Kapitel 56

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Fünfzig Jahre alt.

Meine Mutter starb an einem schönen und sonnigen Tag. Schuld war die Altersschwäche und ich verbrachte den ganzen Tag damit wie erstarrt aus dem Fenster zu schauen und zu weinen, wie Vampire es nunmal taten. Keine einzige Träne lief über meine Wange, nur meine Kehle schnürte zu und brannte. Meine Augen hatten sich grün gefärbt und meine Kräfte ließen nach. Und wieder wurde mir bewusst, warum ich das unendliche Leben nie mochte.

Ich würde alle um mich rum verlieren, außer Taddl. Irgendwann würden wir einsam und alleine sein, immer neue Leute kennenlernen und diese wieder verlieren und das immer so weiter. Zum Glück gab es aber noch Mary, den ich so sehr schätzte. Mein Körper zitterte unangenehm, während ich unsichtbare Kreise mit dem Zeigefinger auf der Fensterbank fuhr. Wie sollte ich es bis zur Unendlichkeit ohne meine Mutter jemals wieder zu sehen aushalten? Wäre meine Kräfte jetzt da, dann hätte ich die Fensterbank vor Wut schon lange zerstört, aber die Trauer verhindert mich.

»Ardian?« Langsam kam Taddl in unser Zimmer und stellte sich hinter mich. Seinen Kopf legte er auf meine Schulter und seine Hände auf meine Hüfte. Er schwieg, gab mir damit ein Zeichen, dass ich seinen Gedanken lauschen sollte, was ich auch schließlich machte.

Im Leben wird dich immer etwas auf den Boden drücken und dir wehtun, doch genau da ist es wichtig stark zu bleiben. Ich weiß, der Verlust deiner Mutter zerreißt dich innerlich, aber selbst dieser Schmerz vergeht irgendwann. In deinem Leben werden noch viele gehen müssen, du wirst der einzige überlebende bleiben neben mir und tausenden anderen Vampiren, doch so schlimm muss es nicht sein. Schau' mich an. Ich erwachte irgendwo alleine in einem Wald, als Vampir. Ich habe meine Familie aufgegeben, weil ich nicht mehr ich war und habe jahrelang einsam und alleine gelebt. Ardian, ich weiß wie du dich fühlst, aber wenn du dir wochenlang darüber Gedanken machst, machst du dich nur noch unglücklich.

Ich ließ die Worte etwas auf mir wirken und seufzte schließlich. »Ich mache mich nicht unglücklich, ich bin unglücklich.«

»Ich verstehe dich... Kann ich irgendwas tun, damit du dich besser fühlst? Willst du einen Film schauen, raus und von den Bäumen aus die Natur sehen oder bisschen in die Stadt? Oder möchtest du einfach kuscheln?« Ich drehte mich um und legte meine Arme um seinen Nacken. »Kuscheln klingt gut.«

Ages | TardyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt