Nur Gott weiß

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,,Hier is' die letzte", rief Benny und stellte die Kiste auf der Küchentheke ab. ,,Hast wirklich nich' viel gehabt, was?"

Dean antwortete nicht, sondern starrte nur weiterhin aus dem Fenster. Der Verkehr bewegte sich langsam durch Remington. Er sah Menschen ihr Leben anpacken, während er sich die ganze Zeit so fühlte, als ob seins stillstand.

,,Dean?"

,,Ja, Ben, danke, Mann", sagte er leise.

,,Willst du was zu Mittag essen? Geht auf mich, Bruder."

,,Nee, mir geht's gut. Danke für deine Hilfe."

,,Dean..."

,,Mir geht's gut."

Benny seufzte. ,,Alles klar. Ich bin gleich nebenan, falls du was brauchst. Das ist mein ernst, Dean, irgendwas."

Dean nickte, brachte aber wieder keine Antwort zustande. Das Glas trübte sich um die Stellen, die seine Finger berührten, während der Regen die Straße unter ihm in einen Bach verwandelte. Er seufzte, lehnte sich vor und drückte seine Stirn gegen das kühle Glas.

Erschöpfung war nicht einmal mehr das richtige Wort für diese Müdigkeit, die bis zu seinen Knochen durchgedrungen war. Er hatte seit dem Tag nicht mehr geschlafen, als Anna gegangen war. Jede Nacht lag er im Bett, wälzte sich hin und her, bevor er sich schließlich auf den Rücken legte und die Decke anstarrte.

Dean verlor ab und zu sein Zeitgefühl. Das war nichts Neues, seit dem sogenannten Unfall, doch über die letzten paar Tage war es ein wenig schlimmer als sonst geworden. Manchmal saß er einfach nur da und starrte die Wand an oder aus dem Fenster, und die Zeit verging, ohne dass er es überhaupt bemerkte. Es war mehr als frustrierend, denn es geschah immer wieder. Beispielsweise war er sicher, dass Benny gerade erst Tschüss gesagt hatte, doch als er sich vom Fenster abwandte, stand der in Deans Küche und summte, während er grünen Pfeffer schnitt.

,,Was tust du da?"

Benny sah mit einem Lächeln auf seinem Gesicht hoch. ,,Siehst aus, als hättest du seit 'ner Weile kein ordentliches Essen gehabt. Wollte das sowieso zum Abendessen machen. Jetzt mach ich's einfach hier."

,,Benny..."

,,Ich weiß, ich weiß, aber ich bin hungrig und du wahrscheinlich auch. Welchen Unterschied macht das?"

,,Ich will von niemandem bemitleidet werden."

,,Mach ich nicht. Nur Gumbo. Und Reis. Oh, und meine Spezialität: Jalapeño-Maisbrot." Benny zuckte die Achseln und kehrte zum Schnippeln zurück. Es war klar, dass er die Angelegenheit als erledigt betrachtete. ,,Warum räumst du nicht ein paar dieser Kisten aus, während ich koche?"

Dean schnaubte und griff gereizt nach der ersten Kiste. Er trug sie in sein Zimmer und stellte sie auf das Bett. Es dauerte nur einen Moment, die Klamotten in seine Kommode umzulagern. Als das geschafft war, erinnerte er sich, dass seine Laken gewaschen werden mussten. Also zog Dean das Bett ab, brachte sie ins Bad und zur Umkleide, wo die Waschmaschine und der Trockner waren.

Sobald er einmal in Bewegung war, war das Anhalten schwer. Als sich die Feuerwache mit dem guten, verführerischen Duft von Bennys Essen füllte, schaffte er es, die Hälfte der Kisten auszupacken. Dean steckte die Laken in den Trockner, räumte noch ein paar Kisten aus und drückte sie dann zum Recyceln platt. Er benutzte seinen Computer, um seine Post und Zeitschriften nachschicken zu lassen, und änderte die Adresse auf seinem Bankkonto.

Irgendwann ließ er sich auf die Couch plumpsen. Die Müdigkeit drang zu ihm durch. Er starrte in die Luft, bis Benny sich neben ihn setzte und eine große Schüssel Gumbo und Reis in seinen Schoß stellte.

Painted Angels (deutsch)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt