(15) Kate Black

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Nach meiner Bitte seine Schwester kennen zu lernen, saßen wir nun gemeinsam in seinem Wohnzimmer und schauten uns schweigend an. Es war nicht das erste Mal, dass ich die Familie eines Freundes kennenlernte, aber es war das erste Mal, dass es sich so wichtig anfühlte, dass ich einen perfekten ersten Eindruck hinterlassen wollte. Naja, der erste Eindruck war nach hinten losgegangen, als wir bei unserem Treffen vor wenigen Tagen übereinander hergefallen waren. Die Worte, die gefallen waren, würde ich nur ungern wiederholen.

Wie sollte man den ersten Eindruck einer eifersüchtigen Furie rückgängig machen? Diese Frage hatte ich mir im Stillen die letzte halbe Stunde gestellt, während Jayden versuchte, ein unverfängliches Thema zu finden. Als dann sein Handy klingelte, war das Geräusch in der Stille extrem laut und wir zuckten zusammen. Er entschuldigte sich und ging in die Küche zum Telefonieren. Nach wenigen Minuten war er schon wieder zurück.

„Es gab einen Zwischenfall im Büro und ich muss kurz hin." Ich sprang von meinem Platz auf und wollte mit ihm gehen, immerhin war ich seine Assistentin, doch er meinte, er schaffe es alleine und ich solle mich mit seiner Schwester anfreunden.

Nun waren wir alleine und ich hoffte, sie würde mich nicht in der Luft zerfleischen.

„Also, was willst du von meinem Bruder?", war dann auch schon die erste Frage, die sie stellte.

„Ähh, was?" Verwundert schaute ich sie an.

„Was willst du von ihm?" Das war eine gute Frage. Aber eine Antwort hatte ich leider nicht. Wenn ich ihr sagen würde, ihr Bruder hätte mich zu Beginn unserer Bekanntschaft bedrängt, würde sie mich für verrückt erklären. Oder für eingebildet halten.

„Willst du sein Geld? Oder willst du, dass sein guter Ruf auf dich abfärbt? Oder willst du einfach mit ihm ins Bett?" Sie bohrte weiter und mit jeder Frage, die sie mir mit ihrer kalten Stimme stellte, fühlte ich mich immer unwohler, bis es mir beinahe schon kalt den Rücken runterlief.

„Wenn du dich von ihm schwängern lassen willst, brauchst du es gar nicht zu versuchen. Er würde nie auf eine wie dich herein fallen." Sie verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich entspannt zurück. Doch ich war alles andere als entspannt. Wütend sprang ich auf und hätte dieser eingebildeten Pute am liebsten eine gescheuert, doch ich hielt mich zurück.

„Hör auf, so einen Mist zu reden! Ich will weder Jaydens Geld, noch seinen Ruf, noch will ich mich von ihm schwängern lassen." Ich ging auf und ab und fuchtelte aufgebracht mit den Armen.

„Er war derjenige, der mich nicht in Ruhe lassen wollte. Er hat mich so lange bedrängt, bis ich seinen Forderungen nachgegeben habe, ok? Es ist doch nicht meine Schuld, dass ich mich in ihn verliebt habe!" Bei meinen letzten Worten schrie ich beinahe schon und schlug mir dann auch schon die Hand vor den Mund. Oh mein Gott. Was hatte ich da eben gesagt? Entsetzt ließ ich mich an Ort und Stelle auf den Boden sinken und starrte vor mich hin. Ich hatte mich verliebt. In Jaden Black. Einen Playboy.

Nicht schon wieder!

Ich hatte mir doch fest vorgenommen alle Gefühle aus dem Spiel zu lassen und nur die Lust und die Nähe zu genießen. Doch anscheinend hatte ich mein hoffnungslos romantisches Herz wieder mal vergessen, dass tat was es wollte. Und zwar sich verlieben. In jeden Typen der mal nett zu mir war. Ich hatte gar nicht gemerkt, dass Kate zu mir gekommen war und sich neben mich gehockt hatte. Ihre Hand lag auf meinem Rücken und sie beugte sich zu mir herunter.

„Du musst doch nicht weinen." Plötzlich war ihre Stimme ganz weich und sanft und verwirrte mich noch mehr. Am liebsten wäre ich aufgesprungen und davon gelaufen. Was sollte ich denn jetzt machen? Was wenn diese Beziehung genauso endete wie die davor? Wenn ich wieder alleine zurückblieb mit einem gebrochenen Herzen und mein Leben von neuem beginnen müsste. Würde ich das ein weiteres Mal überstehen?

„Ich wollte nicht so gemein sein, ehrlich. Aber ich musste doch erfahren, was du wirklich für ihn empfindest." Sie redete weiter ohne darauf zu achten, dass ich ihr gar nicht richtig zuhörte. Sie faselte was von geldgierigen Schlampen, die alles tun würden, um ihren Bruder einzufangen. Doch das war mir ehrlich gesagt egal. Innerlich debattierte ich über meine nächste Aktion. Was sollte ich tun? Hierbleiben und Jayden meine Gefühle gestehen, damit er auf ihnen herumtrampeln konnte, um mich dann in die Wüste zu schicken? Oder zum aller ersten Mal in meinem Leben selbst die Entscheidung treffen? Ich brauchte nicht lange zu überlegen. Ich würde gehen. Ich hatte mir geschworen, mich nie wieder zu verlieben. Nie wieder diese nervigen Gefühle und gebrochene Herzen. Ich hatte genug davon. Und was wäre einfacher, als einfach zu gehen? Ich stand auf und ging in Jaydens Zimmer. Ich hörte noch wie Kate hinter mir her ging und etwas sagte, doch ich schloss die Tür. Wie ein Roboter ging ich durch das Zimmer und begann meine Sachen zu packen. Ich überlegte kurz, ob ich Pinky mitnehmen sollte oder nicht. Meine Entscheidung brach mir zwar das Herz, doch hier bei Jayden hatte sie es im Moment am besten. Wer wusste schon wo ich landen würde? Schweren Herzens versprach ich mir aber, sie zurück zu holen, wenn ich wusste, was ich als nächstes tun sollte. Als ich sein Zimmer verließ, war von Kate nichts zu sehen. Ohne weitere Zeit zu verschwenden ging ich auf direktem Weg zur Tür. Pinkys miauen zerriss mir das Herz, doch ich ging weiter und schloss die Tür hinter mir. Das Kratzen an der Tür ignorierend wischte ich mir die Augen und ging auf den Fahrstuhl zu.

Jayden

„Was soll das heißen, Sie können die Unterlagen nicht finden?"

„Ich weiß nicht wo sie abgeblieben sind, Sir! Bei unserem letzten Meeting habe ich sie noch gesehen."

„Wenn Sie diese verdammten Unterlagen nicht finden und der Deal nicht zustande kommt, fliegen Sie in hohem Bogen hier raus, haben Sie das verstanden?" Der Angestellte aus der Finanzabteilung, an dessen Namen ich mich vor Wut nicht erinnern konnte, nickte ängstlich und verließ fluchtartig mein Büro. Manchmal wunderte ich mich über die Inkompetenz mancher Leute. Ich sollte vielleicht alle Angestellten auf Herz und Nieren prüfen lassen und schauen wer überhaupt in der Lage war seinen Job richtig zu machen. Die anderen konnten sich dann anderweitig nach einer neuen Arbeit umsehen. In einem so großen Unternehmen wie dem meinem galt immer noch das Gesetz des Dschungels. Fressen oder gefressen werden. So einfach war das.

Nachdem ich mich etwas beruhigt hatte, erledigte ich noch einige Aufgaben. Ich wollte nicht zu früh wieder nach Hause und Rebecca und Kate bei ihrem Kennenlernen stören. Die beiden wichtigsten Frauen in meinem Leben mussten mal ein bisschen Zeit gemeinsam verbringen und sich besser kennen lernen. Natürlich war es mir auch wichtig, dass Kate Rebecca mochte, doch wenn dies nicht zu traf, würde ich Rebecca dennoch nicht verlassen. Aus der anfänglichen Sympathie und Anziehung, die ich verspürt hatte, waren meine Gefühle für sie tiefer geworden. Mit dem Wort Liebe wollte ich noch nicht um mich werfen, besonders da ich wusste wie ängstlich und gleichzeigt stur Rebecca war, doch ich wusste mit hundertprozentiger Sicherheit, dass ich noch nie für eine andere Frau so empfunden hatte wie für sie. Vertieft in meine Gedanken hörte ich das Klingeln meines Telefons nicht. Erst als Miss Pierce, meine Abteilungsleiterin, unangemeldet in mein Büro kam, riss ich mich zusammen.

„Gibt es ein Problem?", fragte ich sie direkt, denn ihr besorgter Blick wirkte alles andere als beruhigend.

„Ihre Schwester hat versucht sie zu erreichen, Mr. Black. Es ist etwas passiert und Sie sollen sie dringend zurückrufen." Mit einem Kopfnicken entließ ich sie und fischte mein Handy aus der Tasche. Nach dem ersten Klingeln ging sie gleich ran und ich hörte ihren hektischen Atem durch die Leitung.

„Sie ist weg!" Ihre Stimme klang schrill und panisch.

„Wer ist weg?" Obwohl sich ein ungutes Gefühl in mir ausbreitete, wollte ich es doch hören. Alle möglichen Gedanken rasten in diesen wenigen Sekunden durch meinen Kopf.

„Rebecca. Sie ist weg. Ich habe schon in jedem Zimmer nachgesehen, aber ..." Weiter konnte ich ihre Stimme nicht mehr hören, denn der Hörer war mir aus der Hand gefallen. Entsetzen und blanke Angst machten sich in mir breit.

Wo war sie?, war mein erster Gedanke und warum war sie gegangen, der zweite. 

(12.07.18)

his secretaryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt