Kapitel 6

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Feuer! Da war so viel Feuer! Ihre ganze Welt brannte lichterloh. Die Wände, die Türen, die Möbel! Alles war zu Asche verbrannt. Die Flammen waren unersättlich, nicht aufzuhalten. Es fraß sich durch ihre gesamte Existenz, ihr Wesen, ihren Reichtum, Ihre Armut. Verschlang ihr doch so karges Leben, bis nichts mehr übrig blieb, das noch zu retten war. Als es erstarb hinterließ es nur Ruinen. Schatten dessen, was einmal gewesen war. Ihre ganze Welt war nun vollkommen in Finsternis gestürzt. Verkohlt und vergessen. Tot ohne Begräbnis. Sie gab zu, es war nicht viel gewesen, doch es war wenigstens etwas gewesen. Lange hatte sie dieses Schloss nicht gekannt. Es war wohl eher ihre Zukunft um die sie trauerte. Würde ihr Leben jemals schön und normal werden?

Erneut traten ihr Tränen in den Augen. Das war einfach zu viel für einen Tag. Das Blut in ihrem Gesicht war kaum geronnen und dann das. Es war nicht nur das Feuer, das gewütet hatte, ganze Teile des Schlosses hatten sich einfach in Luft aufgelöst. An ihrer Stelle klaffte ein riesiges, zylinderförmiges Loch, ohne Erklärung. Als sei etwas unendlich schweres schräg über die Erde geschliffen. Vielleicht ein Meteorit? Das würde vielleicht auch das Feuer erklären. Doch den Gedanken verwarf sie sofort wieder. Diese Zerstörungen passten nicht zu einem solchen Aufprall.

Ihre Schritte knirschten, als sie durch die Zerstörung schritt. Sie hielt dich Luft an, als der Wind ihr eine Aschewolke ins Gesicht blies.

Hier stimmte etwas nicht, da war sich Aiko sicher. Hier stimmte etwas ganz und gar nicht.

Offenbar hatte das ganze Schloss gebrannt, es war verkohlt und eingestürzt, doch fehlten die Leichen. Es hatten gewiss nicht alle überlebt, sie blieben unauffindbar.

Wut stieg in ihr auf. Selbst Sorano war verschwunden. Dieser Umstand machte ihr am meisten zu schaffen. Sie war ihre persönliche Dienerin gewesen. Ihre direkte Untergebene. Ihre Pflicht wäre es gewesen, sie zu beschützen! Doch sie war nicht da gewesen. Alles nur um irgendeinem dummen Herrscher irgendeine verfluchte Karte zu bringen! Wäre sie doch bloß niemals aufgebrochen! Dann wäre sie nie angegriffen worden, Naraku hätte nicht zu ihr kommen müssen und hätte das Schloss beschützen können! Sie fluchte. Verfluchte sich selbst, verfluchte die Welt, verfluchte das Schicksal. Verfluchte jeden, der das Schicksal ändern konnte, da er in diesem Moment nicht da gewesen war.

Doch irgendwann verflog ihre Wut und wich der Verzweiflung. Was sollte nun werden? Sie war doch gerade erst angekommen. Sie hatte sich noch nicht einmal eingelebt. Sie hatte kein Zuhause mehr! Von den Eltern verlassen und ihr Haus abgebrannt. Ihre eigene Dienerin wahrscheinlich mit ihm. Es hätte nicht schlimmer kommen. Sie war noch immer gebunden. Woran, wusste sie nicht. Wahrscheinlich an Naraku. Er war ihr Mann und die Person die ihr zurzeit am nächsten stand. Schließlich hatte er sie vor Sakebi gerettet. Das musste doch irgendetwas bedeuten. Oder nicht?

Sie wurde aus ihren Gedanken gerissen, als sie ein Geräusch vernahm. Ein Schauder lief über ihren Rücken. Es war ein Wimmern. Allarmiert sah sie sich um.

„Wer ist da?" rief sie in die Weite. Das Wimmern wurde lauter. Aiko bog nach rechts ab, mitten in die Trümmer, wobei sich ihre blutige Kleidung schwarz färbte. Ihre Beine, noch schwach vom Kampf, gaben unter ihr nach, als sie über ein Mauerrest steigen wollte. Sie schlug sich ihre Knie auf und benetzte ihre Hände mit frischem Blut, als sie versuchte sich abzufangen. Asche wirbelte auf und färbte ihr Gesicht und ihre Kleidung grau. Ihre Augen begannen zu tränen und sie wischte sich übers Gesicht.

Entschlossen sah sie sich um, als das Wimmern erneut erklang. Dennoch regten sich in ihr Zweifel. Wie konnte sie anderen helfen, wenn sie sich selbst nicht mal helfen konnte.

Ihr Blick fiel auf einen einzelnen Punkt in der Ferne. Sie kniff die Augen zusammen. Der Punkt wurde deutlicher. Ein Schauder lief ihr über den Rücken, als sie es zu erkennen glaubte. Mühsam stemmte sie sich auf die Beine und schleppte sich vorwärts. Immer den Punkt vor sich fixierend. Es wurde immer größer und klarer. Bald wurde ihre Ahnung zu kalter Gewissheit.

Das Gift in ihrer SeeleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt