Die Fahrt verlief ruhig und gemächlich. Fast so als würden sie über die Landschaft fliegen. Aiko betrachtete sie eingehend und wandte ihren Blick nicht einmal von ihr.
Es schien so, als verändere sie bei jedem Schritt der Pferde ihr Gesicht. Es waren so unterschiedliche Strukturen, dass ihr fast schwindelig wurde. Mal waren es Wiesen, dann Wälder, Sümpfe und kleine Steppen, Flüsse und riesige Seen, an denen man sich vorkam, als stände man am Meer. Sie fragte sich unwillkürlich, ob sie sich jemals daran gewöhnen konnte. Ob sie jemals nach draußen blicken konnte und denken: „Dies ist mein Reich. Alles hier gehört mir und so soll es auch sein."
Sie zweifelte daran.
Für den Bruchteil einer Sekunde huschte ihr Blick in Narakus Richtung. Er hatte seinen Blick ebenfalls in die Ferne geworfen. Sein Gesicht war ernst. Als würde er nachdenken.
Es war unnatürlich, dass sie sich so unwohl in Gegenwart ihres Ehemannes fühlte. Er sollte doch eigentlich ihr engster Vertrauter sein.
Doch wenn dieser Mann etwas nicht war, dann ihr Vertrauter. Sie fürchtete sich gar vor ihm.
Er sollte ein Killer sein. Ein Wahnsinniger. Sie hatte ein Gerücht gehört, an dem er seine Bediensteten einfach die Kehle aufschlitzte, sollten sie ihn zur falschen Zeit stören.
Und da war es wieder. Das Zittern.
Sie stellte sich vor, sie wäre zur falschen Zeit am falschen Ort.
Unwillkürlich legte sie ihre Hand an ihren Hals. So als würde sie ihn schützen wollen.
Naraku wandte den Kopf und erst jetzt realisierte sie, dass sie ihm keineswegs einen flüchtigen Blick zugeworfen hatte. Sie hatte ihn die ganze Zeit über angestarrt.
Aiko versuchte sich so ruhig wie möglich dem Fenster wieder zu zuwenden. So als habe sie bloß Zufällig in seine Richtung gestarrt. Als habe sie gar nicht ihn angesehen. So als wäre es ihr nicht peinlich.
Während sie seinen Blick in ihrem Nacken kribbeln spürte, schrie sie sich in ihrem Inneren befehle zu: Sitz gerade! Gelassene Mine! Gelassene Mine sag ich! Er ist gar nicht da! Also bleib ruhig! Sei perfekt! Sei eine Göttin!
Doch ihre Maske fiel, als sie diesen Jungen sah. Sie schnappte nach Luft.
Er hing mit einem Pfeil durchstoßen an einem Baum. Sein Körper wurde bereits von den ersten Ranken umschlungen. Und doch war kein Blut zu sehen. Seine Rote Kleidung war vollkommen unbeschmutzt. Seine Haare hatten eine rein weiße Färbung und flossen seinen Körper hinunter.
Sie sah zu seinem Gesicht. Es war so friedlich als würde er schlafen. Als ihr Blick noch höher wanderte, erkannte sie, dass es sich bei diesem Jungen um keinen Menschen handeln konnte, denn Hundeohren ließen sich zwischen seinen Haaren erkennen.
Erschrocken drehte sie sich zu Naraku um, der sie noch immer ansah.
„Was...?" brachte sie hervor. Kein ‚Wer' Oder ‚Warum', was zu diesem Zeitpunkt viel eher angebracht gewesen wäre. Nein. Einfach nur ein ersticktes ‚Was'.
Sie biss die Zähne zusammen. Noch nie hatte sie jemand so aus der Fassung gebracht. Noch nie hatte etwas ihre Sprache verschlagen.
Er schwieg länger als es ihr lieb war.
„Das ist Inuyasha." Sagte er endlich. Wobei seine Worte so kalt und voller Abscheu waren, dass ihr eine Gänsehaut über den Rücken jagte.
„Eine Miko bannte ihn vor 35 Jahren an diesen Baum. Dann fand sie selbst ihr Ende."
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Das Gift in ihrer Seele
Fiksi PenggemarVor 35 Jahren sollte alles seinen Anfang nehmen, als aus Asche und Feuer ein mächtiger Dämon geboren wurde. Früh begann er damit, Untergebene unter sich zu scharen, die er für seine Zwecke benutzen konnte. Eine davon sollte Aiko sein. Eine Prinzessi...