Kapitel 22

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Nach seiner rätselhaften Aussage, war Naraku wortlos aus der Hütte gegangen.

Aikos Verstand brauchte ein paar Sekunden um vollständig aufzuklaren. Sie folgte ihm mit großen Schritten, sich fragend, was eben mit ihr geschehen war.

Der Nebel um ihren Verstand war verschwunden und hatte sie benommen zurückgelassen.

Sie errötete, als sie sich daran zurückdachte, wie sie sich in seinen Augen verloren hatte. Am liebsten hätte sie ihm bei allem, was er gesagt hatte, zugestimmt. War das normal? Hatte sie sich...

Nach einer Weile erreichten sie eine kleine Hütte, die unauffällig in der Mitte der kleinen Häuseransammlung stand. Das einzige, was sie von den anderen unterschied, war ein kleiner, gedrungener Mann, der in voller Rüstung und Waffe im Anschlag davor wache hielt.

Ein Blick von Naraku genügte und er trat mit gesenktem Kopf einige Schritte zur Seite.

Schwungvoll öffnete ihr Ehemann die Tür und trat in die Dunkelheit. Aiko folgte ihm.

Als sie an dem kleinen Mann vorbei ging, senkte dieser sein Haupt noch etwas tiefer und sie bemerkte, dass er leicht zitterte.

Sie zog die Augenbrauen zusammen und fügte dem Rätsel „Naraku" noch einige neue Fragen hinzu. Mochte er es gefürchtet zu werden? War das seine Art sich Respekt zu verschaffen?

Sie rümpfte die Nase. So wollte nicht gefürchtet werden. Sie wollte nicht mehr in aller Augen als Dämon gelten. Sie war keines dieser abartigen Monster. Doch wie sollte sie das klarstellen? Wie sollte sie von ihren Untertanen respektiert, und trotzdem nicht gefürchtet werden? Sorano, die als ihr einziges Beispiel herhalten musste, hatte sie zwar nie gefürchtet, doch respektiert hatte sie sie auch nie.

Mit dem nächsten Schritt war auch Aiko in der kleinen Hütte verschwunden und schloss die Tür hinter sich.

Drinnen zündete Naraku bereits mehrere Kerzen an und langsam gewöhnte sich Aikos Auge an die Dunkelheit, sodass sie bald ohne Probleme sehen konnte.

Der Raum war über und über befüllt mit unzähligen Kisten, Ständern und Regalen, die fast vor Waffen überquollen. Sogar an den Wänden waren mehrere Bögen und Schwerter angebracht, von denen manche so groß waren, dass Aiko sich fragte, wie ein normaler Mensch diese benutzten sollte.

Aus den Kisten ragten bereits mehrere Pfeile heraus und in den Regalen lagen kreuz und quer verschiedene Arten von Nunchackus, Messern und Dolchen verteilt. Sie konnte einige Regale entdecken, die über und über mit Schusswaffen bestückt waren. Daneben standen Säcke in denen sich bestimmt das Schießpulver verbarg. Sogar auf dem Boden lagen einige Kugeln, einige mit langen Stacheln, einige Glatt, in Haufen gestapelt herum, von der sie eine böse Vorahnung hatte, wofür sie gedacht waren.

In den Ecken des Raumes liefen die Ständer fast über mit langen Speeren, dessen Spitzen im Kerzenlicht blitzten.

Aiko stand der Mund offen. Noch nie hatte sie solch ein Arsenal an Waffen, so dicht gedrungen an einem Ort gesehen. Und eine davon sollte sie fortan führen?

Naraku drehte sich zu ihr um und das Licht der Kerzen tanzte auf seinem Gesicht. Er betrachtete sie abschätzend, während sie ihre Aufmerksamkeit nicht von den geschmückten Schwertern an der Wand reißen konnte. Manche von ihnen waren so groß wie sie selbst, hatten mit Drachen verzierte Griffe oder waren mit den verschiedensten Bändern an den Knäufen versehen.

Naraku nahm eine lange Kette, an der ein Haken befestigt war, aus einem Regal. Er sah zu ihr hinüber und wog die Waffe abschätzig in seinen Händen ab. Dann schüttelte er den Kopf und legte sie nicht ganz so behutsam wieder zurück. Sein Blick wanderte von den Schwertern zu den Bögen zu den Dolchen, doch keines schien er als richtig zu empfinden.

Doch dann schien ihm die rettende Idee zu kommen. Er öffnete eine der Kisten, die am weitesten in der Ecke standen und war einige Minuten lang hinter den Regalen verschwunden. In dieser Zeit ließ Aiko es sich nicht nehmen mit der Hand über eines der riesigen Schwerter zu streichen. Sein Griff war dick und mit einem dunklen Leder umwickelt. Der Stahl der messerscharfen klinge war trotz der kalten Temperaturen eiskalt.

Ihre Hand schloss sich nun vollständig um den Griff, wagte jedoch nicht es von der Wand zu heben.

„Was sind das für Schwerter, Naraku?" fragte sie, noch immer verzaubert von der Schönheit der Waffe.

„Lass lieber die Finger davon. Das sind Dämonenschwerter."

Aus war der Zauber. Sie zuckte zurück und ihr bewundernder Blick war einem angewidertem Gewichen. Wenn man es so betrachtete, war es wohl doch nicht so schön. Der Drache war hässlich und die Flammen erinnerten sie an ihr brennendes Schloss.

Sie wand sich ab.

Naraku bog um die Ecke, kam auf sie zu und hielt ihr seine getroffene Wahl entgegen. Sie nahm die Waffe in die Hände.

Es war ein Fächer aus pechschwarzem Holz, verziert mit mehreren roten Bändern.

„Er ist wirklich wunderschön, aber ich dachte du willst mir eine Waffe geben?"

„Er ist eine Waffe, Aiko. Und wenn du ihn auch nicht für eine solche hältst, werden es deine Feine sicher auch nicht. So hast du das Überraschungsmoment immer auf seiner Seite."

„Aber ich weiß nicht wie man damit kämpfen soll." Entgegnete sie „Ich kann nur mit Schwert und Dolch kämpfen. Soll ich nicht lieber einen von denen nehmen?"

Er schüttelte den Kopf und lächelte sie wissend an.

„Ich werde dir zeigen, was in ihm steckt. Du wirst überrascht sein."

Mit diesen Worten verließ er die Hütte und erwartete, dass sie ihm folgte.

Noch einmal wendete sie den Fächer in ihrer Hand und fuhr mit den Fingern über das feste Papier. Sie hatte nur einmal von einer Technik gehört, mit der man einen Fächer als Waffe einsetzen konnte. Sie erinnerte sich nur noch wage daran, doch war es nicht nur zur Entwaffnung gewesen? Angreifen konnte sie so nicht, geschweige denn ihre Feine besiegen und ihre Rache bekommen.


Das Gift in ihrer SeeleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt