Manchmal kann ein falscher Schritt schreckliche Folgen haben. Ein falscher Schritt, eine falsche Entscheidung kann manchmal über Leben oder Tod entscheiden. Über Schutz oder Vernichtung. Alles kann sich in einem einzigen Moment entscheiden, in dem man die Kontrolle verliert.
Für Sorano war dieser Moment gekommen, als die Klauen des dämonischen Vogels ihr Schwert zerbrachen und sie zu Boden schlugen. Alles ging viel zu schnell. Die Eisblauen, kalten Augen des riesigen Reihers leuchteten triumphierend auf, als er den Kreis an Jägern durchbrach, die ihn eben noch umzingelt hatten. Krallen, die fast so groß waren wie Soranos gesamter Arm, sprangen über sie hinweg. Hilflos musste sie zusehen, wie er davon rannte und seine riesigen Flügel aus den Ketten und Seilen befreite.
Nun stand Sorano vor den Verkohlten Überresten ihres Dorfes. Heimgesucht von den grausamen Erinnerungen an ihr Versagen. Wie Nadelstiche prasselten die Erinnerungen in Bruchstücken auf sie hinein. Sie sah sich Stolpern. Sah wie in Zeitlupe den Dämon auf ihr Dorf zu rennen. Sie hörte die Jäger fluchen, sah sie kämpfen, sah sie verlieren.
Trotz der warmen Luft und der sengenden Sonne lief ihr ein kalter Schauer über den Rücken und sie fröstelte. Noch vor wenigen Stunden war alles in Ordnung gewesen. Es war ein Tag wie jeder andere gewesen. Die Sonne war gerade aufgegangen, der Tau ließ das Gras noch glitzern und die Dämonenjäger bereiteten sich für eine neue Mission vor.
Nun war der Boden bedeckt mit Asche und Schutt. Kein Stein stand mehr auf dem anderen. Die Häuser waren schwarz verkohlt. Es würde Monate dauern alles wieder aufzubauen, selbst für die Dämonenjäger. Doch an dem schlimmsten von allem kam sie vorbei, als sie das Dorf einige Schritte verließ. Insgesamt sechs neue Gräber taten sich auf. Freunde, Väter, Söhne. Alle hatten sie ihren Tod in den Flammen gefunden.
Es waren nicht die ersten Menschen, die sie hatte beerdigen müssen. Doch dieses Mal war es anders. Es war dieses Gefühl, das ihren Magen zusammenziehen ließ und ihre Gedanken blockierte. Schuld! Sie war schuld daran, dass der Dämon sich hatte losreißen können. Sie hätte ihn aufhalten müssen! Hätte verhindern müssen, dass die gierigen Flammen des Monsters das Leben so vieler Menschen mit sich nahm.
Vorsichtig legte sie die Blumen auf das Grab vor ihr nieder. Das des Sohnes des Oberhauptes. Sie hatten nicht mal mehr seinen Körper finden können.
Tränen sammelten sich in ihren Augen, die sich nicht wegzublinzeln vermochte. Sie durfte nicht trauern. Sie war schuld! Sie war die Täterin. Durch ihr Versagen hatten sie sterben müssen.
Wie hatte es nur dazu kommen können? Seit so langer Zeit jagte ihre Familie bereits Dämonen. Erlegten sie, schufen aus ihnen Waffen. Wie hatte ein einzelner ihr Dorf finden und dermaßen zerstören können? Sie kannte diese Art von Vogel-Dämonen. Sie wurden niemals so stark. Sie lebten an Gewässern und mieden die Menschen. Aber der hier war anders gewesen. Noch nie hatte sie einen Dämon in solch einer Rage erlebt. Es war gegen jeglichen Schmerz immun gewesen, die ihm zugefügten Wunden heilten sofort wieder. Nicht mal töten hatten sie ihn können.
Was sie zu spät erkannt hatten war, dass sobald sein Blut den Boden berührte, fing die Erde Feuer.
Binnen weniger Stunden wurden das Dorf und die Leben so vieler Unschuldiger vernichtet.
Sorano zwang sich sich abzuwenden.
Die Gefühle der Schuld und des Selbsthasses fraßen auch Wochen nach der Katastrophe an ihrer Seele. Sie aß kaum etwas, traute sich nur selten wieder in das Dorf hinein. Die meiste Zeit verbrachte sie in den Wäldern und versuchte ihre Wut durch Training loszuwerden. Leider ohne Erfolg.
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Das Gift in ihrer Seele
FanfictionVor 35 Jahren sollte alles seinen Anfang nehmen, als aus Asche und Feuer ein mächtiger Dämon geboren wurde. Früh begann er damit, Untergebene unter sich zu scharen, die er für seine Zwecke benutzen konnte. Eine davon sollte Aiko sein. Eine Prinzessi...