Familien- Erik

199 16 1
                                    

Ich hatte schon lange nicht mehr so schlecht geschlafen. Irgendwie war ich das Gefühl nicht losgeworden Johan hätte gestern doch noch etwas mitbekommen, dabei hatte Arvid uns mehr oder weniger durch eine klug eingefädelte Lüge geschützt.

Früh am Morgen ging es für uns alle nach Jonköping. Mir fielen schon auf der Fahrt ständig die Augen zu. Wir waren schon etwas früher gefahren, da ich meine Eltern besuchen wollte und die Anderen, vor dem Meeting noch etwas die Stadt angucken wollten. Dabei war Jonköping nichts besonderes.

Mama öffnete mir die Tür und fiel mir überschwänglich um den Hals. "Ich freue mich so dich zu sehen mein Junge". Ein Lächeln schlich sich auf meine Lippen. "Komm rein!" sie klang etwas fahrig und ließ mich schweren Herzens los. Langsam trat ich ein und zog mir kaum das ich vor der Garderobe stand Schuhe und Jacke aus. Mama sprach dabei immer wieder von verschiedenen Dingen.

Es dauerte etwas bis mein Bruder verwirrt guckend aus der Küche kam "Was machst du denn hier? Haben sie dich rausgeschmissen?" Ich schüttelte den Kopf und meinte kühl "Sponsorentreffen in Jonköping" "Ach und da denkst du dir 'schau ich mal bei meiner Familie vorbei'?" fragte er spitz und funkelte mich aus seinen braunen Augen an. "Jungs! Vertragt euch" ging Mama dazwischen. Wir verdrehten fast synchron die Augen. Björn sah den von Mama gewünschten Waffenstillstand nicht ein. Er musterte abschätzig meinen Oberarm "Wird auch immer bunter! Sieht so scheiße aus!" "Björn! Lass ihn!" ging Mama wieder dazwischen.

Später saß ich mit Mama im Wohnzimmer und sie redete und redete. Ich hätte ihr wirklich gerne zugehört, aber mir fielen immer wieder die Augen zu. So dämmerte ich irgendwann weg.

Es klingelte. Ich schreckte vom Sofa hoch. Mama ging zur Tür. Ich schlug meine Augen noch einmal nieder und fuhr mir müde über das Gesicht. Wie viel Uhr hatten wir eigentlich? Müde öffnete ich sie wieder und sah auf meine Uhr. Schockiert riss ich die Augen auf und sprang vom Sofa auf. Das Meeting fing in 10 Minuten an. Ich hastete in den Flur, bremste meine Schritte jedoch etwas, als ich Johans Stimme hörte. "Ja das kenne ich von meinen Beiden auch. Die finden immer irgendetwas wegen dem sie sich zanken können." er klang spöttisch und ich wartete quasi nur darauf, dass Caya sich auch zu Wort meldete "So schlimm sind wir auch wieder nicht" verteidigte sie sich und ihren Zwilling prompt. "Das stimmt seit Bengts Herzfehler seid ihr etwas ruhiger geworden" räumte ihr Vater ein. "Etwas? Ich muss ja immer Panik haben wenn ich mich mit ihm Streite, dass er jeden Moment umkippt!" Arme Caya. Ich musste schmunzeln und trat in den Flur. "Siehst du verpennt aus! Wenigstens gut geschlafen?" Caya grinste mich frech an und strich sich ein paar Haarsträhnen aus dem Gesicht. "Ging so." murmelte ich und zog meine schwarze Lederjacke von der Garderobe. Wir hatten jetzt vielleicht noch neun Minuten bis zum Meeting, aber Johan war immer noch Seelenruhig und unterhielt sich mit meiner Mutter. Seine Tochter hingegen trat nervös von einem Fuß auf den Anderen. Ich hörte Schritte hinter mir. Björn. Ich seufzte. "Du haust schon wieder ab?" kam es da auch schon abschätzig hinter mir. Ich wollte gerade Luft holen und mich verteidigen, da ging Mama dazwischen "Björn! Erik! Schluss jetzt. Ein für alle mal!" Mein Bruder verzog keine Miene und sah desinteressiert an Mama vorbei oder vielmehr über sie hinweg. Seine Augen wurden groß, als er Caya sah und ein "Wow" kam ihm leise überrascht über die Lippen. Caya blickte ihn einfach nur eiskalt aus ihren blauen Augen an und wandte sich dann mir zu. Sie lächelte mich warmherzig an und bedeutete mir mit einer minimalen Handbewegung mich zu beeilen, damit wir endlich los könnten.

