf und gibt mir neue Kraft. Somit bedanke ich mich bei dem alten Mönch, ich will ihm etwas schenken, doch er lehnt es dankend ab mit der Begründung, dass ihm sein Leben so gefällt, wie es ist, was mich als hochmütiger und stolzer Prinz mehr als verwundert, verabschiede mich und ziehe wieder weiter, diesmal aber in die entgegengesetzte Richtung.