Kapitel 20

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Obwohl die Sonne schon lange am Himmel thronte, die Welt hell erleuchtet war und die Menschen ihren alltäglichen Aufgaben nachgingen, fühlte sich Aiko müde und niedergeschlagen. Ihre Glieder konnte sie nur schwer bewegen und immer wieder wanderten ihre Gedanken in eine andere Welt. Noch immer fühlte sie wenig. Zu wenig, als das man es als Trauer über ihren Verlust beschreiben konnte. Langsam gewöhnte sie sich an diese Kälte in ihrem Herzen. Fühlten sich so die Dämonen? Existierten sie ohne Sorgen und ohne Qual in dieser Welt? Waren sie überhaupt zu Gefühlen in der Lage?

All diese Fragen schwirrten durch ihren Kopf und ließen sie nicht zur Ruhe kommen. War sie nun auch mehr oder weniger eine von ihnen? Mordeten und Zerstörten sie deswegen so viel, weil sie dabei wenigstens irgendetwas fühlten?

Sie schüttelte den Kopf und drehte sich in ihrem Bett zur Seite. Die ganze Nacht war sie wach gewesen. Wie sollte sie auch schlaf finden? Ihre Mutter war gestorben und ihren Vater hatte sie, ohne es zu wissen, bereits vor langer Zeit verloren.

Früher, bevor sie Naraku kennengelernt hatte, hatte sie oft über den möglichen Tod ihrer Eltern nachgedacht. Wie sie sich dabei fühlen würde, wenn es eines Tages soweit kommen würde. Sie hatte damals schwören können, dass es ihr egal sein würde. Sie hatte gedacht ihre Eltern zu hassen. Aber um etwas zu schätzen, musste man es wohl erst verlieren. Nun wusste sie, dass sie sie nie wirklich gehasst hatte. Sie hatte sich immer gewünscht zu ihnen zurückzukehren. Hatte sie als Fluchttunnel gesehen. Nach all den Katastrophen, die geschehen waren, hatte sie unbewusst gehofft, ihre Eltern würden sie wieder bei sich aufnehmen. Sie hatte fast schon damit gerechnet, dass ich Leben bei Naraku nur vorrübergehend sein würde.

Und nun lag sie in ihrem Bett, in ihrer vorrübergehenden Hütte während sie auf die Fertigstellung ihres Schlosses wartete, in dem sie ihr Leben verbringen musste.

All diese Gedanken brachten sie um den Schlaf. Auch das Auge konnte sie nicht schließen, da es ihr so noch schwerer fiel die Schreie ihrer Mutter zu ignorieren, die sie noch immer verfolgten.

Minutenlang wälzte sie sich unruhig hin und her, bis sie einen Entschluss fasste.

Sie erhob sich und schritt auf die Tür zu, die sie von der Außenwelt trennte. Sie musste sich ablenken, sonst würden diese Stimmen sie in den Wahnsinn treiben.

Sanfter, als sie selbst von sich erwartet hatte zog sie die Tür auf und trat hinaus. Sofort schlug ihr eine beinahe unerträgliche Hitze entgegen, die sie so nicht erwartet hatte.

Die hoch am Himmel stehende Sonne hatte den Boden und die Luft um sie herum bis zum Maximum aufgeheizt. Die weit entfernten Pflanzen waren völlig verdorrt, sodass der Boden in einem toten Braun dalag. Selbst die Bäume, die ihnen schon seit so langer Zeit Schatten spendeten, ließen traurig ihre Äste hängen.

Durch den fehlenden Regen war die Natur völlig ausgetrocknet. Die Vögel lechzten nach den verbliebenen Wasservorräten der Menschen und kamen immer wieder um aus ihnen zu trinken.

Grade in dem Moment, als Aiko hinaustrat erwischte sie einen Uguisu aus einem Wasserkrug trinken. Mit einem Lächeln auf dem Gesicht beobachtete sie den kleinen Singvogel, bis sie bemerkt wurde und er sich schnell wieder in die Lüfte erhob.

Die Menschen ließen sich weniger von der Hitze und der Wasserknappheit beeinflussen. Sie hatten keine andere Wahl, als weiter ihren Arbeiten nachzugehen. Die Wachen trugen trotz den hohen Temperaturen ihre Uniformen und auch die Arbeiter am Schloss schufteten. Sie taten ihr leid, als sie sah wie sie sich abmühen mussten. Zumindest waren die Flüsse noch nicht ausgetrocknet und sie konnten noch genügend Wasser auftreiben.

Das Gift in ihrer SeeleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt