Der Untergang- Mila

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Etwas war seit Samstag anders. Etwas musste bei dieser Qualifikation passiert seien. Bengt ist seitdem irgendwie anders. Er wirkte irgendwie kaputt und wütend, aber wenn ich nachfragte wich er aus. Er gefiel mir so nicht. Besonders er machte keine Witze mehr. Ich hatte ihn noch nie so ernst erlebt. Es ist schon fast beängstigend. Caya sagte mir auch nichts und das obwohl sie meine beste Freundin ist.

Also beschloss ich mir meinen Freund am Freitag mal vorzunehmen. Das Turnier war zu dem Zeitpunk gut zwei Wochen her und ich wollte endlich wissen, was passiert war. Wir trafen uns bei ihm. Damit er nicht abhauen konnte. Bengt ist so, wenn es schwierig wird gehört er zu den Menschen die einfach abhauen und den Konflikt lieber stehen lassen, als ihn zu lösen.

Er sah schlecht aus, als er mir die Tür öffnete. Tiefe Augenringe zeichneten sich ab. Ich konnte es nicht lassen und sah ihn besorgt an. "Was ist los?" ich fuhr ihm liebevoll über die Wange. Er sah weg und meinte einfach nur "Lass uns nicht drüber reden okay?!". Immer dasselbe seit zwei Wochen! Er trat aus der Tür und ließ mich rein. Seine Mutter lugte neugierig in den Flur "Hallo Mila" begrüßte sie mich freundlich und irgendwie auch so, als ob sie froh wäre mich zu sehen. Als wäre Bengt ihr noch mehr auf die Nerven gegangen, als sonst! "Hallo" begrüßte ich sie ebenfalls freundlich. Nur weil Bengt seine Mutter hasst, heißt das, nicht dass ich mich auch so abweisend ihr gegenüber verhalten muss! Er verdrehte daraufhin auch postwendend die Augen. "Hast du es ihr erzählt?", fragte seine Mutter ihn mit einem strengen Unterton. Er schüttelte den Kopf. "Mensch Junge! Noch nicht mal deiner Freundin erzählst du davon? Ich kann ja verstehen das es dich ziemlich mitnimmt!" wovon redete sie da? Ich sah Bengt an. Wieder wich er meinem Blick aus. "Entweder du sagst es ihr oder ich tu's!" sie legte provozierend den Kopf schief. Dann erlebte ich zum ersten Mal wie er sich seiner Mutter beugte "Ich mach das schon!". Sie zog daraufhin nur kritisch die Augenbrauen hoch und verschwand wieder im Wohnzimmer.

Bengt zog mich die Treppe hoch und kaum war die Tür zu seinem Zimmer zu sah er mich ernst an "Es ist alles vorbei!". Verwirrt sah ich ihn an. Was sollte das heißen? Wollte er mir gerade klar machen das es mit unserer Beziehung vorbei ist oder was sollte vorbei seien? Eine krasse Angst kam in mir auf. Ich sah ihn angsterfüllt an. Ich hatte immer Angst vor diesem Moment und das er schon so schnell kommen würde hätte ich auch nicht gedacht. Wir sind noch nicht mal ein halbes Jahr zusammen. "Was? Was ist vorbei?" meine Stimme zitterte wohl, denn er nahm mich in den Arm. "Meine Reitsportkarriere ist vorbei!" im ersten Moment war ich erleichtert und im nächsten spürte ich, wie sehr ihm das doch auch auf der Seele brannte. "Ich habe die Quali verhauen!" er atmete tief ein "Nach dem Gelände war ich raus! Ich bin wohl ohnmächtig geworden." Ich befreite mich aus seinen Armen und sah ihn schockiert an. "Mila schau mich nicht so an!" forderte er. "Warum hast du nicht früher was gesagt? Bengt?!?" er sah mich wieder nicht an. Jetzt war ich es die ihn in die Arme schloss. Ich hatte irgendwie das Gefühl er brauchte das in dem Moment. "Was ist mit Ly?", fragte ich vorsichtig, da Ly ihm die Welt bedeutet und er ihn niemals hergeben würde! "Den darf ich nur noch freizeitmäßig reiten" ob das einem Vielseitigkeitspferd, wie Ly reichen würde? Aber Bengt ohne Ly könnte ich mir niemals vorstellen. "Was sagen deine Eltern und Caya dazu?" "Papa und Caya lassen mich nicht mehr aus den Augen, wenn ich am Stall bin und Mama hat sich noch nicht dazu geäußert" Wieder löste ich meine Arme um ihn und küsste ihn stattdessen. Es war kein normaler Kuss wie sonst, nein eher ein tröstender.

Jetzt verstand ich so einiges! Bengt ist so. Wenn er über etwas nicht reden wollte, redete er nicht drüber, wenn er etwas nicht tun wollte, tat er es nicht und wenn er seinen Sturrkopf durchsetzten konnte setzte er ihn mit aller Macht durch. Manchmal ist es echt anstrengend mit ihm, aber trotzdem würde ich ihn um so gut wie nichts in der Welt hergeben wollen.

Mein Blick wanderte durch sein Zimmer. Eigentlich hatte er seine ganzen Turnierschleifen an einem Band über dem Schreibtisch an der Wand hängen gehabt, die Schärpen im Rahmen darüber und die Pokale auf dem mittleren Brett im Regal. Alles war weg. Die Turnierbilder mit Ly und seinen Vorgängern ebenfalls. Er war immer recht stolz auf seine Siege, dass wie ich finde auch zu Recht. In seiner aktiven Ponyzeit hat er wirklich viel Großes abgeräumt. Wie so hatte er all das weggepackt?

Er hatte meine Gedanken wohl gelesen, denn er sagte "Ich konnte es nicht mehr sehen!" Ich konnte es verstehen. Ich konnte verstehen, dass er das was ihn so glücklich gemacht hatte nicht mehr sehen wollte und konnte. Es schien ihn wirklich fertig zu machen. Dieser Gemütszustand ließ ihn ruhelos und verletzt wirken. Es ist einfach nur traurig ihn so zu sehen!

Normalerweise kann man Bengt als Erscheinung beschreiben die ihres Gleichen suchen. Schön, elegant, aber auch machohaft. Der, nachdem sich viele umdrehen und jetzt? Jetzt war er gebrochen und nur weil ihm der Sport, auf den er sein ganzes bisheriges Leben abgestimmt hatte genommen wurde.

Das war wohl der Untergang des Vielseitigkeitreiters Bengt Sjögren.

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