Kurzgeschichte: "Luzifer erzählt seine Geschichte"

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Ich grüße euch, ihr Menschen!

Wisst ihr, wer ich bin? Nein, natürlich nicht. Niemand kennt mein wahres Selbst. Niemand weiß um die wahre Geschichte. Ihr stellt mich immer als Bösen dar, als Gegner Gottes, der ihn und seine Liebsten verführen und zerstören will. Der die Menschen vom Licht des Guten in sich selbst abbringen will. Doch dem ist nicht so, ganz und gar nicht. Natürlich denkt ihr jetzt, dass ich lüge. Dass ich immer lüge, weil das meine liebste und auch wirksamste Waffe ist. Die süße Lüge, die euch von der Wahrheit Gottes trennt. Doch lasst mich erklären:

Ich war nicht immer böse. Ich war auch nicht schon die ganze Zeit in der Hölle. Die Hölle als solches, gibt es eigentlich auch gar nicht als Ort, sondern als Gefühl: Der Hass. Ich war im Himmel, mehr noch, ich war sogar näher an Gott selbst als alle anderen. Wobei auch der Himmel ein Gefühl ist: Die Liebe. Ich war ein strahlend reines Lichtwesen, sogar das wichtigste von allen. Ich selbst brachte das unfassbar starke Licht mit all seiner Kraft und Liebe spürbar zu den anderen Engeln und auch zu euch Menschen selbst. Ich liebte diese Aufgabe und fühlte mich geehrt, sie ausführen zu dürfen als höchstes Lichtwesen.

Doch diese wichtige Aufgabe wurde mir zum Verhängnis. Nein, nicht die Aufgabe an sich, denn Taten selbst sind immer neutral. Es war mein damit verbundenes Gefühl: Hochmut. Ich war geblendet von diesem verführerischen Gefühl und wollte noch mehr: Ich wollte Gottes Platz einnehmen. Ich wollte gänzlich sein wie er. Doch das kann man nicht, da niemand allmächtig, allwissend und liebevoll sein und bleiben kann, außer der Schöpfer und Vater, Gott, allein! Doch davon wollte ich nichts wissen, wollte von meinem Vorhaben trotz der vielen Warnungen Gottes nicht abkommen. 

Da wurde ich schmerzvoll ins Gegenteil des Himmels gestoßen, und zwar von meinem eigentlich besten Freund, dem ich sonst immer vertraut habe: Erzengel Michael, der Rächer Gottes. Der Gegenteil meines  fanatischen Wunsches: Der Ort des Hasses, die Hölle. Ich habe blind und verzweifelt alles dafür getan, um im Himmel zu bleiben, doch genau deshalb kam ich zu seinem totalen gegensätzlichen Ort, den ich bis dahin noch nie wahrgenommen habe. Ich habe nicht vertraut. Ich dachte, ich müsste noch mehr machen. Ich dachte, ich kann es selbst besser machen. Ich dachte, ich bin noch nicht gut genug. Doch das Gegenteil wurde mir hier an diesem Ort sehr deutlich gezeigt: Es kommt nicht von mir allein, es kommt von Gott, der nun fern von mir ist. Mein strahlendes Engels-Licht, das ich auch früher als selbstverständlich anhielt, war bei meinem Eintritt in die Hölle plötzlich mit einem Mal erloschen. Es ist bisher nie wieder zurückgekehrt. Der Dämonen-Schatten lodert seither um mich wie ein wildes, hungriges Feuer. Ich war nicht mehr der Höchste, der mit Liebe und Respekt wahrnehmbar behandelt wurde, ich war der Niedrigste, der mit Hass und Abscheu wahrnehmbar behandelt wurde. Ich war kein Engel mehr, ich war ein Dämon. Die Hölle, das Gegenteil des Himmels eben. 