"Wollt ihr später noch zu Kristina an den Stall?" fragte mein Bruder, als ich mich gerade von Mama verabschiedete. Ich zuckte mit den Schultern "Warum fragst du?" "Janna hat gestern irgendwelche Prüfungsunterlagen hier liegen gelassen." meinte er schlicht. "Ist Janna deine Freundin oder meine Freundin?" pampte ich ihn an. Nur weil er zu faul war selber zum Hof zu fahren, ach was fahren, von hier aus konnte man auch problemlos laufen. "Jetzt hab dich nicht so Kleiner!" Ich verdrehte die Augen. "Mein Gott ich weiß es nicht!" giftete ich und murmelte genervt "Tschüss. Ich melde mich noch mal" bevor ich aus der Tür ging.

Draußen meinte Caya mit einem undefinierbarem Grinsen "Deine Mutter ist voll süß.". "Ich wünschte das könnte man über meinen Vater und meinen Bruder auch sagen!" meinte ich leise und eher zu mir. Johan hatte es wohl trotzdem gehört "Du musst wirklich nicht darüber reden wenn du nicht willst, aber was ist das zwischen dir und deinem Bruder?". Ich zuckte mit den Schultern "Wir haben uns nie besonders gut verstanden. Keine Ahnung warum". "Gut, dass das bei dir und deinem Bruder nicht so ist" er klopfte seiner Tochter auf die Schulter, die daraufhin meinte "Naja manchmal könnte ich Bengt auch an die Wand klatschen". "Wenn man vom Teufel spricht" Johan zog sein Handy aus der Jackentasche und ging ran.

Der Büroraum der Reitsportfirma war stickig und es herrschte recht ungezwungene Stimmung, als wir den Raum betraten rief eine der Angestellten "Wollt ihr dieses Jahr mal Stilsicherer Unterwegs sein, oder warum hast du deine Tochter mitgebracht?" an Johan gewandt. Caya musste lachen "Bei den dreien mache ich mir wenig Sorgen, aber Arvid?" "Johan, warum muss deine Tochter mich immer ärgern?" Arvid schüttelte grinsend den Kopf. "Keine Ahnung. Schlechte Erziehung?" Caya und der Angesprochene mussten lachen. Diese Witze hätten meine Eltern nie gemacht. Das stimmte mich irgendwie etwas sentimental. Caya sah kurz zu mir rüber und lächelte mich an. Aber das änderte nichts an meiner Stimmung. Kurzer Hand griff sie in einem unbeobachteten Moment meine Hand und drückt sie aufmunternd. So schnell wie sie nach meiner Hand gegriffen hatte, ließ sie jene auch wieder los.

Das Meeting schrappte irgendwie nur so an mir vorbei. Es endete damit, dass die Firma uns allen einen Schwung neuer Schabracken, Fliegenhauben und Abschwitzdecken spendieren würde. Das alles in unseren Teamfarben und mit Teamlogo.

Immer noch lastete meine Familiensituation wieder einmal schwer auf mir. Caya schien es zu spüren, denn sie ließ mich nicht auf den Augen und warf mir immer wieder ein aufmunterndes Lächeln zu. Es half nichts und machte nichts wirklich besser. Auch nicht, als sie sich mit ihrem Vater lachend um die letzten Gummibärchen kloppte.

Ich wünschte mir in dem Moment ich hätte eine besser Beziehung zu meinem Vater, auch wenn er ein Arschloch war. Ich hatte ihn seit meinem Umzug nicht mehr gesehen. Wahrscheinlich wollte er nichts mehr von mir wissen, oder er tauchte dann wieder auf der Bildfläche auf, wenn ich irgendetwas ganz großes gewonnen hätte.

Ich seufzte schwermütig und lief weiter hinter den Anderen her. Die Stadt war mir zu voll und laut und ich hatte ehrlich gesagt wenig Lust noch irgendwo essen zu gehen, aber Arvid bestand darauf. Schließlich hätten wir einen großen Deal zu feiern. In Gothenburg wollte er dann am Abend noch mal was trinken gehen. Ich würde mich da wohl irgendwie ausklinken. Ich sitze nicht so gerne mit Kater auf dem Pferd und bezweifle, dass ich so viel vertragen würde.

DownfallWo Geschichten leben. Entdecke jetzt