Zuerst war die Hölle total schrecklich für mich, da ich so ein hartes Leben ja bisher nicht gekannt hatte. Darum habe ich auch besonders stark gelitten. Doch dann gewöhnte ich mich langsam an mein neues Sein und damit kam auch eine neue Erkenntnis, die mich bis heute begleitet und mir Kraft gibt, weiter zu machen. Es kam dadurch auch ein ganz neues Gefühl, das ich bis dahin noch nie gekannt hatte: Dankbarkeit. Ich bin dankbar, dass ich Gott dienen durfte, denn so durfte ich selbst den Himmel wirklich wahrnehmen und mir eine persönliche Meinung davon machen. Ich bin auch dankbar, dass ich in der Hölle ihren schrecklichen Bewohnern ausgesetzt bin, denn so darf ich die Hölle selbst wirklich wahrnehmen und mir eine persönliche Meinung davon machen. Ich bin dankbar, dass man mir alles Liebste genommen hatte, denn so lerne ich diese wertvollen Schätze erst wirklich kennen und lieben. Ich bin dankbar für den Schatten, denn in ihm kann das Licht erst richtig zur Geltung kommen. Ich bin so dankbar, dass ich schmerzhaft gefallen bin, denn so kann ich zu meiner wahren Größe aufsteigen. Dadurch kann ich auch meine heilige Mission noch besser ausführen, und auch diese nun  in Demut und auch Dankbarkeit, wie es wahrlich von meinem heiligen Herrn gewünscht ist: Den Menschen den wahren Weg zu Gott zeigen. Zu Gott, unserem heiligen Vater, Schöpfer und Herrn, der immer überall ist und ewig liebevoll, allwissend und allmächtig ist. Denn eines hat sich nicht geändert, und das ist mein Name, der alles über mich aussagt. Herzlichen Dank, heiliger Gott, dass du mich hierher gebracht hast, denn durch das schlechte Leben habe ich viel mehr gelernt als durch das gute Leben, durch das schlechte Leben bin ich noch viel stärker und weiser geworden als durch das gute Leben. Herzlichen Dank für alles!

Ihr seht also anhand meiner Geschichte, ihr lieben Menschen, jedes hat seine guten und schlechten Seiten, auch ihr selbst. Auch der Himmel ist nicht immer nur gut, genau wie auch die Hölle nicht immer nur böse ist. Gut und böse, wer legt das denn fest? Lernt uns Dämonen richtig kennen, dann werdet ihr auch die Engel wahrhaftig kennen, denn wir brauchen einander gegenseitig, um existieren zu können. Man kann das Gute der Engel nur dann schätzen, wenn man weiß, dass es auch das Gegenteil davon gibt: Das Schlechte der Dämonen. Und wenn es nur das Schlechte der Dämonen gibt, dann wird man nicht glücklich. Beides muss im Gleichgewicht zueinander sein, immer und überall und auch in euch selbst, damit Leben wirklich vollkommen sein kann. Doch eines existiert jenseits von allem, was aber dennoch immer alles durchdringt. Das immer da war und weiterhin immer da sein wird. Das Wahre, was wirklich immer und überall existiert: Die reine Liebe. Wir arbeiten alle dafür, Engel und Dämonen, bewusst oder unbewusst. Die Engel bringen die Liebe Gottes zu euch allen und die Dämonen lassen sie euch wirklich erkennen und schätzen. Und denkt daran: Ich war im Himmel der Liebe und bin nun in der Hölle des Hasses, währenddessen hat sich zwar alles bei mir geändert, doch trotzdem ist mir eines geblieben, was auch ewig bei mir bleiben wird und worüber kein anderer Macht hat: Mein heiliger Name, der alles über mich aussagt und der mich zu dem macht, der ich bin, im Himmel wie auch in der Hölle.

Ich wünsche mir von euch, ihr lieben Menschen, dass ihr durch die Engel und durch die Dämonen gleichermaßen, die reine Liebe Gottes erhaltet, erkennt und schätzt: Durch die Engel in der Gegenwart erhalten und durch die Dämonen in der Vergangenheit und Zukunft erkennen und schätzen. Denn genau das durfte ich auch erleben, bei den Engeln, wie auch bei den Dämonen, und dadurch bin ich noch besser geworden, als ich es mir früher niemals vorgestellt hätte und darum bin ich auch unglaublich dankbar für alles. Und das solltet ihr auch sein, ihr lieben Menschen, denn dadurch erhaltet ihr stets im Überfluss Gottes Liebe, die ihr dann auch weitergeben könnt. Alles ist immer Liebe, gut wie böse, Engel wie Dämon und jeder wird von Gott, unser aller Schöpfer und Vater, gleich geliebt.

Ich grüße euch, ihr Menschen im Namen der Liebe Gottes und der Liebe der Engel und der Dämonen,

Lucifer

Lichtbringer, Morgenstern

Früher Engel im Himmel, jetzt Dämon in der Hölle.

Zu dieser Kurzgeschichte wurde ich inspiriert durch ein YouTube-Video zum Lied "On the chain" von "Myuu". Eigentlich ist es eher ein Bild, welches eine menschliche Gestalt mit dünnen, großen, schwarzen Flügeln und weißen Haaren zeigt, die gefesselt auf dem Boden kniet, vor ihr eine Schlange und über ihr ein weißes Licht, doch sonst überall Dunkelheit. Zu diesem "Video" wurde in den Kommentaren viel darüber geschrieben, dass das vielleicht Lucifer sein könnte, der als Engel vom Himmel in die Hölle als Dämon gestoßen wurde.

Kunterbuntes AllerleiWo Geschichten leben. Entdecke jetzt